Router-Hack Protokoll des Mega-Angriffs auf die Deutsche Telekom

Der große Hackerangriff auf Router von Telekomkunden hat für große Unsicherheit gesorgt: Wo lag der Fehler? Warum hat die Abwehr so lange gedauert? Und warum sind die Ausfälle bei der Telekom gar nicht das größte Problem?

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Das Protokoll des Hacker-Angriffs auf die Deutsche Telekom Quelle: REUTERS

Es ist Anfang November, als ein unbekannter IT-Sicherheitsspezialist unter dem Pseudonym „Kenzo2017“ eine nur für technische Experten verständliche Warnung in einem Online-Blog veröffentlicht: Demnach sei es Hackern möglich, bestimmte Router des irischen Internet-Anbieters EIR mithilfe übers Internet verschickter Steuerbefehle aus der Ferne umzuprogrammieren.

Auf diese Weise könnten die Angreifer die Geräte, mit deren Hilfe Privatleute und Unternehmen online gehen, fernsteuern und – wie eine Art digitale Zombies – für groß angelegte Attacken auf andere benutzen. Kurz darauf veröffentlicht der Router-Hersteller, das taiwanische Unternehmen Zyxel, ein Update, um die Lücke zu stopfen. Sonst aber blieb die Warnung weitgehend unbeachtet.

Bis sie am vergangenen Sonntag plötzlich immense Brisanz bekommt.

Es ist kurz nach drei Uhr am Nachmittag als den Mitarbeitern im Netz-Monitoring-Center der Deutschen Telekom in Bonn beim Blick auf die wandhohen Kontrollschirme Sonderbares auffällt. Ohne erkennbaren Grund sind merklich weniger Kunden an den Telefonie-Servern des Kommunikationsriesen angemeldet. Auch die Netzlast ist erkennbar niedriger als für einen Sonntagnachmittag sonst üblich, weil weniger Menschen über das Netzwerk des Konzerns telefonieren.

Ein erster schneller Check der bundesweiten Wetterlage zeigt: Strahlendes Spätherbstwetter, das die Deutschen zu Zehntausenden und flächendeckend zu außerplanmäßigen Sonntagsspaziergängen veranlassen könnte, so ein erster Erklärungsversuch. Was also ist los, da draußen im Netz? Die Suche nach der Ursache beginnt – und für Thomas Tschersich, den Programmleiter für Interne Security & Cyber Defense bei der Telekom sowie Hunderte weitere Technik- und Sicherheitsexperten im Konzern die vermutlich stressigsten 72 Stunden, der vergangenen Jahre.

Netz-Alarm um halb Vier

Es ist kurz nach halb Vier, als im Handy des 46-jährigen Sicherheitschefs die erste E-Mail eingeht, dass sich im Netz IRGENDETWAS Ungewöhnliches tut. Da weiß noch niemand WAS genau passiert, aber DASS etwas nicht stimmt, wird immer klarer. Binnen kurzer Zeit sind es rund 900.000 Telekom-Kunden, deren Telefon-, Internet- und Multimediaanschlüsse ganz oder teilweise streiken.

Eine halbe Stunde später hat Tschersich die Kollegen aus Bonn persönlich am Apparat. „Da war klar, dass wir – wie das bei uns heißt – eine ‚Störung großer Wirkweite‘ im Netz haben“, sagt der Sicherheitsmanager.

Für solche Fälle haben Kommunikationskonzerne wie die Telekom aber auch ihre Wettbewerber ausgeklügelte Notfallpläne parat. Fachleute stehen in Rufbereitschaft, wenn es irgendwo klemmt und das diensthabende Personal die Störungen nicht in den Griff bekommt. Aber es ist Sonntagnachmittag. Da braucht es länger als während der Arbeitszeit an Wochentagen, bis die Kräfte verfügbar sind. Doch der Kreis der Experten wächst rasch an. Sie schalten sich zusammen, diskutieren, woran es liegen könnte, dass so viele Kunden, so plötzlich keinen stabilen Netzzugang mehr bekommen?

Angriffsziele von aufsehenerregenden Cyberangriffen

Viele Ideen, aber keine führt zum Ziel

Ein Ausfall eines regionalen Netzknotens, vielleicht? Liegt nicht vor! Die Störungen tauchen bundesweit auf? Störungsmeldungen aus Ballungsräumen häufen sich, sind dort vielleicht Netzkomponenten eines gemeinsamen Typs verbaut, die eine Störung aufweisen? Auch nicht, die Häufung, so zeigt der Abgleich mit den Nutzerdaten, ergibt sich alleine aus der höheren Bevölkerungsdichte. Wo mehr Menschen leben mit ihren Telefonanschlüssen, da haben – auch bei einer statistischen Gleichverteilung einer Störung – einfach absolut gezählt mehr Menschen einen Netzausfall. In fieberhafter Eile entwickeln die Netztechniker Thesen, was Auslöser der Störung sein können, prüfen die Fakten … und verwerfen sie wieder. Es bleibt ein Rätsel, was passiert ist.

Als die Experten technische Fehler im Netz Stück für Stück ausschließen können, gerät Tschersichs Cybercrime-Truppe in den Fokus. Wenn nicht die Technik klemmt, sind es vielleicht Störungen von außen? Sind Hacker am Werk?

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