Softwarefirma Teamviewer Das Einhorn von Göppingen

Mit ihrer Software lassen sich Computer fernsteuern: Das Unternehmen Teamviewer ist ein Weltmarktführer aus dem schwäbischen Hinterland. Gerade die Abgeschiedenheit half dem Produkt ins Leben.

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Knapp fünfzig Nationalitäten arbeiten bei dem Softwareunternehmen in Göppingen unter einem Dach. Mit der Software von Teamviewer lassen sich Computer fernsteuern. Quelle: dpa

Göppingen Wer nicht an Einhörner glaubt, der sollte einen Blick in den ehemaligen Sitz der Kreissparkasse Göppingen werfen. Dort werden schon lange keine Sparverträge mehr abgeschlossen. Hier, mitten in der schwäbischen Provinz, sitzt Teamviewer – einer der größten Softwarehersteller der Republik. Die Fernwartungssoftware ist nach Unternehmensangaben in über 30 Sprachen verfügbar und auf 400 Millionen Geräten aktiv. Aber vor allem: Teamviewer wird mit mehr als einer Milliarde Euro bewertet – was die Firma zu einem sogenannten Einhorn macht.

Mit Teamviewer können sich EDV-Experten oder Kollegen auf einen fremden Computer schalten und Probleme beheben. Die schwäbische Software ist weltweiter Standard in der Fernwartung geworden. Damit lassen sich nach Angaben des Konzerns auch Schneekanonen fernsteuern, Fischfarmen oder Windräder.

Geschäftsführer Andreas König ist ein Zahlenfan – und strotzt vor Selbstbewusstsein. „Wo andere über Tausende reden, reden wir gleich von Millionen“, sagt er. Weit mehr als eine Milliarde Mal installiert, zehn Millionen Downloads pro Monat, täglich 750.000 neue Lizenzen, rattert er die Bilanz herunter. „Wir sind ein brutal von Zahlen getriebenes Unternehmen. „Brutal“, das Wort nutzt König gern. Genauso wie Usability, Geschwindigkeit, Innovation. „Wir haben Zahlen, dass einem schwindlig wird“, sagt er.

Sonst tummeln sich die Einhörner der Software-Branche wie Google in den USA. König betrachtet seine Firma aber als ebenbürtiges Mitglied im Milliarden-Club. „Wir spielen in der Größenordnung von Twitter und Ähnlichem“, sagt König. Er fühlt sich wohl im ehemaligen Sparkassengebäude in Göppingen. „Es hat ein spezielles Flair“, sagt er. Auf seinem Schreibtisch steht ein kleines Hirnmodell aus Plastik, auf dem Tisch liegt eine schwäbische Butterbrezel.

Hier testen sie Alpha- und Beta-Versionen der Software, betreuen die Kunden. Knallbunte Wände trennen die Arbeitsplätze, Konferenzräume sind im Stil von Hipsterkneipen mit Sesseln und Tapeten geschmückt oder ganz im Stil des Actionfilms Matrix gestaltet. Auf dem „Sales Floor“ sprechen aufgeregte Stimmen in verschiedenen Sprachen in Telefonhörer. An jedem Tisch hängt eine Flagge. 50 verschiedene Nationalitäten sind bei Teamviewer zuhause.


Weit weg vom hippen Berlin

Das Geschäft der deutschen Softwareanbieter wuchs nach Angaben des Branchenverbands Bitkom 2016 um 6,2 Prozent auf 21,6 Milliarden Euro. Neben SAP, der Software AG und Teamviewer gebe es viele kleine, die man nicht sehe. Besonders der Kampf um Talente sei ein Problem der Branche. In Städten wie Hamburg oder München kämen viele Start-ups, Programmierer und Kapitalgeber auf einem Fleck zusammen. Umso bemerkenswerter sei das Wachstum von Teamviewer in der Provinz. „Das war nicht die hippe Berlin-Gründung, sondern eher ein in Standort, der nicht so im Fokus steht“, sagt Bitkom-Experte Christian Rietz.

Vielleicht gerade durch die schwäbische Abgeschiedenheit wurde aus Teamviewer ein „Hidden Champion“. Inhaber Tilo Rossmanith gründete die Firma 2005, weil er sich mit der Software weite Wege zu Kunden sparen wollte. „Er musste jedes Mal zum Installieren der Software hin, das war zu teuer“, erklärt König. Dann setzte sich ein „unglaublicher viraler Effekt“ in Gang. König kam im Mai 2015 mit der Übernahme von Teamviewer durch den Finanzinvestor Permira an Bord.

Im Frühjahr setzten dem Konzern indes Berichte zu, dass Hacker Computer über Teamviewer übernehmen und so Konten beim Zahldienst Paypal leerräumen. „Jede Fernwartungssoftware bringt auch ein Risiko mit sich“, erklärt Experte Raj Samani vom Sicherheitsdienst Intel Security. „Wir haben viele Angriffe gesehen, wo Leute den Schirm kontrollieren wollten.“ Die Passwörter stammten damals aber aus einem anderen Datenleck. Geschäftsführer König bestreitet eine Sicherheitslücke. Nutzer seien sorglos mit Kontozugangsdaten umgegangen, sagt er.

Vor kurzem kam die zwölfte Version der Software in einer Beta-Version heraus. Sie soll auf mehr Plattformen und Betriebssystemen einsetzbar sein. Administratoren können nun mit einem Mausklick Teamviewer auf tausenden Rechnern gleichzeitig installieren. Besonders die Nutzung mobiler Endgeräte beflügelt das Geschäft. Und was hat das Beteiligungsunternehmen Permira vor? Börsengang? Verkauf? „Sie haben eine Verpflichtung, die Firma langfristig zu entwickeln“, sagt König.

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