Softbank kauft ARM Eine japanische Milliardenwette

Der japanische Mobilfunkriese Softbank kauft den britischen Chipkonzern ARM und wappnet sich so für das Internet der Dinge. Für die Briten ist der Deal vor allem Beweis, dass die Insel trotz Brexit noch attraktiv ist.

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Der CEO der SoftBank Group Masayoshi Son Quelle: REUTERS

Es ist ein Milliardendeal wie ein Ausrufezeichen: Gut drei Wochen nach dem Brexit-Votum auf der Insel greift der japanische Telekommunikations-Anbieter Softbank nach dem britischen Chipdesigner ARM Holdings. Der Kaufpreis liegt bei 24,3 Milliarden Pfund, also rund 29 Milliarden Euro, wie beide Firmen mitteilten. Der britische Konzern empfahl am Montag den Aktionären, die Offerte anzunehmen.

Der Kauf ist eine der größten Übernahmen in Europa im Technologiesektor. Er ist auch der erste Riesen-Deal in Großbritannien, seitdem der Kurssturz im Gefolge der Brexit-Entscheidung auch den Wert der britischen Unternehmen gedrückt hat. Für Softbank ist der Deal die zweite Megaübernahme nach dem Kauf des US-Mobilfunkriesens Sprint im Jahr 2012.

Doch der Deal ist nicht nur eine Mega-Übernahme. Er ist auch ein Politikum. Der neue britische Schatzkanzler Philip Hammond feierte den Deal fast erleichtert. Niemals zuvor habe eine asiatische Firma so viel Geld in Großbritannien investiert, betonte der frühere Außenminister, der erst vergangene Woche den neuen Posten des Finanzministers übernommen hat.

Welche Technologien uns besser leben lassen
Berührungslos greifen:Ein Chip erfasst Nervenreize. Denkt ein Proband „Greifen“, kann er eine Prothese fernsteuern. Quelle: ap
Magnetismus spüren:Werden kleine Magnete unter die Haut der Fingerkuppen implantiert (200 Euro ), können Menschen elektromagnetische Felder wahrnehmen. Quelle: dpa
Besser hören:Ein Mikrochip im Innenohr (38.000 Euro ) lässt Taube wieder hören. Quelle: dpa/picture alliance
Stimmung steuern:Hirnschrittmacher (ab 31.000 Euro ) senden elektrische Impulse ins Gehirn, um epileptische Anfälle, das Zittern von Parkinson-Kranken und Depressionen zu heilen. Quelle: dpa
Lähmung überwinden:Mit einer vollelektronischen Orthese (60.000 Euro ) können Menschen gelähmte Gliedmaßen wieder benutzen. Quelle: dpa
Natürlich gehen:Mikroelektronik in modernen Prothesen wie der des deutschen Athleten Markus Rehm (30.000 bis 40.000 Euro ) kontrolliert und steuert innerhalb von Millisekunden die Position des Kunstbeins beim Gehen, Rennen oder Treppensteigen. Quelle: dpa
Schneller rennen:Mit superleichten Karbonfedern (8.000 Euro ) spurten Sportler besser als mit normalen Fußprothesen. Quelle: dpa

Der Kauf würde dafür sorgen, dass sich die Mitarbeiterzahl von ARM im Heimatland im Laufe der nächsten fünf Jahre verdoppeln und sich die Technologiefirma zu einem „globalen Phänomen“ entwickeln werde. „Nur drei Wochen nach dem EU-Referendum zeigt der Deal, dass Großbritannien nicht seine Attraktivität verloren hat, internationale Investoren anzulocken“, frohlockte der Minister.

Mit dem Kaufpreis bietet Softbank einen satten Aufschlag von etwa 43 Prozent auf den Schlusskurs aus der vergangenen Woche. So zahlt Softbank einen hohen Preis. Mit den gebotenen knapp 24,3 Milliarden Pfund bieten die Japaner das 24,4fache von ARMs Umsatz aus dem Jahr 2015 von 968,3 Millionen Pfund und schätzungsweise das 56,8fache des bereinigten Nachsteuer-Ergebnisses von 428,9 Millionen Pfund. Doch mit dem Kauf der Technologiefirma aus Cambridge, deren Technologie in fast jedem Smartphone steckt, greifen die Japaner nach einem Unternehmen, das seit Jahren eine Schlüsselstellung im Mobilfunk innehat.

So stellt Softbank mit der Akquisition auch einen Fuß in die Tür für den Zukunftsmarkt der „Internet der Dinge“. ARM kündigte erst jüngst neue Prozessoren-Entwürfe unter anderem für kleine vernetzte Technik im sogenannten Internet der Dinge an. Das könnte für Softbank besonders interessant sein: Telekom-Firmen weltweit versuchen, sich als Dienstleister für vernetzte Geräte aller Art neu zu erfinden. „Der Markt wird den Deal in einem positiven Licht sehen“, befindet Amir Anvarzadeh von BGC Partners.

Denn das vor 25 gegründete britische Unternehmen ARM mit rund 4000 Beschäftigten ist einer der heimlichen Könige der Smartphone-Welt. Der Firma, die in einem flachen Verwaltungsgebäude aus beigefarbenem Backstein im Osten der Universitätsstadt Cambridge residiert, hat geschafft, worum sich der Chipriese Intel aus den USA jahrelang vergeblich bemüht hat: bei Chips für mobile Geräte zum Maß aller Dinge zu werden.

ARM geht erfolgreichen Sonderweg


Ihre Prozessoren stecken in praktisch jedem modernen Smartphone, aber auch in vielen High-Tech-Fernsehern und modernen Haushaltsgeräten. ARM stellt die Prozessoren nicht selbst her, sondern entwirft nur die Chip-Architektur, auf die dann Lizenzen verkauft werden. Prozessoren auf Basis der ARM-Technologie arbeiten sehr stromsparend. Das hat ihnen den Platz in den weitaus meisten Smartphones und Tablets gesichert.

Softbank sichert sich mit der Übernahme damit eine Schlüsselposition im wachsenden Markt für mobile Technologie. Apple entwirft beispielsweise seit Jahren eigene Chips für seine iPhones und iPads – sie basieren aber auf ARM-Technologie. Experten halten es auch für möglich, dass der US-Konzern Intel auch bei seinen Mac-Computern untreu wird und diese künftig ebenfalls auf ARM-Architektur umstellt. Eine Alleinstellung, die den britischen Mikrochiphersteller zu einer der größten Erfolgsgeschichten der britischen Wirtschaft gemacht hat – und ARM zu einem der wenigen britischen High-Tech-Vorzeigeunternehmen.

Ein Erfolg, der auch darauf beruht, dass ARM vieles anders macht als die Konkurrenz. So geht das Unternehmen aus Cambridge in seiner Geschäftsstrategie deutlich andere Wege als die großen Halbleiterhersteller wie Intel. ARM entschied sich von Anfang an bewusst, dass die Firma die Chips nur entwickelt und designt, aber nicht selbst produziert. Eine eigene kostspielige Halbleiterfertigung unterhält ARM deshalb nicht, sondern konzentriert sich auf die wesentlich ertragreichere Lizenzierung der eigenen Chiptechnologie.

Infineon-Fabrikeröffnung in Malaysia
Malaysische Tänzerinnen Quelle: Infineon
Infineon Quelle: Infineon
Eröffnungszeremonie Quelle: Infineon
Mustapa Mohamed (3. v. l.), Reinhard Ploss (4. v. l.), Tan Soo Hee (5. v. l.) Quelle: Infineon
Infineon-Management und Malaysias Politprominenz Quelle: Infineon
Infineon-Werk in Kulim. Quelle: Infineon
Reinhard Ploss. Quelle: Infineon

ARM konkurriert insofern nicht direkt mit Intel, sondern nur über seine Partnerfirmen. Mehr als 1300 Lizenzen haben die Briten insgesamt vergeben – an denen ARM gleich doppelt verdient: Für die Lizenzierung wird eine Gebühr fällig, und wenn der Lizenznehmer dann Geräte auf Grundlage dieser Technologie auf den Markt bringt, fließt wieder Geld.

Ein Konzept, das ARM in den letzten Jahren zu einer Ertragsperle gemacht hat. In Sachen Profitabilität hängt das Unternehmen dank seiner besonderen Stellung im Markt den wesentlich größeren Wettbewerber Intel locker ab. So wirkt die Rendite der Briten wie aus einer anderen Welt: Im letzten Geschäftsjahr kam ARM auf eine bereinigte Umsatzrendite von 44 Prozent – was vergleichsweise beispiellos selbst unter größeren Technologie-Unternehmen sein dürfte.

Es ist eine Sonderstellung, die auch Masayoshi Son, den charismatischen 58-Jährigen Chef der japanischen Gruppe, gereizt haben dürfte. Denn während der US-Mobilfunker Sprint die Japaner noch viel Geld kostet, dürfte ARM operativ schon sehr bald die Kassen in Tokio füllen.

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