Russland-Affäre Facebook geht in die Offensive

In den Untersuchungen über eine vermeintliche Einflussnahme der russischen Regierung auf die US-Präsidentschaftswahl 2016 wird es ernst für Facebook und Co. Nun nimmt erstmals Geschäftsführerin Sheryl Sandberg Stellung.

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Die Facebook-Managerin nimmt Stellung. Quelle: AP

In der schönen Welt der Zuckerberg`schen Vision einer globalen, vernetzen Gemeinschaft, die Facebook zusammenbringt, passen die neuesten Entwicklungen zur vermeintlichen Beeinflussung durch Propaganda so gar nicht. Facebook – ein Spielfeld der Trolle oder gar Propaganda?

Der Geheimdienstausschuss in den USA prüft derzeit, ob und wie die russische Regierung Einfluss auf die US-Präsidentschaftswahl genommen hat. Mithilfe einer sogenannten „Trollfarm“, also einem Unternehmen, dass sich auf das Verbreiten von Propaganda im Kundenauftrag spezialisiert hat, soll Stimmung für einen Präsidenten Trump gemacht worden sein. Die russische Regierung wies den Vorwurf mehrfach zurück. Facebook selbst zeigt sich kooperativ und veröffentlichte konkrete Daten über Anzahl und Reichweite der betroffenen Anzeigen. Geschäftsführerin Sheryl Sandberg reiste deswegen jetzt nach Washington, um hinter geschlossenen Türen mit Politikern über die Ermittlungen zu sprechen. Nun meldet sich Sandberg in einem Interview zu Wort und gibt die Aufklärerin.

Es seien Dinge passiert, die nicht hätten passieren sollen, sagte Sandberg gegenüber der US-Nachrichtenplattform „Axios“. Besonders wenn es ausländische Einmischung in eine demokratische Wahl gäbe. Man wisse, dass man eine Verantwortung habe alle zu tun, um den Missbrauch der Plattform zu verhindern. Doch sie appelliert auch an andere Plattformen, und die Regierung, einen einheitlichen Transparenzstandard einzuführen. Man sei bereit dem Kongress und dem Ausschuss zu helfen, so Sandberg. Diese Art der Einflussnahme sei eine völlig neue Bedrohung – doch wenn Inhalte von realen Personen veröffentlicht würden und nicht von Fake-Accounts, müsste der Inhalt auf der Seite bleiben: Denn wenn man freie Meinungsäußerung erlaube, erlaube man eben freie Meinungsäußerung. Trotzdem schulde Facebook der US-amerikanischen Öffentlichkeit eine Entschuldigung – nicht nur das, sondern auch Entschlossenheit. Trotzdem habe Facebook nun einen gründlichen Job gemacht, die Anzeigen und die Ersteller zu identifizieren.

Im Zuge der Aufklärung hatte Facebook 3.000 mutmaßlich russische Anzeigen mit politischen Botschaften identifiziert. Nach ersten Schätzungen des Unternehmen wurden diese rund zehn Millionen Menschen in den USA angezeigt. Facebook hatte zudem 470 Profile mit vermuteter Verbindung zu Russland ausgemacht, die Werbung mit politischem Hintergrund für etwa 100.000 Dollar geschaltet hatten. Dabei sei es vor allem darum gegangen, Spannungen zwischen ethnischen und sozialen Gruppen anzuheizen – laut Medienberichten wurden in den Anzeigen Einwanderung, die Rechte von Schwulen und Lesben und zum Beispiel Hillary Clinton hinter Gittern gezeigt. Facebook schließt nicht aus, dass noch mehr Anzeigen entdeckt werden.

44 Prozent der Anzeigen-Auslieferungen entfielen auf den Zeitraum vor der Präsidentenwahl am 8. November 2016, 56 Prozent folgten danach, wie Facebook in einem Blogeintrag erklärte. Die 3.000 Anzeigen waren insgesamt zwischen Juni 2015 und Mai 2017 platziert worden. Etwa ein Viertel davon sei aber niemandem angezeigt worden, weil der Relevanz-Algorithmus sie ausgesiebt habe, erklärte Facebook. Für die Hälfte hätten die Auftraggeber weniger als drei Dollar pro Anzeige ausgegeben und nur für ein Prozent hätten sie 1.000 Dollar oder mehr bezahlt. Die entsprechenden Anzeigen übergab Facebook dem Kongress, der die vermutete Einmischung untersucht.

Die Auftraggeber haben dabei von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Werbung für bestimmte Zielgruppen zum Beispiel nach Regionen oder Interessen zu schalten. Was für Unternehmen beim Abverkauf und Bewerben von Produkten interessant sein kann, ist für die Verbreitung politischer Botschaften natürlich besonders hilfreich. Schließlich kann so versucht werden, auf Gruppen gezielt Einfluss zu nehmen oder in bestimmten Regionen die Stimmungslage zu verändern.


Zuckerbergs Außenministerin auf Vertrauenstournee

Facebook selbst hat das Problem erkannt: Chef Mark Zuckerberg kündigte zuletzt an, mehr Transparenz bei politischer Werbung walten zu lassen. Dafür will das Unternehmen auch eine personelle Aufstockung im Bereich der Teams vornehmen, die entsprechende Werbung kontrollieren. Auch eine Software soll in Zukunft dabei helfen, Werbeanzeigen automatisiert zu entfernen, wenn diese gegen die Geschäftsbedingungen des Netzwerks verstoßen.

Wie zudem Medien Anfang der Woche berichteten, sollen Anzeigen, die nach ethischen, sozialen oder politischen Parametern ausgespielt werden, in Zukunft manuell von Mitarbeitern überprüft und genehmigt werden müssen. Diese Meldungen hat Facebook allerdings noch nicht kommentiert. Es ist allerdings im Zuge des anhaltenden Drucks auf die Tech-Konzerne im Zuge der Ermittlung durchaus realistisch, dass diese Sicherheitsmaßnahme eingeführt wird.

Denn für den Konzern geht es nicht nur um die Aufrechterhaltung einer Vision von grenzenloser Kommunikation und globaler Gemeinschaft, in den USA wurden zuletzt auch Stimmen laut, die Unternehmen wie das soziale Netzwerk aus Menlo Park stärker regulieren wollen. Auch deshalb begibt sich Zuckerbergs „Außenministerin“ Sandberg gerade auf große Vertrauenstournee.

Dabei ist nicht nur Facebook betroffen: Auch Twitter fand und sperrte Accounts mit Verbindungen zu den von Facebook entdeckten Profilen. Google stellt eigene interne Nachforschungen an, die laut Informationen der „Washington Post“, bereits zu ersten Ergebnissen geführt haben: So sollen russische Agenten mit Zehntausenden von Dollar Anzeigen in mehreren Produkten des Internetriesen Google beeinflusst haben. Das US-Unternehmen habe die russisch gesteuerte Desinformationskampagne entdeckt, berichtete die Zeitung am Montag unter Berufung auf informierte Kreise. Die Konzerne müssen Stellung beziehen – nicht nur öffentlich, sondern auch in einer Anhörung im Washingtoner Kongress. Google soll nun erwägen, wie Facebook und Twitter, daran teilzunehmen.

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