Worum es an diesem Abend gehen soll – daran lässt Samsung keinen Zweifel: Auf jedem Stuhl in den engen Reihen liegt ein breites Brillengestell mit weißem Rahmen, dessen Sichtbereich eine schwarze Blende abdeckt. Die Besucher, die in den Saal strömen, sollen es schon mal an- und ausprobieren, bevor es losgeht. Ein wichtiger Hinweis: „Please, please don’t kick the Gear VR.“
Es ist eine ungewöhnliche Pressekonferenz, zu der Samsung am Vorabend des Mobile World Congress (MWC) einlädt. Ein Teil findet in der virtuellen Realität statt, in die die Besucher mit der Gear VR eintauchen – und als sie das Gerät wieder absetzen und Richtung Bühne blicken, steht dort auf einmal Facebook-Chef Mark Zuckerberg. „Die virtuelle Realität ist die soziale Plattform der Zukunft“, spricht der Überraschungsgast mehrfach ins Blitzlichtgewitter der Fotografen. Seine Euphorie hat ihren Grund: Sein Konzern hat die Firma Oculus VR gekauft, deren Technik auch Samsung einsetzt.
Was der neue Mobilfunk 5G leisten soll
Bis zu 100 Mal größer: 5G soll ganz neue Formen der Unterhaltung ermöglichen, wie Videospiele mit virtuellen Realitäten – und Computerbrillen für 3-D-Videos mit lebensechter 4-K-Auflösung.
10 Mal effizienter: Heute ist Strombedarf einer der größten Kostentreiber im Mobilfunk. Künftig müssen Infrastruktur und Endgeräte drastisch weniger Energie verbrauchen – und im Idealfall bis zu zehn Jahre ohne Batterietausch funken.
1000 Mal höher: Wenn Mobilfunk künftig auch Sensoren in Parkuhren, Ampeln, oder Pkw-Stellplätzen vernetzen soll, müssen Funkzellen mit der 1000-fachen Zahl von Geräten kommunizieren können.
10 bis 100 Mal schneller: Damit autonom fahrende Autos einander rechtzeitig Notbremssignale geben können, muss das Funknetz Befehle in weniger als zehn Millisekunden übermitteln. Heutige Netze brauchen mindestens 100 Millisekunden.
Bis zu 1000 Mal verlässlicher: Heute nerven Verbindungsabbrüche nur. Im Internet der Dinge wird es zum unkalkulierbaren Risiko, wenn der Funk zickt. Dann drohen der Stillstand von Maschinen oder gar tödliche Unfälle mit Robotern.
Die Botschaft des Abends: Samsung meint es ernst mit der virtuellen Realität. Natürlich stellt der Konzern wie erwartet sein Galaxy S7 sowie das verwandte Galaxy S7 Edge vor. Die neuen Spitzenmodelle dürften ihm in der nahen Zukunft schließlich Milliardenumsätze einbringen. Doch in einer nicht allzu fernen Zukunft soll auch VR zu einem großen Geschäft werden. Samsung will der Technik gemeinsam mit Facebook zum Durchbruch verhelfen – und gleichzeitig die Nutzer an sich binden.
Die virtuellen Welten entstehen durch einen optischen Trick: Der Zuschauer bekommt mit einem Bildschirm direkt von seinen Augen eine andere Welt vorgegaukelt. Wenn er den Kopf dreht oder hebt, ändert sich auch die Perspektive – wie im richtigen Leben. Die Teilnehmer der Pressekonferenz sehen in einer kurzen Demo mit der Gear VR, wie drei Jungs mit dem Fußball tricksen und dabei auch den Ball über ihren Kopf spielen.
„Man fühlt sich, als wäre man da“, sagt Zuckerberg, als er in der Mitte der Bühne steht. Derzeit werde VR vor allem für Spiele eingesetzt, aber das ändere sich, ist der Facebook-Chef überzeugt. So könnten junge Eltern den Freunden und Verwandten ihren Nachwuchs ganz lebensecht zeigen. Oder Büroarbeiter sich manche Dienstreise sparen, indem sie virtuell konferieren.
Von 1G bis 5G: Die Ahnengalerie der Netze
1960: A-C-Netze
Mit der ersten Generation wurde die Autotelefonie möglich.
1990: GSM-Netz
Durch das GSM-Netz konnten unter anderem folgende Funktionen genutzt werden: digitaler Mobilfunk, SMS und E-Mail.
2000: UMTS-Netz
Die 3. Generation schaffte die Voraussetzung für die Nutzung von mobilem Internet und Apps.
2010: LTE-Netz
Mit dem LTE-Netz wurde die Möglichkeit zur Nutzung von Breitband-Mobilfunk und Video eingeräumt.
2020: Internet der Dinge
Das Internet der Dinge soll die Voraussetzungen für vernetzte Maschinen und Gaming schaffen.
Dem echten Leben kommt die virtuelle Realität am nächsten, wenn ein leistungsfähiger PC sie entwirft – die Geräte Oculus Rift und HTC Vive setzen auf solche Highend-Hardware. Samsung will dagegen in Zusammenarbeit mit Facebook das Smartphone zum Tor in die virtuelle Welt machen – auch das wird immer leistungsfähiger. In das Gestell der Gear VR, die seit 2014 auf dem Markt ist, lassen sich einige Modelle als Bildschirm stecken, auch das neue S7 und S7 Edge
Eigene Bilder mit 360-Grad-Blick
Die Erwartungen sind hoch. „Wir verstehen VR als neue Plattform, die sich zu einem Milliardenmarkt entwickeln wird“, sagte Samsung-Manager Martin Börner dem Handelsblatt. „Es wird eine große Welle geben, wir wollen ganz vorne dabei sein.“ Nach Einschätzung der Marktforscher von CCS Insight wird der Absatz von VR-Brillen von 2,2 Millionen im vergangenen Jahr auf 20 Millionen im Jahr 2018 steigt - bei neun von zehn Geräten handelt es sich nach Einschätzung der Marktforscher um Smartphone-Erweiterungen wie Gear VR.
Anstieg des Datenverkehrs pro Gerät bis 2017
Anstieg des Datenverkehrs pro Gerät bis 2019 (in Megabyte pro Monat)
Quelle: Cisco
+8691 MB
+3162 MB
+2948 MB
+338 MB
Der Samsung-Manager sieht viel Bewegung auf dem Markt: „Bisher war VR ein Nischenthema, aber jetzt springen viele Entwickler und Designer darauf an.“ Auch viele Videoproduzenten probieren die neue Technik aus, Hollywood bringt sich für das neue Zeitalter in Position. Youtube und Oculus VR bieten auf ihren Plattformen ohnehin schon 360-Grad-Videos.
Samsung hofft zum einen, dass sein Zubehör zum Preis von 99 Euro viele Käufer überzeugt. Jeder Käufer der neuen Galaxy-Smartphones erhält es anfangs sogar kostenlos dazu. Zum anderen will er massiv ins Marketing investieren. In Deutschland könne das Unternehmen schnell sechsstellige Absatzzahlen erreichen, ist Börner überzeugt. Zudem soll die neue Kamera Gear 360 ein weiteres Argument liefern – Nutzer können damit eigene Rundumbilder und -videos zu machen, wenn sie bereit sind, dafür 400 Euro auszugeben.
2016 könnte tatsächlich das Jahr werden, im VR der Durchbruch gelingt. Etliche Unternehmen investieren massiv in die Technologie. Oculus VR und HTC wollen bald ihre Hightech-Brillen auf den Markt bringen, die im Zusammenspiel mit einem hochgerüsteten PC funktionieren. Google bietet mit dem Pappgestell Cardboard eine einfache Möglichkeit an, mithilfe des Smartphones erste Schritte in die virtuelle Realität zu machen; unter dem Dach der Muttergesellschaft wird einem Medienbericht zufolge aber auch an einem Gerät gearbeitet. Gerüchten zufolge soll auch Apple sich mit dem Thema beschäftigen.
Auf dem MWC haben auch die Smartphone-Hersteller LG und Alcatel zumindest den ersten Schritt in die virtuelle Realität gemacht: Der koreanische Hersteller bietet für sein neues Smartphone G5 eine Brille als Zubehör an, die Tochter des chinesischen Konzerns TCL liefert das Idol 4 gleich mit einem Gestell aus, in das sich das Mobiltelefon als Bildschirm einklinken lässt. Mit der Gear VR zählt Samsung zu den Vorreitern, das erste Modell kam bereits 2014 auf den Markt.
Auch Facebook-Chef Zuckerberg versprach massive Investitionen: Hunderte der besten Entwickler seien dabei, neue Anwendungen für die virtuelle Realität zu entwickeln. So soll es bald möglich sein, VR-Videos live zu übertragen. Eine Spielerei ist all das für ihn nicht: „Facebook und Oculus engagieren sich langfristig“, betont er. Brillen wie die Gear VR sollen künftig nicht nur bei Pressekonferenzen zum Einsatz kommen, sondern möglichst überall.