Streit mit Western Digital Toshibas Wende gerät in Gefahr

In seiner Jahresbilanz verspricht der Technikriese Toshiba nach dem GAU bei seiner Atomsparte die Rückkehr zu Gewinnen. Ein Streit über den Verkauf seiner Chipsparte könnte den Sanierungsplan jedoch gefährden.

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Tokio Auf den ersten Blick steht der hartnäckigste Sanierungsfall der japanischen Elektronikindustrie vor einer Wende. Für das Ende März abgelaufene Bilanzjahr 2016 rechnete Toshiba zwar am Montag einen Reinverlust von 950 Milliarden Yen (7,7 Milliarden Euro). Das liegt vor allem Abschreibungen seiner US-Atomsparte Westinghouse. Aber nachdem diese in Konkurs geschickt und aus der Bilanz entfernt wurde, prognostizierte der Konzern für das laufende Geschäftsjahr mit 50 Milliarden Yen den ersten Gewinn seit drei Jahren.

Das Versprechen hat nur einen Haken: Der Plan beruht darauf, dass Toshiba seine profitable Halbleitersparte versilbert und damit wieder Eigenkapital und Kreditwürdigkeit aufbaut. Immerhin 18 Milliarden US-Dollar schwirren als Kaufsumme für Toshibas Tafelsilber durch den Raum. Doch ein Streit mit seinem bisherigen Joint-Venture-Partner für Speicherkarten, Western Digital, könnte den Deal gefährlich verzögern.

Das Unternehmen beantragte am Montag Mediation bei der internationalen Handelskammer. Denn nach Meinung von Konzernchef Steve Milligan ist ein Verkauf der Chipsparte ohne die Zustimmung von Western Digital und dessen Tochter Sandisk, die mit Toshiba ein Werk für Speicherchips betreiben, ausdrücklich verboten. Pikant dabei ist, dass das US-Unternehmen selbst um die Sparte mitbietet. Doch Western Digital gilt nicht als bevorzugter Kandidat, da andere Firmen offenbar deutlich mehr bieten.

Toshiba-Chef Satoshi Tsunakawa antwortete daher am Montag auf einer Pressekonferenz hart, das Toshiba den Joint-Venture-Vertrag keineswegs verletze. Western Digital habe daher keinen Grund, den Verkauf von Toshiba Memory zu stoppen. Toshiba werde daher an dem Plan festhalten, die zweite Runde im Bieterverfahren am 19. Mai abzuschließen. Tsunakawa will die Zeit nutzen, den Interessenten die Rechtmäßigkeit von Toshibas Position zu erklären, um deren Sorgen zu zerstreuen.

Er kann nur hoffen, dass er damit recht behält. Denn Toshiba braucht daher Geld dringend das Geld aus dem Chipverkauf. Damit soll der enorme Verlust bei Westinghouse ausgeglichen, wieder etwas Eigenkapital aufgebaut und Bankkredite für den Neuanfang eines Rest-Toshibas eingeworben werden. Sonst droht der 141 Jahre alte Traditionskonzern zumindest von der Börse in Tokio zu fliegen. An eine Liquidierung des Unternehmens werde nicht gedacht, versicherte Konzernchef Tsunakawa auf der Pressekonferenz am Montag. Aber schon, dass er die Möglichkeit erwähnte, zeigt, wie heikel die Lage bei Toshiba ist.


Viele Bieter für die Chipsparte

Toshibas Bilanz verdeutlicht die Gefahr. Derzeit hat der Konzern für 2016 einen außerordentlichen Verlust von 1320 Milliarden Yen in Bilanz geschrieben, weil Kostenüberschreitungen bei US-Atomkraftprojekten Westinghouse unerwartet stark bluten lassen. Der Firmenwert rutschte daraufhin 540 Milliarden Yen gefährlich tief in die Miesen. Und auch diese Zahlen sind nur eine Schätzung. Denn die Buchprüfer von PwC Arata haben Toshibas Bilanz nicht unterschrieben, weil sie weitere Untersuchungen von Westinghouse fordern.

Besonders tragisch an dem Streit der bisherigen Partner ist, dass Toshibas restlicher Sanierungsplan offenbar Fortschritte macht. Zwar ist noch offen, ob das Unternehmen nicht doch noch wegen seines Bilanzskandals von der Börse fliegt. Die Tokioter Börse wird in den nächsten Monaten entscheiden, ob Toshibas Reformen bei der Corporate Governance ausreichen.

Doch wie erwartet überbieten sich die Interessenten für die Chipsparte wie der Investmentfonds KKR, Foxconn oder der amerikanische Chiphersteller Broadcom. Denn der Käufer würde auf einen Schlag einer der größten Anbieter von Speicherchips für mobile Geräte, ein Segment mit Wachstumspotenzial.

Außerdem haben sich Toshiba und der US-Stromkonzern Southern Co. nach Medienberichten vorläufig geeinigt, Toshibas Garantien für ein Atomkraftwerksprojekt auf 3,6 Milliarden US-Dollar zu beschränken. Damit würden Toshibas künftigen finanziellen Risiken kalkulierbar und verlören ihren Schrecken.

Zudem wäre Toshibas Resterampe profitabel. Zwar schätzt das Unternehmen, dass Toshibas Umsatz im Jahr 2017 mit etwa 30 Milliarden Euro um ein Viertel niedriger sein würde als mit der Chipsparte. Auch wäre das Produktportfolio bei weitem nicht mehr so illuster wie bisher. Aber immerhin erwartet Toshiba, dass die verbleibenden Sparten wie soziale Infrastruktur, Kraftwerke, Lösungen für Gebäude und Informationstechnik immerhin knapp profitabel sein werden.

Die Firma hätte damit eine Chance, am Leben zu bleiben und auf einen zweiten Frühling zu hoffen. Die Anleger behielten daher am Montag die Nerven und verbuchten Western Digitals Schritt anscheinend als Teil eines Preispokers. Toshibas Aktienkurs stieg am Montag um 3,4 Prozent auf 261,8 Yen. Damit liegt er rund 50 Prozent höher als noch vor fast drei Monaten.

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