Rocket Internet Oliver Samwer und seine Börsenbabys

Auf der Hauptversammlung von Rocket Internet erklärt Oliver Samwer den Aktionären die Start-up-Welt. Von ihm lernen die Anleger, dass Scheitern zum Erfolg gehört – und dass man nur nachts an Aktienkurse denken sollte.

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Der Rocket-Chef gibt sich große Mühe, nicht zu viel Englisch zu sprechen, auch wenn ihm manchmal die Wörter fehlen. Quelle: Reuters

Berlin Wie ein geduldiger Lehrer vor seinen etwas begriffsstutzigen Schülern steht Oliver Samwer vor den Aktionären von Rocket Internet, und erklärt, was sein Unternehmen eigentlich tut. Dass Rocket Internet Unternehmen aufbaut oder in vielversprechende Geschäftsmodelle investiert. Dass sie die Modelle dann skalieren, also in verschiedene Länder ausrollen und alle möglichen Marketing-Kanäle bespielen, um möglichst viele Kunden zu gewinnen. Jedes Start-up bestehe aus ähnlichen Bausteinen und Instrumenten, bei Rocket profitiere einer von der Erfahrung des anderen.

Der Rocket-Chef gibt sich große Mühe, nicht zu viel Englisch zu sprechen, auch wenn ihm, der den Großteil seiner Zeit im Flugzeug verbringt, manchmal die Wörter fehlen. Einmal muss er seinen Finanzchef fragen, wie man zweistellig auf Deutsch sagt. Ein anderes Mal sagt er „General Merchandise“ und schiebt sofort „den, äh, Handel mit allgemeinen Konsumgütern“ hinterher. Der Geschäftsbericht von Rocket Internet, im letzten Jahr nur auf Englisch verfügbar, liegt in diesem Jahr auch auf Deutsch aus. Der Konzern will Transparenz signalisieren, und Nähe.

Im letzten Jahr war das noch anders. Da funktionierten weder die Klimaanlage noch die Kommunikation so richtig. Er habe selten ein Unternehmen erlebt, dass so professionell nicht auf Fragen antworte, sagte Aktionärsschützer Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger.

Inzwischen hat sich einiges getan. Der Aktienkurs hat sich seit dem Börsengang vor anderthalb Jahren halbiert. Das Jahr 2015 war geprägt von Verlusten, sowohl beim Mutterkonzern als auch bei den wichtigsten Beteiligungen von Rocket Internet. Man könne sein Unternehmen nun einmal nicht mit Hilfe von drei Kennzahlen bewerten, sagt Samwer, man müsse sich die einzelnen Beteiligungen genau angucken. Er trägt Anzug und Krawatte.

Die Hauptversammlung findet im neuen Rocket-Tower statt, in den das Unternehmen im Herbst einziehen will. Allerdings nicht ganz oben, sondern fast ganz unten, im ersten Stock. Das Dachgeschoss mit der besten Aussicht hat Rocket Internet an andere, zahlungsbereite Mieter abgetreten.

„Am Ende soll ja ein tragfähiges, profitables Unternehmen stehen“, erklärt Samwer weiter und dann kommt: „Die meisten Unternehmen werden nichts.“ Wenn man erkenne, dass etwas nicht funktioniere, müsse man einfach rechtzeitig rausgehen. Scheitern sei ein wichtiger Teil der Unternehmenskultur von Rocket Internet. Es ist eine kluge Rede. Wer will sich schon bestreiten, dass Scheitern zum Erfolg dazugehört? Sich gar als Vertreter deutscher Ängstlichkeit und Langeweile outen?


Zalando ist das beste Argument

Hello Fresh zum Beispiel, der Kochboxenlieferant, der zwar immer noch tiefrote Zahlen schreibt und riesigen Marketingaufwand betreiben muss, mit seinem beeindruckenden Wachstum aber dennoch zu den größten Hoffnungen von Rocket für einen möglichen Börsengang zählt. In Deutschland wird gerne über Hello Fresh gelästert. So richtig ist das Konzept, sich Kochrezepte samt portionierten Zutaten schicken zu lassen, hierzulande noch nicht angekommen, obwohl es jetzt auch Rezepte von Jamie Oliver gibt. „Ein sehr bekannter Koch“, erklärt Samwer. In England sei Hello Fresh sehr beliebt, in Australien auch, in den Niederlanden würden sich die Kindergartenkinder gegenseitig fragen, was in ihrer Box drin gewesen sei. Es muss an den Deutschen liegen, so die Botschaft, die hinken in Sachen Internet ja gerne mal hinterher.

Samwers bestes Argument aber ist Zalando. Der Modehändler, der 2014 an die Börse ging und dem Mutterkonzern Rocket Internet einen Milliardengewinn bescherte. Man hätte Zalando niemals bauen können, wenn man es darauf angelegt hätte, nach zwei Jahren profitabel zu sein, erklärt Samwer. Das Wichtigste im Internet sei das Wachstum und dass die Rocket-Beteiligungen immer ein durchschnittlich Wachstum von 25 bis 40 Prozent haben sollten, auch wenn man sich selbstverständlich auf dem Pfad in die Profitabilität befinde. 2017 sollen drei Firmen den Breakeven erreicht haben, bestätigte der Rocket-Chef noch einmal.

Die Aussicht auf einen Börsengang, obwohl von den Aktionären angemahnt, wollte er nicht konkretisieren. Sie seien ja selbst noch ein Börsenbaby, sagt Samwer, und wenn sie eines gelernt hätten, dass es bei einem Börsengang nicht nur auf das Unternehmen ankäme, sondern auch auf das Umfeld. Einen solchen Kursverfall könne er damit nicht rechtfertigen, wandte Aktionärsschützer Kunert ein.

Er denke, dass er erfolgreiche Unternehmen bauen müsse, um den Kurs zu steigern, konterte Samwer. „Darum kümmern wir uns tagsüber um die Unternehmen. Nachts, auf dem Nachhauseweg, denken wir an den Kurs.“ Da lacht das Publikum sogar ein bisschen.

Samwer kann aber auch bescheiden: Von einem Aktionär gefragt, warum Rocket Internet nicht mehr in Fintechs investiere, das sei doch jetzt der Renner, sagt Samwer, dass dieses Thema seiner Meinung nach noch ganz am Anfang stehe, dass man noch nicht absehen könne, welche Modelle sich durchsetzen würden und welche nicht. Dass man in diesem Feld investiere, aber noch nicht zu viel wagen wolle. „Wir wollen uns auf die größeren Unternehmen konzentrieren, nicht auf die Pflänzchen, die es vielleicht im nächsten Jahr nicht mehr gibt. Am Ende sind wir Anwaltssöhne und Deutsche, wir sind vorsichtig.“

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