Softwarehersteller Bei SAP gibt es Zoff um die Betriebsratswahl

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"Keinen 'Betriebsratsbürokraten'"

Kurz darauf starteten seine damaligen Mitstreiter um Kollegin Kismir mit der Liste „Frischer Wind“ einen neuerlichen Vorstoß. „Wir wollen keine hauptberuflichen und voll freigestellten ,Betriebsratsbürokraten‘ werden“, begründete Kismir in einer internen E-Mail, die der WirtschaftsWoche vorliegt, diesen Schritt. Ein Tonfall, der nicht zufällig an Schulz erinnert. Der Wahlvorstand lehnte daher auch die zweite Liste mit derselben Begründung ab – der vermeintlichen Nähe zum leitenden Angestellten Schulz. Anders als dieser zog Kismir vor Gericht – und bekam recht.

Ihr Anwalt Thomas Deby von der Münchner Kanzlei Kollmar, Deby & Sinz hinterfragte insbesondere die Neutralität des Wahlvorstands um dessen Vorsitzenden Christoph Gussenstätter, der die Liste abgelehnt hatte: „Ich finde es sehr auffällig, dass der persönliche juristische Referent des SAP-Betriebsratsvorsitzenden Stefan Kohl“, gemeint ist Gussenstätter, „als Vorsitzender des Wahlvorstands fungiert.“

Was Deby andeuten will: Gussenstätter sei in Wahrheit der Befehlsempfänger von Schulz-Gegner Kohl und habe deshalb die Liste der Schulz-Freunde verhindert. Mit entsprechenden Vorwürfen konfrontiert, verweist Kohl auf zwei Mitglieder seiner Liste MUT in dem 13-köpfigen Wahlvorstand: „Es erscheint mir schwierig, mit diesen zweien die anderen elf zu dominieren.“

Doch Kohl erhält zusätzlich Gegenwind von einem anderen ehemaligen Mitglied seiner Liste, der massive Vorwürfe erhebt: „Innerhalb der Liste MUT hat ein diktatorischer und autokratischer Stil Einzug gehalten, der darin gipfelte, für eine Betriebsratskandidatur [...] die Offenlegung des Gehalts und die Zahlung von erheblichen Geldbeträgen [...] zu verlangen“, heißt es in der Mail, die der WirtschaftsWoche vorliegt. „Wir wollten die Irritationen ausräumen und hatten sogar einen Mediator eingeschaltet“, verteidigt sich Kohl. Doch das habe das Ex-Mitglied ausgeschlagen. „Nun wird schmutzige Wäsche gewaschen.“

In der Tat: Auch die WirtschaftsWoche hat in den vergangenen Wochen mehrere anonyme E-Mails mit Hinweisen aus der SAP-Belegschaft erhalten. Der Vorstand habe „offenbar ein Interesse an einem schwachen Betriebsrat und hilft bei der Schwächung passiv mit, indem er eine Schmutzkampagne gegen den BR-Vorsitzenden toleriert“, heißt es da von einer SAPlerin mit dem Pseudonym Roxana. Weil sich zudem „die Gerüchte verdichten, dass für dieses Jahr bei der SAP ein großes Sparpaket geplant ist, zu dem wohl auch ein Stellenabbau gehört, wird eine ziemlich perfide Sache daraus“.

Bisher gibt es für derlei Behauptungen noch keine Indizien. Dennoch kommen die Grabenkämpfe zwischen den verschiedenen Lagern im und außerhalb des Betriebsrats für das Unternehmen zur Unzeit: Auf der SAP-Hauptversammlung Ende Mai wechselt der bisherige Co-Chef Jim Hagemann Snabe wie angekündigt in den Aufsichtsrat. Ab dann steht sein Kompagnon, der Amerikaner Bill McDermott, allein an der Spitze des Softwareriesen.

McDermott wurde schon in der Vergangenheit des Öfteren nachgesagt, er liebäugele mit einer Verlagerung des Konzernsitzes in die USA, den bis heute wichtigsten Softwaremarkt der Welt. Ob er diesen radikalen Schritt tatsächlich durchpeitschen würde, ist ungewiss. Fakt ist aber, das ihm eine geschwächte Mitarbeitervertretung in Deutschland dabei sehr gelegen käme.

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