Westliche Unternehmen bringt das in die Bredouille. Wollen sie auf dem chinesischen Markt agieren, müssen sie sich – mehr denn je – den chinesischen Standards unterwerfen. „Prinzipien wie etwa die Meinungsvielfalt und das Eintreten für ein offenes, transparentes Umfeld müssen Unternehmen in China zugunsten ihrer geschäftlichen Interessen zu opfern“, sagt Shi-Kupfer. „Gerade im Falle eines renommierten Wissenschaftsverlags wie Springer Nature, der für akademische Freiheit und Meinungsaustausch steht, ist das besonders bedauerlich.“
Der Zugang zum chinesischen Markt, der immerhin mehr als eine Milliarde Menschen umfasst, ist ein gewichtiges Argument für Unternehmen, sich den chinesischen Forderungen zu beugen. Sich dem zu verwehren hätte sicherlich eine Signalwirkung gehabt. Etwa auch gegenüber chinesischen Wissenschaftlern, die sich für die akademische Freiheit einsetzen, glaubt Shi-Kupfer. „Aber von einem kommerziell agierenden Unternehmen wäre das wohl zu viel verlangt.“
Aus ebensolchen Gründen hat Apple - das sich in den USA als ein Unternehmen inszeniert, dem es um Datensicherheit geht - schon vor Jahren die aus Sicht der KP unliebsamen VPN-Dienste aus dem Apple Store in China entfernt. Gerade mit seiner wachsenden Mittelschicht wird China für den Konzern ein immer wichtigerer Absatzmarkt. „Solche Maßnahmen könnte der chinesische Propagandaapparat wiederum nutzen, um die vermeintliche Scheinheiligkeit der westlichen Demokratien offenzulegen“, sagt Shi-Kupfer.
Zu Chinas neuer Devise gehört es auch, eine vermeintliche Überlegenheit des chinesischen Systems gegenüber dem westlichen zu propagieren. „China hat den Anspruch, eine diskursive Macht zu werden und seine eigene Sicht auf Menschenrechte und Medienfreiheit auch global durchzusetzen“, sagt Shi-Kupfer.
Gerade in osteuropäischen Staaten wie Ungarn, die sich vom Westen entfremden, fällt das Gebaren Chinas auf fruchtbaren Boden. „Europa hat die chinesische Regierung lange unterschätzt“, sagt Shi-Kupfer. Bis heute fehle es an einer Strategie wie Europa mit einem China umgehen soll, das Konzepte wie Konstitutionalismus und Pluralismus immer stärker bekämpft.
Auch den Unternehmen fehlt es an einer Strategie. Ihnen bleibt aktuell nur, sich auf die Forderungen einzulassen. Oder die Forderungen zu ignorieren. Die „New York Times“ ist, wie auch andere Medien, die kritisch über China berichtet haben, im Land gesperrt. Das Gleiche gilt für soziale Medien wie Facebook, Twitter oder Youtube.
Mit Material der dpa.