Samsung und Apple Aneinander gekettete Feinde

Der koreanische Elektronikriese hat erstmals mehr Smartphones verkauft als Apple. Doch zwischen den Konzernen tobt hinter den Kulissen der Kampf zweier voneinander Abhängiger.

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Samsung CEO Lee Jae-yong Quelle: dpa

Als Apple-Gründer Steve Jobs am 5. Oktober stirbt, verschiebt Samsung-Vorstandschef Choi Gee-sung respektvoll die Vorstellung seines neuesten Smartphones Galaxy Nexus. Gleichwohl geißelt er fast zeitgleich das frisch präsentierte iPhone 4S von Apple als „enttäuschend“.

Auch Samsung-Präsident Lee Jae-yong gibt sich höflich, als er die Einladung zur Trauerfeier für Jobs am Apple-Firmensitz im kalifornischen Cupertino annimmt. Ja, der Koreaner nutzt die Gelegenheit sogar, um mit Apple-Chef Tim Cook über die Verlängerung von Lieferverträgen zu verhandeln. Trotzdem kündigt am gleichen Tag Samsungs Mobilfunk-Chef Shin Jong-kyun in Hongkong eine Verschärfung des Patentstreits mit Apple an. „Dies ist erst der Anfang“, tönt der Koreaner. Vor 16 Gerichten in 13 Ländern und auf vier Kontinenten beharken sich der US- und der Asien- Konzern inzwischen. Apple wirft Samsung vor, sein iPad „sklavisch“ zu kopieren. Samsung wiederum behauptet, Apple verletze Patente der Koreaner.

Gleichwohl können die beiden Streithähne im Grunde kaum voneinander lassen. Es herrscht eine zerfleischende Zweierbeziehung zwischen dem amerikanischen Unterhaltungselektronikriesen und dem südkoreanischen Branchengiganten. Apple und Samsung sind auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen, obgleich sie von Quartal zu Quartal immer mehr zu Konkurrenten werden. So hat Samsung zwischen Juli und September mit 28 Millionen Geräten erstmals mehr Smartphones verkauft als Apple, die nur 17 Millionen iPhones losschlagen konnten.

„Wir sind Frenemies“, sagt Samsung-Manager Kim Keun-bae der WirtschaftsWoche. Im Klartext: Apple und Samsung sind Freunde und Feinde zugleich. Der Streit um die Patente dient beiden Unternehmen vor allem dazu, Zeit zu gewinnen und ihr Verhältnis neu zu ordnen.

Wende am Smartphonemarkt
SamsungSamsung ist im dritten Quartal 2011 nach Berechnungen von Marktforschern zum weltgrößten Smartphone-Herstellern aufgestiegen. Der südkoreanische Konzern überholte mit 23,6 Millionen ausgelieferten Computer-Telefonen deutlich das iPhone von Apple, wie die Analysten der US-Firma IDC berichteten. Samsung hielt demnach ein Fünftel des Weltmarktes, vor einem Jahr lag Samsung erst bei einem Anteil von 8,8 Prozent. Samsung profitierte vom Erfolg seiner Smartphones mit dem Google-Betriebssystem Android. Die Plattform wird von diversen Herstellern genutzt und ist die klare Nummer eins im Smartphone-Markt vor Apples iOS-System. Quelle: dapd
Man sollte aber nicht versuchen, allzu viel aus diesen Zahlen herauszulesen, raten die Analysten, auch wenn dies angesichts der großen Rivalität zwischen beiden Unternehmen nahe liegend scheine. Denn auch wenn Samsung mehr Geräte verkauft habe, so verdiene Apple doch mehr an jedem einzelnen. Deshalb sei Apple jetzt auch der wertvollste Technologiekonzern der Welt mit einem Marktwert, der drei Mal so hoch ist wie der von Samsung. Apple hat nur Highend-Smartphones im Angebot, Samsung alles, von billig bis teuer. Quelle: REUTERS
AppleAuf die iPhone-Modelle entfielen 14,5 Prozent – damit sank der Marktanteil erstmals seit langem, im Vorjahr waren es noch 17 Prozent für Apple. Das könnte sich im laufenden Vierteljahr aber wieder ändern: Denn in den vergangenen Monaten warteten viele Apple-Kunden auf das überfällige neue iPhone-Modell. Das iPhone 4S wird seit Oktober verkauft und findet nach bisherigen Informationen reißenden Absatz. Insgesamt wuchs der Smartphone-Markt nach IDC-Zahlen im dritten Quartal um 42,6 Prozent auf 118,1 Millionen Geräte und damit deutlich langsamer als bisher. Auch dies führten die Marktforscher auf das Warten auf ein neues iPhone zurück. Quelle: REUTERS
NokiaVergessen sollte man auch nicht, dass insgesamt auf dem Handymarkt weder Apple noch Samsung an der Spitze sind. Weltgrößter Handyhersteller ist weiter der finnische Nokia-Konzern, auch wenn der bei den Smartphones hinter der Konkurrenz zurückgefallen ist. Der langjährige Smartphone-Marktführer rutschte weiter ab - von 32 Prozent vor einem Jahr auf 14,2 Prozent. Der finnische Handy-Riese ist gerade dabei, seine ersten Telefone mit Microsofts Betriebssystem Windows Phone auf den Markt zu bringen, die das Geschäft wiederbeleben sollen. Quelle: Reuters
HTCMit HTC aus Taiwan rückte ein weiterer Android-Partner mit 10,8 Prozent Marktanteil auf Rang vier vor. Vor einem Jahr verkauften die Taiwanesen gerade einmal 5,9 Millionen Geräte, im dritten Quartal waren es 12,7 Millionen. Damit hängt HTC einen Pionier ab… Quelle: REUTERS
Research In MotionDenn die einst sehr populären Blackberrys von Research In Motion rutschten beim Marktanteil von 15 auf 10 Prozent ab. Zuletzt sorgten Verbindungsprobleme über Tage bei RIM für Ärger. Quelle: dpa

Kreativitätsmotor vs. Zulieferer

Hier der Kreativitätsmotor Apple mit seinen innovativen Produkten, der nun angestrengt nach Zulieferern sucht, die ihm weniger gefährlich sind als Samsung. Dort der Elektronikproduzent und blitzschnelle Nachahmer aus Asien, der endlich vom bloßen Apple-Zulieferer zum ruhmreichen Handy- und Tablet-PC-Produzenten aufsteigen will und dies forciert.

Apple verklage aus gutem Grund Samsung und nicht den taiwanesischen Handybauer HTC oder den südkoreanischen Anbieter LG Electronics, sagt Alvin Lim von der Ratingagentur Fitch in Seoul.

Seit den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts versorgt Samsung Apple mit wesentlichen Bauteilen, ohne die es die Bestseller aus Kalifornien nie gegeben hätte. Nach einer Aufstellung der Schweizer Bank UBS liefern die Südkoreaner für das jüngst auf den Markt gekommene iPhone 4S die Flash- und die Dram-Speicherchips sowie den speziell für Apple konzipierten A5-Prozessor – das wichtigste Bauteil in dem Gerät überhaupt.

Apple ist Samsungs wichtigster Auftraggeber

Samsung Galaxy Tab Apple iPad Quelle: dapd

„Üblicherweise verlässt sich Apple auf mehr als einen Lieferanten“, sagt Jim McGregor, Chefanalyst beim US-Marktbeobachter In-Stat. Speicherchips etwa beziehe das US-Unternehmen auch von Elpida in Japan und Hynix aus Südkorea. „Nur beim Prozessor funktioniert das nicht.“

Das wird für Apple zum Problem, seit Samsung mit seiner Galaxy-Reihe und dem Betriebssystem Android des Apple-Rivalen Google eine preiswerte Alternative zu iPhone und iPad im Programm hat. Doch der schnelle Abschied von den Koreanern fällt schwerer als gedacht.

So hat Apple laut Branchengerüchten aus Asien zwar die Fühler in Richtung alternativer Lieferanten ausgestreckt. Angeblich haben die Amerikaner mit dem taiwanischen Auftragsfertiger TSMC über die Produktion des A6-Prozessors verhandelt, der in die nächste iPhone-Generation eingebaut werden soll. Sogar eine Testproduktion des A6 soll es bei TSMC gegeben haben. Doch offenbar hat die Chipqualität Apple bisher nicht überzeugen können. Wie nun durchsickerte, hat Samsung daher doch wieder den Zuschlag für die Lieferung des A6-Chips bekommen.

Damit bleibt Apple bis auf Weiteres der größte Auftraggeber von Samsung überhaupt. Laut Schätzung der Investmentbank HMC Investment Securities haben die Koreaner im vergangenen Jahr Bauteile im Wert von 5,7 Milliarden Dollar an die Amerikaner geliefert, rund vier Prozent des Gesamtumsatzes. Im ersten Quartal 2011 stieg der Anteil dank des Booms bei iPhone und iPad auf 5,8 Prozent; aufs Jahr bezogen, könnte das Geschäftsvolumen sogar auf acht Milliarden Dollar anschwellen. „Aus diesem Grund ist die größte Sorge von Samsung, dass Apple seine Aufträge reduzieren könnte“, sagt HMC-Analyst Nho Geun-chang. Als Lieferant käme etwa der japanische Konzern Toshiba infrage.

Wegen der guten Geschäfte mit Apple hatten die Koreaner lange Zeit gezögert, im Patentkrieg zurückzuschlagen. Aber weil Apple Verkaufsverbote für die neuesten Samsung-Produkte vor Gericht erstreiten will, gingen die Koreaner zum Gegenangriff über. Denn die Prozesshanselei von Apple droht die Samsung-Konzernkasse empfindlich zu treffen. Immerhin steuern Smartphones und Tablet-Rechner laut Fitch-Analyst Lim bereits 30 Prozent des Umsatzes und 45 Prozent des Betriebsgewinns von Samsung bei. Dagegen schwächelt das traditionelle Geschäft mit Speicherchips, Bildschirmen und Fernsehern.

Entsprechend aggressiv treten die Südkoreaner in der Öffentlichkeit gegenüber ihrem Frenemy in den USA auf. „Apple ist zu weit gegangen“, sagt Samsung-Manager Kim. Apple sei nach Samsung ein „Spätstarter in der Telekommunikation“, habe „hier gar kein Know-how“ und müsse deshalb „vorhandene Technik nutzen“.

Ex-BMW-Chefdesigner engagiert

Samsung Chef Gee-Sung Choi Quelle: REUTERS

Die Gründe der härteren Gangart: Erstens wollen die Koreaner mit ihren Verbotsanträgen für das iPhone in Japan, Australien, Frankreich und Italien den Druck auf Apple erhöhen, sich gütlich zu einigen. Üblich ist in Patentstreitigkeiten, dass sich die Kontrahenten die Nutzung der Urheberrechte zubilligen. Die Bereitschaft dazu signalisierte Samsung Ende September, indem das Unternehmen einen Lizenzvertrag mit Microsoft für das Google-Betriebssystem Android abschloss. Microsoft hatte Urheberrechte an Android geltend gemacht. Für jedes seiner Smartphones mit Android zahlt Samsung nun geschätzt zwischen 10 und 15 Dollar an Microsoft. So leicht wird sich Samsung mit Apple jedoch nicht einigen können. Denn Konzerngründer Jobs hatte Android zu einem Feind erklärt, den er am liebsten in einem „Atomkrieg“ vernichtet hätte. „Ich würde den letzten Penny hergeben“, hatte Jobs kurz vor dem Tod seinem Biografen diktiert, „damit Android verschwindet.“

Die zweite Überlegung der Koreaner zielt darauf, dass Apple es trotz des Patentstreits nicht riskieren kann, alle Geschäftsfäden zu seinem wichtigsten Zulieferer abzuschneiden. „Apple kann sich nicht einfach von Samsung trennen“, sagt Samsung-Manager Kim. „Sie brauchen einen adäquaten Ersatz in Qualität, Quantität und Preis, das kann nur langsam gehen.“

Die besten Smartphones im Überblick
Nokia Lumia 800/900 Quelle: REUTERS
A model displays HTC One X during a press conference in Taipei, Quelle: dapd
A worker moves an advertisement for the Samsung Galaxy SIII smartphone Quelle: REUTERS
Samsung Galaxy S2: Der Blick-FängerDer Vorgänger, das Samsung Galaxy S2, ging bereits weg wie warme Semmeln. Die Zehn-Millionen-Marke beim Verkauf hatte Samsung für Ende 2011 angepeilt, aber schon im September geschafft. Im April 2012 waren es bereits 20 Millionen verkaufte Geräte. Trotz des Riesendisplays ermöglicht das Top-Gerät knapp sechs Stunden Dauertelefonieren. Wegen seines Plastikgehäuses wirkt das extrem schlanke Handy allerdings nicht sehr wertig und fast schon zerbrechlich. Technik, Preis:Google Android 2.3 Elf-Zentimeter-Display 800 x 480 Bildpunkte neun Millimeter dick Acht-Megapixel-Kamera FullHD-Video Preis (online, ohne Vertrag): ab 440 Euro Quelle: Pressefoto
Huawei Ascend P1s Quelle: Pressebild
Apple iPhone 4 S - Das DesignerstückDas Gerät, an dem sich alle anderen messen lassen müssen, ist dagegen schon seit Oktober 2011 in Deutschland in den Läden. Obwohl das Smartphone "nur" die überarbeitete Version des iPhone 4 ist, rissen die Kunden es den Händlern nur so aus den Händen - sowohl in den USA als auch im Rest der Welt. In den ersten 24 Stunden gingen bei Apple mehr als eine Million Vorbestellungen für das 4S ein, die Deutsche Telekom warnte die Kunden schon vor Verzögerungen. Äußerlich ist das 4S nicht vom Modell 4 zu unterscheiden. Die Neuerungen stecken im Inneren. Wichtigste funktionale Verbesserung ist die Funktion Siri - ein persönlicher digitaler Assistent, der mit Stimmbefehlen gesteuert wird. Der neue A5-Doppel-Kern-Prozessor macht das Handy gegenüber den Vorgängern deutlich schneller. Allerdings sinkt die maximale Standby-Zeit des Gerätes um ein Drittel von 300 auf 200 Stunden. Die Kamera wurde deutlich verbessert und soll Videos in HD-Qualität aufnehmen können. Die Antenne ist nun ebenfalls deutlich leistungsfähiger. Technik, Preis:Apple iOS 5 Zehn-Zentimeter-Display 960 x 640 Bildpunkte Acht-Megapixel-Kamera mehr als 425.000 Apps Preis: 629 - 849 Euro (ohne Vertrag) Quelle: Pressefoto
Sony Xperia S Quelle: dapd

Gutes Verhältnis

Samsung bemüht sich inzwischen, dem Konflikt langfristig aus dem Wege zu gehen. Auf die Frage, ob die Koreaner ihr Design von Hardware und Software ändern wollen, um neue juristische Probleme mit Apple zu vermeiden, erklärt der Vizepräsident für Produktstrategie Hong Won-pyo: „Die kurze Antwort lautet Ja.“ Schon im März engagierten die Koreaner deshalb den ehemaligen BMW-Chefdesigner Chris Bangle als „Master Designer“.

Bangles Mission lässt sich an den neuen Geräten von Samsung erkennen. Das künftige Smartphone-Flaggschiff der Koreaner Galaxy Nexus unterscheidet sich durch Bildschirmgröße und ein gekrümmtes Gehäuse deutlich vom iPhone. Ebenso bringt Samsung im November einen Rechner namens Slate PC mit Tastatur und Docking-Station auf den Markt, der sich auch als Tablet-Computer nutzen lässt – und klar vom iPad unterscheidet.

Samsung-Präsident Lee, ein Enkel des Konzerngründers, wünscht sich jedenfalls ein gutes Verhältnis zu Apple. Der „etwas jähzornige“ Jobs habe ihn zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit angerufen und sich eine halbe oder ganze Stunde lang beschwert, trotzdem seien sie Freunde geworden. „Samsung und Apple sollten Partner in dieser Industrie sein und konkurrieren“, sagt Lee, „fair, aber heftig.“

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