Secunet-Chef Rainer Baumgart "Wie früher im Wilden Westen"

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Firmen fördern

Die Bundesregierung will die deutschen IT-Sicherheitsfirmen fördern, um Abhängigkeit von den Internet-Giganten in den USA und Asien zu reduzieren. Trotzdem wurde Ihr Konkurrent Secusmart in Düsseldorf gerade an den kanadischen Smartphone-Hersteller Blackberry verkauft. Droht ein Ausverkauf der deutschen IT-Sicherheitsindustrie?

Dieser Ausverkauf findet ja schon seit einigen Jahren statt. Wenn sich hiesige Unternehmen mit einem zertifizierten Produkt am Markt etabliert haben, werden sie plötzlich auch interessant für ausländische Investoren. Um einen Know-how-Abfluss ins Ausland zu verhindern, hat die Bundesregierung schon vor über zehn Jahren das Außenwirtschaftsgesetz geändert und auch für Verschlüsselungstechnologien einen Genehmigungsvorbehalt eingeführt. Das heißt aber nicht, dass jedes Unternehmen, das eine Verschlüsselungslösung entwickelt hat, systemrelevant ist und sich ausländische Investoren dort nicht engagieren dürfen. Es gibt aber einen harten Kern von Unternehmen, deren Verkauf große Lücken in die IT-sicherheitstechnischen Fähigkeiten reißen würden. Die angestrebte digitale Souveränität Deutschlands oder Europas wäre dann in der Tat gefährdet.

Ist diese gefährdet, wenn Secusmart bei Blackberry bleiben darf?

Nein. Den Verkauf sehe ich nicht als so kritisch an, weil hier sicherheitsrelevante Komponenten nicht ausschließlich von Secusmart kommen. Verschlüsselungen für Smartphone-Telefonate bieten auch andere Unternehmen an.

Welche Konsequenzen dt. Unternehmen aus dem Abhörskandal ziehen

Bei vielen der hiesigen IT-Sicherheitsfirmen flattern gerade verstärkt Übernahmeangebote auf die Schreibtische der Eigentümer. Warum schauen sich ausländische Investoren gerade in Deutschland so intensiv um?

Das Thema Cybersecurity ist gerade in aller Munde. Wenn sich Investoren umschauen, stellen sie schnell fest, dass Deutschland einer der größten IT-Sicherheitsmärkte in Europa ist. Die nehmen die Suche nach einem Unternehmen mit hohem Marktanteil auf, stellen dann aber fest, dass nur wenige eine wirklich dominante Position haben. Der Markt ist von vielen Spezialisten geprägt und in viele Nischen zersplittert. Den Investoren bleibt nur übrig, die Rosinen herauszupicken. Für manch einen Mittelständler ist es dann durchaus attraktiv, in der aktuellen Hype-Phase zu verkaufen.

Wie deutsche Unternehmen ausspioniert werden

Sollte die Bundesregierung einen Schutzwall um diese Unternehmen bauen?

Jemand hat mal die Idee aufgebracht, eine Art Airbus für die europäische IT-Sicherheitsindustrie zu bauen. Doch das halte ich für einen Irrweg. Im deutschen IT-Sicherheitsverband TeleTrust sind über 200 vorwiegend mittelständische Unternehmen organisiert, die alle eine besondere Rolle auf diesem Markt spielen wollen. Auch die Großen unter ihnen sind kaum in der Lage, den Markt zu konsolidieren und die kleinen Anbieter zusammenzuführen. Secunet zum Beispiel ist mit einem Jahresumsatz zwischen 60 und 70 Millionen Euro einer der größten Anbieter in seinem Segment. Es ist aber zu erwarten, dass sich einige Kristallisationspunkte herausbilden, an denen sich viele ausrichten werden. Dabei könnte sich eine verstärkte Exportförderung deutscher IT-Sicherheitstechnik positiv auf die Stabilität und Entwicklung der Branche auswirken.

Warum füllen Sie das Vakuum nicht, indem Sie Konkurrenten aufkaufen?

Wir sind durchaus interessiert, aber es muss passen. Viele Technologien haben wir schon im eigenen Haus. Und viele Nischen sind so klein, dass sie für uns nicht attraktiv sind.

Die Deutsche Telekom hält ebenfalls nach Übernahmekandidaten Ausschau. Könnte sie eine Art Schutzpatron für die kleinen deutschen Anbieter werden?

Bislang nicht. Da lohnt ein Rückblick in unsere Firmenhistorie. Die Deutsche Telekom war schon mal an Secunet beteiligt, stieg dann aber aus und entwickelte wieder eigene Sicherheitstechnologien. Den Beweis, dass sie ein langfristig verlässlicher Partner für die deutsche IT-Sicherheitsbranche sein kann, hat sie daher bislang noch nicht erbracht. Die Entwicklungen im deutschen IT-Sicherheitsmarkt bleiben spannend.

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