Software-Konzern Wie SAP seine Standort-Konsolidierung vorantreibt

Um Organisation und Abläufe weiter zu straffen, konsolidiert der Softwarekonzern bis Ende 2017 die Zahl seiner Niederlassungen in Deutschland.

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Mit den aktuellen Umbauten stärkt SAP seine Konzernzentrale in Walldorf. Quelle: REUTERS

Oberflächlich betrachtet ist bei SAP derzeit alles Eitel Sonnenschein: Der Gesamtumsatz stieg im ersten Halbjahr 2016 um fünf Prozent auf knapp zehn Milliarden Euro; das boomende Cloud-Geschäft kletterte um ein Drittel auf rund 1,4 Milliarden Euro, und der Gewinn nach Steuern sprang gar um fast 60 Prozent auf ebenfalls gut 1,4 Milliarden Euro.

Trotz solcher Erfolgsmeldungen hält Konzernchef Bill McDermott den Druck auf die Beschäftigten hoch – auch und gerade in Deutschland: „SAP konsolidiert hierzulande die Zahl der Niederlassungen; manche Standorte sollen gar gleich ganz geschlossen werden“, sagt ein SAP-Arbeitnehmervertreter, der ungenannt bleiben will.

Gleich fünf Standorte in Deutschland werden bis Ende 2017 dicht gemacht; betroffen sind davon insgesamt rund als 520 Mitarbeiter, wie die „WirtschaftsWoche“ exklusiv vermeldete. Die Beschäftigten müssen mit ihrem Arbeitsplatz in größere Niederlassungen wechseln – oder sich neue Jobs suchen.

Vor- und Nachteile von Cloud Computing

Wirklich überraschend kommt der jetzige Schritt nicht: Bereits vor gut zwei Jahren hatte McDermott dem Software-Riesen aus Walldorf unter dem Slogan „Simplify & Optimize“ ein konzernweites Rationalisierungsprogramm verschrieben und insgesamt rund 3000 seiner weltweit rund 77 000 Mitarbeiter abgebaut.

Vorstandschef McDermott will den Konzern fit für die Cloud machen

Mit dem Programm wollte McDermott SAP fit für die Cloud machen: Durch die Umstellung auf Cloud Computing vermietet der Konzern mehr Unternehmenssoftware über das Internet, anstatt sie in Form von Lizenzen als Programmpakete zu verkaufen. Dadurch werden bestimmte Jobs bei SAP nicht mehr benötigt.

Dass McDermott gewillt ist, weiter in diese Richtung zu marschieren, stellte er in seiner Rede auf der diesjährigen SAP-Hauptversammlung Mitte Mai klar – wenn auch verklausuliert: „Wir arbeiten an der Erhöhung unseres Betriebsergebnisses, indem wir die Abläufe in unserem Cloud- und Kerngeschäft effektiver gestalten“, sagte der SAP-Boss in der Mannheimer SAP Arena vor rund anwesenden 3000 Aktionären.

Vulgo: Die Maßnahmen gehen weiter – auch wenn SAP gegenüber der „WirtschaftsWoche“ eindringlich beteuert, es handele sich bei den aktuellen Umbauten nicht um ein Effizienzprogramm, sondern um eine Standortkonsolidierung.

Schließung von Göttingen als mögliche Blaupause

Diese fällt dafür umso beträchtlicher aus: So hat der SAP-Vorstand Ende Juni beschlossen, den Standort Göttingen zum 31. Dezember 2017 schließen zu wollen. „Der Vorstandsbeschluss wurde getroffen, ohne vorher den Betriebsrat zu informieren“, sagt ein Mitglied des später gebildeten Verhandlungsteams der Göttinger Beschäftigten. Laut seiner Aussage sei es das erste Mal in der SAP-Geschichte, dass ein ganzer Entwicklungsstandort dicht gemacht werde.

Betroffen sind rund 100 Angestellte. Sie waren erst 2011 mit der Übernahme von Crossgate, einem deutschen Anbieter von Integrationssoftware, zu SAP gekommen. 2012 kaufte SAP mit Ariba einen Anbieter ähnlicher Lösungen. „Inzwischen liegt unser alleiniger Fokus auf Ariba-Lösungen, die Crossgate-Produkte werden daher nicht mehr weiter entwickelt“, sagt SAP auf Anfrage der WirtschaftsWoche. „Im Zuge dieser Maßnahmen wird auch der Standort Göttingen geschlossen.“

Den Mitarbeitern will der Konzern eine neue Beschäftigung vor allem am immerhin gut 320 Kilometer entfernten Hauptsitz Walldorf anbieten. Das freilich ist für viele der in Niedersachen ansässigen Entwickler mit Familie schwierig.

Die Verhandlungen zwischen Management und Betriebsrat über die Details laufen noch; dem Vernehmen nach hat sich inzwischen auch die lokale Politik eingemischt. Ob es den Beschäftigten noch gelingt, das Management umzustimmen, scheint vor dem Hintergrund der Vorab-Festlegung fraglich.

Hoffen auf Heimarbeitsplätze

Die Mitarbeiter hoffen jetzt vor allem auf den Einsatz moderner Arbeitsmethoden: „Ein Technologiekonzern wie SAP sollte Dinge wie Heimarbeitsplätze doch hinbekommen, damit die Menschen nicht alle pendeln oder umziehen müssen“, sagt ein Mitglied des Verhandlungsteams.

Doch schon erwarten Beteiligte neues Ungemach: „Das Vorgehen in Göttingen könnte eine Blaupause für andere Standorte sein“, sagt ein Arbeitnehmervertreter aus Walldorf, der ungenannt bleiben will. Für besonders gefährdet hält er - aus denselben Gründen wie Göttingen - den einstigen Crossgate-Stammsitz München. Den sicherten Verträge allerdings noch bis Ende 2019.

Nicht ganz so dramatisch ist die Situation für mehrere kleinere SAP-Standorte in Hessen: „Die Verlagerung der Standorte Bensheim, Raunheim, Mörfelden-Walldorf und Darmstadt nach Eschborn wird schon verhandelt“, heißt es in einem Intranet-Beitrag der IG-Metall-nahen SAP-Betriebsratsgruppe ProMitbestimmung von Ende Juni, welcher der WirtschaftsWoche vorliegt.

Von der geplanten Schließung der vier südhessischen Standorte bis Ende 2017 sind insgesamt 420 SAPler betroffen – allerdings müssen sie nach Abschluss der Verlagerung nur entweder nach Eschborn oder nach Walldorf pendeln – statt wie die Göttinger Kollegen schlimmstenfalls umzuziehen. „Die Maßnahme wirkt sich nicht auf die Zahl der Mitarbeiter aus“, beteuert auch SAP gegenüber der WirtschaftsWoche.

Auch international achtet der Konzern aus Walldorf weiterhin auf die Kosten – allerdings ist der Druck zur Konsolidierung dort nicht so groß wie hierzulande: Die vielen kleinen Niederlassungen in Deutschland gehen zurück auf einstmals selbstständige IT-Service-Töchter, die SAP längst integriert hat.

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