Der Januar sollte für Samsung so etwas wie der Monat des Neustarts werden. Nach dem Debakel um die in Brand geratenden Highend-Smartphones Galaxy Note 7 hatte der im Herbst zum neuen Konzernchef berufene Jay Y. Lee angekündigt, Fehler und Verantwortlichkeiten grundlegend aufzuarbeiten. Nun haben die Koreaner die Ergebnisse der Arbeit von 700 Experten vorgestellt – und dabei leichtfertig die Chance vertan, Vertrauen zurück zu gewinnen.
Vielleicht war schon der Verlauf des vergangenen Mittwochs symptomatisch. Stundenlang musste Lee, den sie bei Samsung nur „Jay Y.“ nennen, in der koreanischen Hauptstadt Seoul einem Richter Rede und Antwort stehen, der über den Antrag auf Haftbefehl gegen den Samsung-Chef entscheiden musste. Sonderermittler werfen dem 48-jährigen Sohn des Samsung-Patriarchen Lee Kunhee Schmiergeldzahlungen von umgerechnet 34,3 Millionen Dollar im Zusammenhang mit dem Bestechungsskandal im Umfeld der koreanischen Präsidentin Park Geun-hye vor.
Das Ergebnis der Anhörung brachte wenig Klarheit: Am Ende lehnte der Richter zwar die Inhaftierung ab, doch die Ermittlungen gegen Jay Y. dauern an.
Nicht anders verhält es sich mit den Ergebnissen der Ursachenforschung in Sachen Akkubrände. Der Konzernchef, obwohl vor seiner Berufung an die Spitze selbst in die Entwicklung des Note 7 involviert, schickte (vielleicht auch als Folge der laufenden Ermittlungen) seinen Spartenchef vor die Presse. Was Samsung-Mobile-Chef DJ Koh da am Montag an Erkenntnissen vorzutragen hatte, lässt das Unternehmen in ähnlich zweifelhaftem Licht da stehen – wie seinen Spitzenmann in der vergangenen Woche.
Denn was DJ Koh da wortreich und bemüht selbstkritisch präsentierte, war am Ende eben auch nur ein Teil der Wahrheit. Demnach waren – wenig überraschend – „die Akkus die Ursache der Galaxy-Note-7-Zwischenfälle“. Samsung habe die Zielspezifikationen für die von Zulieferern bezogenen Batterien vorgegeben, so Koh. „Entsprechend übernehmen wir die Verantwortung für die Fehler, die bei der Entwicklung und Herstellung der Akkus geschehen sind.“ Was Samsung aber in den veröffentlichten Ergebnissen geflissentlich ausblendet ist, dass es sich beim ersten der nur „Hersteller A und B“ genannten Akku-Lieferanten um einen hausinternen Zulieferer handelt, die Konzerntochter Samsung SDI Co., wie der Nachrichtendienst „Bloomberg“ schon im vergangenen Herbst berichtet hatte.
Beschönigende Begriffe
Dass Koh in seinen Erläuterungen zudem nur beschönigend von „Vorfällen“ sprach und Worte wie Feuer, Brand, Entzündung oder gar Explosion vermied (auch in der offiziellen Pressemitteilung des Konzerns taucht keiner der Begriffe auf), mag zwar dem Lehrbuch der Krisenkommunikation entsprechen. Doch die fehlende begriffliche Eindeutigkeit des Mobilfunk-Chefs fügt sich ins Bild eines wie auch beim Ursachenbericht nur bedingt aufklärungsbereiten Technologiekonzerns.
Wie sich Samsungs Debakel mit dem Note 7 2016 entwickelte
Samsung stellt das „Phablet“ mit der Bildschirm-Diagonale von 5,7 Zoll vor. Das Vorzeigemodell soll im oberen Preissegment spielen, in dem Apple mit seinen iPhones stark ist. Der Finanzdienst Bloomberg berichtet später, Samsung habe sich beeilt, es deutlich vor dem September-Marktstart des iPhone 7 auf den Markt zu bringen.
Das Galaxy Note 7 kommt in mehreren Ländern in den Handel. Nach und nach gibt es Berichte von Nutzern über brennende oder zumindest überhitzte Telefone. Ein Überblick über das Ausmaß des Problems fehlt zunächst.
An dem Tag, an dem das Note 7 unter anderem auch in Deutschland breit in den Handel kommen sollte, gibt Samsung eine weltweite Rückrufaktion bekannt. Zunächst ist von 35 bestätigten Zwischenfällen die Rede.
Die US-Flugaufsicht FAA und dann auch ihr europäisches Pendant EASA verbieten, Geräte des Modells in Flugzeugen zu nutzen oder aufzuladen. Sie dürfen auch ausgeschaltet nicht ins aufgegebene Gepäck.
In den USA gibt es auch einen offiziellen Rückruf über die Verbraucherschutz-Behörde CPSC. Dabei werden deutlich mehr Fälle bekannt. Allein in dem Land seien demnach 26 Verbrennungen und 55 Fälle von Sachbeschädigung gemeldet worden.
Samsung leitet den Austausch der Geräte in Deutschland ein. Zugleich wird der Verkauf von Beteiligungen an anderen Tech-Unternehmen im Wert von rund einer Billion Won (etwa 800 Mio Euro) bekannt. Die Kosten des Rückrufs für Samsung werden auf mindestens eine Milliarde Dollar (rund 900 Millionen Euro) geschätzt.
Die südkoreanische Behörde für Technologie und Standards (KATS) fordert von Samsung vor der Wiederaufnahme des Verkaufs zusätzliche Sicherheitsprüfungen. Unter anderem solle jede Batterie für das Gerät einem Röntgentest unterzogen werden.
Samsung kündigt an, dass das Note 7 in Europa am 28. Oktober wieder regulär in den Handel kommen soll.
Ein gerade ausgeschaltetes Note 7 gerät in einem Flugzeug, das vor dem Abflug noch am Gate steht, in Brand. Nach Darstellung des Besitzers ist es bereits ein Austauschgerät.
Es werden vier weitere Fälle bekannt, in denen US-Verbraucher von Bränden mit Ersatzgeräten berichten. Zwei davon füllen demnach in der Nacht ein Schlafzimmer mit Rauch. Ein Telefon soll sich in den Händen eines 13-jährigen Mädchens in einer Schule entzündet haben. Die Mobilfunk-Anbieter AT&T, Verizon und T-Mobile US geben an ihre Kunden gar keine Note 7 mehr heraus.
Mehrere Medien berichten, Samsung setzte die Produktion des Geräts erneut aus. Vom Unternehmen heißt es dazu nur, die Produktionsplanung werde „vorläufig angepasst“.
Samsung stoppt den Verkauf des Note 7 erneut. Kunden werden aufgefordert, auch die Ersatzgeräte nicht mehr zu benutzen. Samsung ermutigt sie zudem, ihre Geräte gegen andere Modelle einzutauschen oder sich den Kaufpreis zurückerstatten zu lassen.
Das sind schlechte Vorzeichen für einen grundlegenden Wandel der Unternehmenskultur. Die war nach Ansicht von Beobachtern unter anderem geprägt vom falsch verstandenen Gruppendenken, dass ein Unternehmen wie Samsung keine Fehler macht. Und damit war sie wohl auch mitverantwortlich für das Akkudebakel. „Wegen der fehlenden Vielfalt im Konzern hat niemand die Risiken ausgesprochen“, monierte David Sehyeon Baek von der Start-up-Schmiede Gyeonggi Center for Creative Economy and Innovation in Seoul im Gespräch mit der WirtschaftsWoche.
Halbherzige Offenheit
Das, gelobt zumindest Koh nun, solle künftig alles anders und besser werden: „Wir haben aus den vergangenen Monaten wichtige Erkenntnisse ziehen können, die wir tief in unsere Prozesse und unsere Unternehmenskultur haben einfließen lassen.“ Samsung wolle in Zukunft „alles daran [setzen], das Vertrauen unserer Kunden durch Produkte zu gewinnen, die in Produktsicherheit und Leistung gleichermaßen neue Maßstäbe setzen“.
Dann müssen Koh und Jay Y. aber noch kräftig in Sachen Offenheit nachlegen. Denn so halbherzig wie bei der Präsentation der internen Ursachenforschung jedenfalls kommt Samsung in Sachen Glaubwürdigkeit und Vertrauensarbeit nicht wirklich voran.