Wer mit Delaney über seine Aufgabe spricht, trifft einen Mann auf der Grenze zwischen Vision und Schwärmerei. „Das hat so viel Potenzial, wir können Millionen von Patienten auf der ganzen Welt beeinflussen“, sagt er.
Delaney vermisst zwar oft den Adrenalinstoß der Intensivstation, die Zufriedenheit bei Erfolgen, auch die Bodenhaftung durch das stetige Mahnen an die wirklich wichtigen Dinge im Leben angesichts von Schmerz und Leid. Bereut hat er den vollständigen Wechsel in die Informationstechnologiebranche trotzdem nicht. Nun reist er in der Woche quer durch die USA, spricht mit Kliniken, mit Mediziner-Verbänden und Universitäten, hält Vorträge und koordiniert Forschungsvorhaben.
Delaney hat einen wichtigen Vorteil bei seiner Mission, die Medizin zu verändern: Er versteht nicht nur die Sprache der Programmierer, sondern auch die der Ärzte und Pfleger. Und kennt deren Alltag. Besonders den Druck, „immer auf 110 Prozent oder mehr zu laufen, bei wachsender Patientenzahl“.
Bis vor drei Jahren praktizierte er noch zusätzlich an der Medizinischen Fakultät der Harvard-Universität Intensivmedizin. Was ihm half, die wirklich wichtigen Dinge im Leben bewusster zu schätzen, „besonders wenn man Jüngere mit dem Tod kämpfen sieht“. Diese Erkenntnis half ihm allerdings auch, das aktive Praktizieren aufzugeben, wenn auch sehr schweren Herzens. „Meine Frau und meine zwei kleinen Kinder sahen mich fast gar nicht mehr“, sagt Delaney und erkannte, dass er andere Prioritäten setzen musste.
Noch immer wird er von seinen SAP-Kollegen beiläufig um Rat gefragt wegen diverser Zipperlein. Dabei wolle man eigentlich, so scherzt er, mit ihm als Mediziner nicht wirklich aus freien Stücken zu tun haben. „Meine Expertise liegt schließlich darin, Leute auf der Intensivstation vor dem Sterben zu bewahren.“
Als er am Beth Israel Deaconess Medical Center, dem Lehrhospital der Harvard-Universität, Mitte der Neunzigerjahre ausgebildet wurde, nervte ihn, dass vier oder fünf unterschiedliche Computersysteme abgefragt werden mussten, um über Ausdrucke alle Daten über den Patienten für die Visite zusammenzutragen und dann wieder auf einem Blatt Papier zusammenzufassen. Der junge Arzt ärgerte sich nicht nur über die Zeitverschwendung, sondern schrieb eine Software, die automatisch die Daten aus den verschiedenen Systemen abfragte und aggregierte.
Danach wurde er beauftragt, sich einer noch größeren Herausforderung anzunehmen – der besseren Abrechnung. Damals notierten die Ärzte sie samt den dazugehörigen Codes auf Zetteln. Die wegen der permanenten Zeitnot schnell zu Stapeln anwuchsen, oft erst Wochen später bearbeitet wurden oder manchmal ganz verloren gingen. „Es ging um Millionen von Dollar“, sagt Delaney. Eine erhebliche Summe, vor allem für Hospitäler. „Obwohl so viel Geld im Gesundheitswesen ausgegeben wird, sind für die meisten Ärzte die Margen ganz dünn“, weiß Delaney.
Besseres Managen von Daten, davon versteht die Softwarebranche etwas. Aber es klingt auch profan. Doch tatsächlich könnte es eine Menge praktische Verbesserungen relativ schnell bringen. Beispielsweise beim besseren Therapieren von Krebs. Dort arbeitet SAP mit der American Society of Clinical Oncology (ASCO) bei CancerLinQ zusammen. Ein gemeinnütziges Projekt, bei dem Delaneys Augen strahlen.
Die 2012 gestartete Plattform bündelt Behandlungserfahrungen von derzeit 750.000 Patienten mit Millionen von Datensätzen und nutzt für deren Bearbeitung Hana, ein Datenbanksystem von SAP. Ein Vorzeigeprojekt von SAP. Noch sollen die Umsätze im Gesundheitsbereich überschaubar sein. SAP weist sie nicht aus, nur dass man mittlerweile 7100 Gesundheitseinrichtungen in 88 Ländern als Kunden habe.