Research Gate Frisches Geld für Bill Gates‘ Goldjungen

Das Forschernetzwerk Research Gate hat in der jüngsten Finanzierungsrunde mehr als 50 Millionen Dollar eingesammelt. Neben Goldman Sachs und Peter Thiel hat auch Microsoft-Gründer Bill Gates Geld in Berlin investiert.

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Der Gründer von Research Gate hat eine Finanzierungsrunde von über 52,6 Millionen US-Dollar erfolgreich hinter sich gebracht. Quelle: picture alliance / Karsten Lemm

Berlin Iad Madisch neigt eigentlich nicht zur Bescheidenheit. Schon als Schüler habe er davon geträumt, eines Tages den Nobelpreis zu gewinnen, erzählt der Gründer von Research Gate gerne. Umso verwunderlicher scheint, dass er erst heute eine Nachricht verkündet hat, die schon über ein Jahr alt ist: Im November 2015 hat das Forschernetzwerk eine Finanzierungsrunde über 52,6 Millionen US-Dollar abgeschlossen. Für ein deutsches Start-up ist das viel Geld. Die meisten Firmen in Berlin machen um viel weniger ein größeres Aufheben.

Das Kapital stammt von prominenten Investoren, darunter Goldman Sachs, der Wellcome Trust und die Four Rivers Group aus den USA. Der wohl berühmteste von ihnen ist Microsoft-Gründer Bill Gates. Er hat sich schon 2013 an Research Gate beteiligt. Als „Bill Gates‘ Goldjunge“ wurde Madisch damals von der Lokalpresse betitelt. Er rede nicht gerne über Geld, sagt Madisch, er spreche lieber über sein Produkt.

Research Gate, gegründet 2008 ist ein Netzwerk für Wissenschaftler, eine Art Facebook für Forscher. Mit dem Unterschied, dass sich die Mitglieder keine Katzenvideos schicken, sondern sich über ihre wissenschaftlichen Projekte auf dem Laufenden halten. 12 Millionen angemeldete Teilnehmer hat die Plattform bereits. Auch das ist viel – gemessen daran, dass es Schätzungen zufolge weltweit nur etwa 20 bis 30 Millionen Menschen gibt, die zur Gruppe von Forschern zählen.

Was Facebook und Research Gate verbindet, sind zwei Herausforderungen: Zum einen müssen die Mitglieder von Netzwerken kontinuierlich animiert werden, sich aktiv einzubringen, sonst sinkt ihre Attraktivität. Vor allem aber muss das Netzwerk Wege finden, mit Hilfe seiner Teilnehmer Geld zu verdienen – sonst, da hat Madisch Recht, ist auch die größte Finanzierung nicht der Rede wert.

Genau wie Facebook hat sich Research Gate zunächst um die erste Herausforderung gekümmert. Seit einem Jahr können Wissenschaftler nicht mehr nur Profile anlegen und Artikel hochladen (mittlerweile gibt es jeden Monat 2,5 Millionen neue Veröffentlichungen), sondern auch die Daten aus aktiven Forschungsprojekte mit der Community teilen.

Bislang haben die Wissenschaftler mehr als eine halbe Million neuer Projekte angelegt. Darunter ist auch eines von der Nasa, die gerade auf Hawaii die Lebensbedingungen auf dem Mars simulieren und die wissenschaftliche Welt darüber in Echtzeit auf dem Laufenden halten.

„Der Großteil aller wissenschaftlichen Experimente scheitert“, erklärt Madisch, selbst ein promovierter Mediziner. „In den Zeitschriften erfahren wir aber nichts darüber. Also machen wir die gleichen Fehler immer wieder.“ Zudem sei es mühsam, dass wissenschaftliche Daten an so vielen unterschiedlichen Orten gespeichert würden. Research Gate wolle die Art, wie Forschung betrieben wird, grundlegend verändern – und den Forschern damit Zeit und Geld sparen.


Das Interesse ist da – jetzt muss aber noch Geld verdient werden

Wissenschaftler nehmen Research Gate an – 1,7 Millionen Mitglieder besuchen die Plattform einmal in der Woche oder häufiger. Jeder dritte davon hat mindestens ein laufendes Projekt eingestellt. Geld verdient die Plattform, die inzwischen 200 Mitarbeiter beschäftigt, damit aber noch lange nicht. Die Teilnahme ist kostenlos. Zuletzt machte die Firma 4,5 Millionen Euro Verlust. Das Geld aus der aktuellen Finanzierungsrunde werde vor allem in Projekte zur Monetarisierung eingesetzt, sagt Madisch und ergänzt: „Am Ende dieser Runde soll der Break Even stehen.“

Die Herausforderung ist es nun, aus den Daten, die die Nutzer bereitstellen, Geld zu machen – ohne sie damit zu verärgern. Die Forscher sollen nicht mit Werbung für Haarwuchsmittel belästigt werden, sondern solche Angebote bekommen, die sie interessieren könnten. Schon seit eineinhalb Jahren können etwa Jobangebote bei Research Gate gebucht werden. Interessant sei die Zielgruppe auf der Plattform auch für die Hersteller von wissenschaftlichem Gerät, das bislang kaum über das Internet, sondern vor allem auf Messen vertrieben werde. Mit 23 der führenden 25 Hersteller sei man bereits im Gespräch über Werbeanzeigen. Denkbar wären auch Erlös-Modelle aus dem Bereich der Sharing-Economy, schließlich seien die meisten Geräte sehr teuer.

Anzeigen bei Research Gate seien zielgenauer und würden darum besser geklickt als bei anderen Netzwerken, sagt Madisch. Er erinnere sich noch an die Zeit, als er noch als Virologe tätig war, und auf Messen ging, um sich über die jüngsten DNA-Sequenzierer zu informieren. Die Molekular-Biologie habe ihn schon im Studium fasziniert. Im dritten Semester habe er mal ein Referat über George Church gehalten, den Begründer des Human-Genom-Projekts. Kürzlich habe er, Madisch, mit Church auf einem Podium gesessen und über die Zukunft der Forschung gesprochen. Es sei „schon krass, wie weit wir gekommen sind.“

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