Start-up Enfore Ein deutsches Wunderkind bittet zur Kasse

Marco Börries mag große Aufgaben: Früher konkurrierte er mit Microsoft, heute will er Millionen kleinen Firmen bei der Digitalisierung helfen – mit einem Kassensystem. Die Deutsche Telekom hilft bei der Vermarktung.

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Start in die Digitalisierung? Die Firma Enfore will das Kassensystem als Ausgangspunkt nutzen. Quelle: dpa

Düsseldorf Ob der Frisör um die Ecke, das kleine italienische Restaurant im Viertel oder die Kunstboutique im Zentrum: Für viele Kleinunternehmer bedeutet Digitalisierung, dass sie sich eine Website bauen lassen haben. Bei Bestellungen und Abrechnungen kommen teilweise noch Papier und Stift zum Einsatz – auch in Deutschland.

Ein bekannter deutscher Gründer hat sich zum Ziel gesetzt, das zu verändern: Marco Börries, der in der 1990er-Jahren das Softwarepaket „Star Office“ entwickelt hatte, hat mit seiner Firma Enfore ein Kassensystem geschaffen, das auch bei Aufgaben wie Lagerhaltung, Abrechnung und Kundenbindung helfen soll. Die Komplettlösung richtet sich an kleine Firmen in Bereichen wie dem Einzelhandel, der Gastronomie und dem Dienstleistungssektor. Am heutigen Freitag beginnt der Verkauf, unter anderem über die Deutsche Telekom.

„In Deutschland sind 99 Prozent aller Unternehmen klein oder mittelständisch“, sagte Börries im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Wenn die mit einer Sache ein Riesenproblem haben, dann ist das die Digitalisierung.“ Es mangele an Budget wie an Personal für IT-Projekte. Das Kassensystem soll helfen, Prozesse zu digitalisieren, von der Buchhaltung über den Einkauf bis zum Vertrieb. Börries hat sich ambitionierte Ziele gesetzt: „Es geht um den Aufbau eines Ökosystems für kleine Unternehmen.“

Die Deutsche Telekom vermarktet das Produkt im Paket mit Telefon- und Internetanschluss sowie technischer Unterstützung. „Nur wenige kleine Betriebe verfügen heute über durchgängige Lösungen, um ihre Geschäftsprozesse zu digitalisieren“, erklärte Hagen Rickmann, Chef des Geschäftskundensegments. In der Regel kämen dort Einzelanwendungen zum Einsatz, beispielsweise für Buchhaltung oder Kundenmanagementsystem. Die neue Lösung sei „aus einem Guss“ und ermögliche „einen deutlichen Effizienzsprung“.

Acht Jahre arbeitete Börries mit seinem Team an dem Produkt – in der Technikszene eine ungewöhnlich lange Entwicklungszeit. Dank einer üppigen Finanzierung konnte er es sich leisten, verschiedene namhafte Investoren stellten ihm mehr als 40 Millionen Euro zur Verfügung, darunter die Deutsche Telekom, der US-amerikanische Risikokapitalgeber Allen & Company sowie die deutschen Unternehmer Lars Hinrichs und Klaus Hommels.

Der Vertrauensvorschuss hat mit Börries‘ Vergangenheit zu tun. Er entwickelte als Jugendlicher die Bürosoftware „Star Office“, die mit dem Programmpaket von Microsoft konkurrierte. 1999 verkaufte er sie für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag an den US-Konzern Sun Microsystems. Eine weitere Firma, die Banksoftware entwickelte, veräußerte er an den Internetkonzern Yahoo, wo er anschließend mehrere Jahre in leitender Position arbeitete.

Angesichts dieser Erfolge bezeichnet mancher Börries als „deutschen Bill Gates“ oder auch Wunderkind. Auch wenn er inzwischen 49 ist, schadet ihm das sicher nicht.

Wie damals mit „Star Office“ begibt sich Börries mit Enfore in einen umkämpften Markt. Start-ups wie Sum Up und iZettle entwickeln ebenfalls Systeme für den „Point of Sale“, wie Handelsexperten häufig alles nennen, was mit der Kasse zu tun hat. Mit Square hat auch ein Anbieter aus dem Silicon Valley große Pläne. Klassische Anbieter bemühen sich verstärkt um kleine Kunden. Und SAP und Oracle wollen mit dem Mittelstand ins Geschäft kommen.

Enfore will sich mit einem Komplettsystem abheben. „Sehr gutes Geld“ bringt einerseits die Hardware ein, wie Börries es ausdrückt. Ein einzelnes Komplettsystem kostet zum Start rund 1000 Euro – das sei ein „game changer“, also ein bahnbrechend niedriger Preis, meint der Unternehmer. Angesichts der komplexen Marktstrukturen sind Vergleiche indes schwierig.

Andererseits will Enfore über seine Plattform Software anderer Anbieter vermarkten – etwa Bezahldienste oder Lohnbuchhaltungssoftware. „Wir integrieren verschiedene Formen von Services“, erklärt Börries. Für die Vermittlung kassiert das Unternehmen eine Provision. An den Gebühren für Transaktionen kann das Unternehmen dagegen kaum etwas verdienen: Pro Transaktion nimmt es drei Cent, hinzu kommen die Gebühren für Kartenzahlungen.

Unternehmer Börries weiß, wie wichtig der Vertrieb ist, um im Wettbewerb zu bestehen. Er sucht Partner, die ihm dabei helfen sollen: „Wir schauen, welche großen Unternehmen unsere Passion für kleine Geschäfte teilen.“ In Deutschland vermarktet die Telekom das Paket seit dem heutigen Freitag. Eine Zusammenarbeit kann er sich auch mit Banken oder Zulieferern von Restaurants oder Frisörgeschäften vorstellen. In anderen Ländern will er ähnlich vorgehen. Potenzielle Kunden sieht Börries schließlich in aller Welt.

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