SAP Dieser Arzt soll für SAP den Medizinmarkt erobern

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Programmierer trifft auf Patient

Wer mit Delaney über seine Aufgabe spricht, trifft einen Mann auf der Grenze zwischen Vision und Schwärmerei. „Das hat so viel Potenzial, wir können Millionen von Patienten auf der ganzen Welt beeinflussen“, sagt er.

Delaney vermisst zwar oft den Adrenalinstoß der Intensivstation, die Zufriedenheit bei Erfolgen, auch die Bodenhaftung durch das stetige Mahnen an die wirklich wichtigen Dinge im Leben angesichts von Schmerz und Leid. Bereut hat er den vollständigen Wechsel in die Informationstechnologiebranche trotzdem nicht. Nun reist er in der Woche quer durch die USA, spricht mit Kliniken, mit Mediziner-Verbänden und Universitäten, hält Vorträge und koordiniert Forschungsvorhaben.

Delaney hat einen wichtigen Vorteil bei seiner Mission, die Medizin zu verändern: Er versteht nicht nur die Sprache der Programmierer, sondern auch die der Ärzte und Pfleger. Und kennt deren Alltag. Besonders den Druck, „immer auf 110 Prozent oder mehr zu laufen, bei wachsender Patientenzahl“.

Die hartnäckigsten Gesundheitsmythen
Eine junge Frau putzt sich mit einem Papiertaschentuch die Nase Quelle: dpa
Mann mit Rückenschmerzen sitzt im Büro Quelle: obs
In einer Zahnarztpraxis werden die Zähne eines Jungen untersucht Quelle: dpa
Ein Fieberthermometer liegt auf verschiedenen Arten und Formen von Tabletten Quelle: dpa
Ein Mann zieht an seinem Finger und erzeugt ein Knackgeräusch. Quelle: dpa
Angela Merkel hält ein Schnapsglas in der hand Quelle: AP
Ein Junge steht unter einer Dusche Quelle: dpa

Bis vor drei Jahren praktizierte er noch zusätzlich an der Medizinischen Fakultät der Harvard-Universität Intensivmedizin. Was ihm half, die wirklich wichtigen Dinge im Leben bewusster zu schätzen, „besonders wenn man Jüngere mit dem Tod kämpfen sieht“. Diese Erkenntnis half ihm allerdings auch, das aktive Praktizieren aufzugeben, wenn auch sehr schweren Herzens. „Meine Frau und meine zwei kleinen Kinder sahen mich fast gar nicht mehr“, sagt Delaney und erkannte, dass er andere Prioritäten setzen musste.

Noch immer wird er von seinen SAP-Kollegen beiläufig um Rat gefragt wegen diverser Zipperlein. Dabei wolle man eigentlich, so scherzt er, mit ihm als Mediziner nicht wirklich aus freien Stücken zu tun haben. „Meine Expertise liegt schließlich darin, Leute auf der Intensivstation vor dem Sterben zu bewahren.“

Als er am Beth Israel Deaconess Medical Center, dem Lehrhospital der Harvard-Universität, Mitte der Neunzigerjahre ausgebildet wurde, nervte ihn, dass vier oder fünf unterschiedliche Computersysteme abgefragt werden mussten, um über Ausdrucke alle Daten über den Patienten für die Visite zusammenzutragen und dann wieder auf einem Blatt Papier zusammenzufassen. Der junge Arzt ärgerte sich nicht nur über die Zeitverschwendung, sondern schrieb eine Software, die automatisch die Daten aus den verschiedenen Systemen abfragte und aggregierte.

Danach wurde er beauftragt, sich einer noch größeren Herausforderung anzunehmen – der besseren Abrechnung. Damals notierten die Ärzte sie samt den dazugehörigen Codes auf Zetteln. Die wegen der permanenten Zeitnot schnell zu Stapeln anwuchsen, oft erst Wochen später bearbeitet wurden oder manchmal ganz verloren gingen. „Es ging um Millionen von Dollar“, sagt Delaney. Eine erhebliche Summe, vor allem für Hospitäler. „Obwohl so viel Geld im Gesundheitswesen ausgegeben wird, sind für die meisten Ärzte die Margen ganz dünn“, weiß Delaney.

Die am häufigsten falsch behandelten Krankheiten
Platz 10: Uterus myomatosusKnapp zwei Drittel aller Fehler, die von den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer 2011 anerkannt wurden, ereigneten sich in Krankenhäusern. Auf Platz 10 der dort am häufigsten fehlbehandelten Krankheiten ist Uterus mymatosus. Dahinter verbergen sich Myome der Gebärmutter, die am häufigsten gutartigen Tumore bei Frauen. 21 Mal behandelten Krankenhaus-Ärzte diese Krankheit vergangenes Jahr falsch.Woran die zahlreichen Fehler in Krankenhäusern liegen, hat die WirtschaftsWoche bereits im April analysiert. Quelle: Fotolia
Platz 9: Gallenstein23 Mal wurden in Krankenhäusern vergangenes Jahr Gallensteine, also Cholelithiasis, falsch behandelt. Quelle: Fotolia
Platz 8: Oberflächliche VerletzungenWunden und Schrammen wurden 2011 in deutschen Krankenhäusern 26 mal falsch behandelt – womit sie auf Platz 8 landen. Bei Fehlbehandlungen in Arztpraxen erreichen oberflächliche Verletzungen Platz 10. Niedergelassene Ärzte behandelten sie nur zehn Mal falsch. Quelle: REUTERS
Platz 7: HandfrakturKnochenbrüche an der Hand behandelten Krankenhausärzte vergangenes Jahr 30 Mal falsch. Damit erreichen Handfrakturen Platz 7. Bei Fehlbehandlungen durch niedergelassene Ärzte erreichen Handfrakturen Platz 8. Sie behandelten diese Knochenbrüche 12 Mal falsch. Quelle: dapd
Platz 6: Schulter- und OberarmfrakturNur einmal mehr pfuschten Krankenhaus-Ärzte bei Brüchen an Schulter und Oberarm: Hier gab es 31 Fehlbehandlungen im Jahr 2011. Bei niedergelassenen Ärzten kommen Pfuschereien in diesem Bereich gar nicht in den Top 10 vor. Quelle: Fotolia
Platz 5: Unterschenkel- und SprunggelenkfrakturGanze 21 Mal häufiger wurden Brüche an Unterschenkel- und Sprunggelenken falsch therapiert. Hier gab es 2011 in deutschen Krankenhäusern 52 Fehlbehandlungen. In Praxen gab es bei Unterschenkel- und Sprunggelenkfrakturen sogar mit 15 Fällen die zweithäufigsten Fehlbehandlungen. Quelle: dpa-tmn
Platz 4: OberschenkelfrakturMit 63 Pfuschereien in Krankenhäusern landen Oberschenkelfrakturen auf Platz 4. In niedergelassenen Praxen kommen Oberschenkelfrakturen nicht in den Top 10 der Fehlbehandlungen vor. Quelle: dpa

Besseres Managen von Daten, davon versteht die Softwarebranche etwas. Aber es klingt auch profan. Doch tatsächlich könnte es eine Menge praktische Verbesserungen relativ schnell bringen. Beispielsweise beim besseren Therapieren von Krebs. Dort arbeitet SAP mit der American Society of Clinical Oncology (ASCO) bei CancerLinQ zusammen. Ein gemeinnütziges Projekt, bei dem Delaneys Augen strahlen.

Die 2012 gestartete Plattform bündelt Behandlungserfahrungen von derzeit 750.000 Patienten mit Millionen von Datensätzen und nutzt für deren Bearbeitung Hana, ein Datenbanksystem von SAP. Ein Vorzeigeprojekt von SAP. Noch sollen die Umsätze im Gesundheitsbereich überschaubar sein. SAP weist sie nicht aus, nur dass man mittlerweile 7100 Gesundheitseinrichtungen in 88 Ländern als Kunden habe.

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