ProSiebenSat.1 Das ProSieben-Digitalgeschäft wirkt stärker, als es ist

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Deutschland-Fokus als Wettbewerbsvorteil?

Eines der digitalen Projekte, die bei den Investoren die gewünschte Wachstumsfantasie auslösen, ist die Onlinevideothek Maxdome. Zuschauer wollen Serien und Filme heute zu ihren Wunschzeiten sehen. Schon im Jahr 2006, also sehr früh, erkannte ProSieben den Trend. Verglichen mit dem US-Konkurrenten Netflix, der auf fast 100 Millionen Abonnenten kommt, wirkt Maxdome mit einer Million Kunden heute allerdings wie ein Zwerg. Die ProSieben-Tochter konzentriert sich auf den deutschsprachigen Raum. „Video on Demand setzt sich in Deutschland nicht so schnell durch wie in anderen Ländern“, sagt Christof Wahl, der als ProSieben-Vorstand für digitale Unterhaltungsprojekte wie Maxdome zuständig ist. Den Fokus auf Deutschland und Umgebung sieht er als Wettbewerbsvorteil. „Maxdome hat ein lokaleres Gesicht. Es gibt viele, die nicht nur US-Serien schauen wollen“, sagt er. Sorgen, dass Maxdome von globalen Konkurrenten wie Netflix oder Amazon Prime überrollt wird, macht er sich angeblich nicht. Der Markt in Deutschland sei „groß genug für mehrere Anbieter.“

Die reichsten Medienunternehmer Deutschlands

Groß genug muss aber auch der Gewinn sein, um die Investition vor den Aktionären zu rechtfertigen. Wie groß genau, lässt sich nur schätzen, weil ProSieben die Maxdome-Zahlen geheim hält. Die Münchner machen weder Angaben zur Höhe der Investitionen noch zu den jährlichen Verlusten.

Eine Analystin der Berenberg Bank schätzt, dass 50 bis 75 Millionen Euro an Investitionen in das Projekt geflossen sind. Bis 2011 sind auf ProSieben entfallende Verluste von rund 16 Millionen Euro zusammengekommen. In den Folgejahren kam Unternehmensquellen zufolge pro Jahr ein Verlust in geringer zweistelliger Millionenhöhe dazu. Demnach hätte das Experiment ProSieben geschätzt mindestens 140 Millionen Euro gekostet.

Anspruchsvolle Stoffe und Erzählweisen gibt es nur noch bei den Streamingdiensten. Die herkömmlichen Programmsender liefern dagegen niveauloses Bügelfernsehen. Warum nur?

Im vierten Quartal dieses Jahres nun soll das Portal endlich Gewinn abwerfen. Aber auch nur vor Zinsen, Abschreibungen und Steuern. Damit ist klar: Es dürfte noch sehr lange dauern, bis ProSieben die Investitionskosten der Vergangenheit zuzüglich einer jährlichen Verzinsung wieder reingeholt hat. Ein Finanzexperte, der selbst nicht an ProSieben beteiligt ist, spricht von „Kapitalvernichtung“.

Große Geheimniskrämerei

ProSieben hält zwar PowerPoint-Präsentationen mit 120 Seiten über seine Aktivitäten bereit, sorgt aber – wie bei Maxdome – dafür, dass kein Externer nachvollziehen kann bei welchen Beteiligungen es gut und wo es schlecht läuft. Das Unternehmen veröffentlicht nur zu wenigen Töchtern Ergebnisse, was bei Dax-Konzernen längst nicht üblich ist.

Und die wenigen Zahlen, die ProSieben zu den Töchtern publiziert, sind auch noch uralt. So sind etwa sämtliche Ergebnisse der Töchter im 2016er-Abschluss von 2015. Claas van Delden, Geschäftsführer der Sparte Digital Ventures &Commerce, erklärt die Zurückhaltung damit, dass die Beteiligungen einer harten Konkurrenz ausgesetzt seien. „Wir wollen nicht, dass Wettbewerber unsere Zahlen und damit unsere Erfolgsgeheimnisse sehen. Das wäre geschäftsschädigend.“ Die wenigen verfügbaren Einzelabschlüsse geben allerdings keine Hinweise darauf, dass es Erfolge gibt, die geheimgehalten werden müssten.

Wie RTL und Sat.1 das Fernsehen veränderten
1. Januar 1984Die Ära des Privatfernsehens in Deutschland begann am 1. Januar 1984 um 9.58 Uhr. Die Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunk (PKS) ging um diese Zeit mit Sat1 auf Sendung, RTL plus folgte einen Tag später. Der damalige Geschäftsführer, Jürgen Doetz, begrüßte das Publikum gemeinsam mit Moderatorin Irene Joest vor den Fernsehern mit den Worten: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Moment sind Sie Zeuge des Starts des ersten privaten Fernsehveranstalters in der Bundesrepublik Deutschland.“ Quelle: dpa
2. Januar 1984Am 2. Januar 1984 sah das Publikum dann Helmut Thoma, damals Direktor der deutschen Programme, auf der Mattscheibe. Er begrüßte die Fernsehzuschauer zum Senderstart der ersten RTLplus-Sendung. RTLplus sendete damals aus Luxemburg sein deutschsprachiges Programm. 1988 zog der Privatsender nach Köln. Für Köln sprach, dass bereits wegen des WDR Übertragungsleitungen vorhanden waren. Quelle: dpa
8. April 1988Der junge Sender musste um das Publikum kämpfen. Erfolge verzeichnet RTL dabei unter anderem mit seiner Comedy-Spielshow „Alles Nichts Oder?!“ mit Hella von Sinnen und Hugo Egon Balder (hier im Jahr 2008). Trotz kleinem Budget und minimaler Ausstattung war das Moderatorenduo sehr gewinnbringend für den Sender. Die Grundidee war ein Kindergeburtstag für Erwachsene. Ein prominenter Gast musste an albernen Spielen teilnehmen und sich gegen die Moderatoren behaupten. Der Gewinn war eine Torte. Derjenige, der das Spiel verlor, musste seinen Kopf durch ein Loch in der Wand stecken, um dann die Torten aus dem Publikum ins Gesicht geworfen zu bekommen. Das klingt letztlich infantiler, als die Show tatsächlich war. Die Sendung lief bis 1992. Quelle: dpa
7. November 1988Große Erfolge brachte Sat.1 die Sendung „Glücksrad“ ein. Zum ersten Mal drehte es sich im Privatsender am 7. November 1988. Moderiert wurde die Ratesendung von Frederic Meisner (links) und Schauspieler Peter Bond (rechts), die sich wöchentlich abwechselten. Die Buchstabenfee, also die Dame, die die Buchstaben der Ratewand umdreht, war Maren Gilzer. Die Spiele-Show war montags bis freitags um 19.30 Uhr zu sehen. Wegen des hohen Erfolges wurde sogar 1991 eine samstägliche und eine sonntägliche Ausgabe ins Programm genommen. Fast sieben Jahre lang war das „Glücksrad“ damit täglich zu sehen. Vorbild für die Sendung war die US-Show „Wheel of Fortune“. Die Adaption ausländischer Formate wurde schnell zu einem Steckenpferd der Privaten – denn das brachte enormen Erfolg. Quelle: dpa
21. Januar 1990Die erste erotische TV-Show im deutschen Fernsehen war die Spiele-Show „Tutti Frutti“, moderiert von Hugo Egon Balder. Die Gäste konnten in Raterunden Punkte gewinnen, die sie in abzulegende Kleidungsstücke der Stripperinnen investierten. Den Privaten hing damals wegen zahlreicher Erotikfilmen im Nachtprogramm ein Schmuddel-Image an. „Tutti Frutti“ änderte daran nicht viel, wurde jedoch zum vieldiskutierten Gesprächsthema. Das Punktesystem begriff kaum jemand, nackte Haut wollten dafür genug Interessenten sehen. Ein Novum, was der Sender auch offensiv bewarb: Die Kandidaten mussten auch selbst Kleidung ablegen – und die Zuschauer durften hoffen, Nachbar oder Nachbarin in Unterwäsche zu erwischen. Die Sendung lief auf RTL bis 1993. Quelle: dpa
10. Dezember 1991Rosa von Praunheim präsentierte zu Beginn einer jeden Ausgabe der Show „Explosiv - Der heiße Stuhl“ eine Person, über die sie provokante Thesen aufstellte. Anschließend musste derjenige auf dem heißen Stuhl platznehmen und mit fünf weiteren Gästen über diese Thesen diskutieren. Dabei kam es zu lauten, persönlichen Diskussionen, die der Moderator immer wieder anheizte. Filmemacher Rosa von Praunheim outete in seiner Sendung außerdem die TV-Lieblinge Hape Kerkeling und Alfred Biolek als schwul, was einer der größten Skandale der TV-Geschichte war. Sein Kommentar dazu: „Mein Outing von schwulen Prominenten war ein Verzweiflungsschrei auf dem Höhepunkt der Aidskrise“, erklärt der heute 69-jährige Rosa von Praunheim auf seiner Website. Ihm ging es damals darum, schwule Sympathieträger, die versteckt lebten, zur Solidarität mit der Homosexuellengemeinschaft zu bewegen, weil es in ihr die meisten HIV-Infizierten und Aids-Toten zu beklagen gab. Generell war „Explosiv“ die wohl umstrittenste, da krawalligste Talkshow der privaten Fernsehsender. Quelle: dpa
19. Januar 1992Linda de Mol startete 1992 die Sendung „Traumhochzeit“ auf RTL. Die Sendung zählte mit bis zu elf Millionen Zuschauern zu den beliebtesten deutschen Fernsehsendungen der 1990er Jahre. Bis zum Jahr 2000 konnten in der Sendung drei Paare gegeneinander antreten, die (neben verschiedenen kleineren Preisen) eine Traumhochzeit gewinnen konnten. Der gigantische Erfolg der Samstagabend-Show legte den Grundstein für das Imperium der niederländischen Produktionsfirma Endemol, heute zweitgrößter Fernsehproduzent der Welt. Mitbegründer der Firma: Lindas Bruder John de Mol. Quelle: dpa

Der Reisevermittler Comvel mit den Portalen weg.de und ferien.de hat über die Jahre nur mal kleine Gewinne gemacht.

Das Hotelbuchungsportal Discavo wiederum hat 2014 und 2015 (neuere Zahlen sind nicht verfügbar) sechs Millionen Euro Verlust angehäuft. Der Erlebnisgutschein-Anbieter Mydays machte in zwei Jahren zehn Millionen Euro Minus. Billiger-Mietwagen.de kommt immerhin auf einen Gewinn von 4,9 Millionen Euro – aber bei sinkender Marge.

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