Streit um Internet-Werbung Facebook geht gegen TV-Vermarkter in die Offensive

TV-Vermarkter bezichtigen Facebook, die Werbereichweite zu schönen und den Kunden nicht die Wahrheit zu sagen. Das Unternehmen hat jetzt reagiert und erhebt selbst Vorwürfe gegen die Vermarkter.

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Das soziale Netzwerk wehrt sich gegen die Vorwürfe von TV-Vermarktern. Quelle: dpa

Düsseldorf Mit Facebook und den Werbevermarktern ist es ein wenig so wie auf einer Geburtstagsparty mit köstlicher Sahnetorte. Früher kamen immer dieselben Gäste, jeder bekam ein großes Stück und alle waren glücklich. Doch das Geburtstagskind hat neue Freunde auf die Gästeliste gesetzt, der Kuchen ist nicht größer, die Stücke werden kleiner. Noch schlimmer: Die Eingeladenen versichern jeweils die besseren Freunde zu sein, um ein größeres Stück abzubekommen.

Nun ist die Welt der Werbung keine Geburtstagsparty, aber das mit dem Kuchen stimmt trotzdem irgendwie: Gab es früher die klassische Aufteilung Funk, Fernsehen und Print, sind es heute eine Vielzahl an Kanälen geworden, die Markenverantwortliche bespielen können. Doch die Budgets dafür sind nicht unbedingt viel größer geworden. Und Werbung auf Plattformen wie Facebook ist eben nicht mehr nur simple Bannerwerbung – der Konzern setzt vermehrt auf Videos und erregt damit den Unmut der TV-Vermarkter, die den US-Konzern in ungewohnter Härte angreifen. Doch fast genauso ungewohnt: Facebook hat sich mit einem offenen Brief an die Werbebranche gewendet. Das Schriftstück, das auch dem Handelsblatt vorliegt, ist noch ungewöhnlicher: Statt wie gewohnt auf Emotionen, will der Konzern auf Fakten setzen.

Facebook und Privatfernsehen – das sind zwei die sich verstehen müssten. Schließlich basiert ihr Unternehmenserfolg auf der Werbung. 2016 setzte Facebook rund 26,8 Milliarden Dollar damit um. Das Marktforschungsunternehmen eMarketer prophezeit für 2018 sogar einen Umsatz von 33,84 Milliarden Dollar. Und das will der Konzern auch mit Videowerbung verdienen. Wie das US-Branchenblatt „Adweek“ Anfang vergangener Woche berichtete, will das soziale Netzwerk Mitte März seine bisher größte Kampagne starten, um Unternehmen für die Videowerbung zu gewinnen. Dem Privatfernsehen gefällt das natürlich nicht: Schließlich müssen sich die Sender nicht nur mit Anbietern wie Netflix rumärgern, sondern sehen auch zusätzlich ihre Budgets durch Facebook bedroht.

Besonderen Unmut erregte da die Studie „The Impact of Video Ads on Facebook“, in dem der Konzern seine Videowerbung mit TV-Spots vergleicht. In der Branchenzeitschrift „W&V“ äußerten sich die Geschäftsführer des ProSiebenSAt.1-Vermarkters Sevenone Media, Thomas Port und Guido Morenbach deutlich: „Wie Facebook im Werbemarkt kommuniziert, ist an der Grenze zur Scharlatanerie“. Das Unternehmen präsentiere sich als „Fakebook“. Dabei wirft man Facebook unter anderem vor, sich künstlich erfolgreicher zu rechnen oder unterstellt dem Konzern Fehler bei der Methodik der Studie.

Die Vorwürfe sind indes nicht neu. Denn während viele die Plattform als Marketingkanal schätzen, kritisieren andere Facebook als „Blackbox“, die nur schwer nachvollziehbar mache, was Werbeschaltungen wirklich brächten. Doch nun hat sich der für Deutschland zuständige Manager, Jin Choi, mit einem offenen Brief zu Wort gemeldet. Er habe in den letzten Monaten maßgeblich die Arbeit rund um die Werbewirkungsforschung im Bereich Bewegtbild vorangetrieben, so Facebook gegenüber dem Handelsblatt. In neun Punkten geht er auf die Vorwürfe der Vermarkter ein – und spart selbst nicht mit Kritik.

Es ist eine nüchterne Ansprache. Ungewohnt für den Konzern, der nach Außen gerne emotional kommuniziert. Choi macht schon zu Beginn klar: „Lassen Sie uns Schluss machen mit der Polemik und über Fakten sprechen.“ So beginnt auch jeder der Absätze über Transparenz, Werbewirkung oder Reichweite mit dem Einstieg: „Fakt ist“. Auf der einen Seite verteidigt der Facebook-Manager das Geschäftsmodell: „Facebook ermöglicht es Werbetreibenden echte Menschen planbar und zielgenau zu erreichen.“ Oder: „Werbetreibende erhalten mit Facebook mehr Informationen zu den Ergebnissen ihrer Kampagnen als irgendwo sonst.“ Sie erhielten Kennzahlen, die moderner und aussagekräftiger sind als das, was die Branche als Standard fordert. Und verweist darauf, dass die tatsächliche Wirkung von Facebook von unabhängigen Marktforschern wie GfK, Nielsen oder Kantar nachgewiesen hätten.

Und er kritisiert die Kritiker: „Eine Lösungsbereitschaft auf der Seite der TV-Vermarkter ist nicht erkennbar.“ Es fehle das Handeln im Interesse der Werbekunden, so Choi: „Ihr einzig erkennbares Ziel: Budgettöpfe schützen.“ Die Bereitschaft für einen konstruktiven Dialog sei nicht da. Wiederholte Angebote der Zusammenarbeit von Facebook mit Vertretern dieser Gruppe, um gemeinsam bessere Lösungen für die Bedürfnisse der Werbetreibenden zu schaffen, seien unbeantwortet geblieben. Man wolle eine kanalübergreifende Werbewirkungsmessung: „Denn wir scheuen keinen Vergleich. Statt Ablenkungsangriffen in den Medien wünschen wir uns eine konstruktive Zusammenarbeit.“

Die Antwort der Vermarkter dürfte da nicht lange auf sich warten lassen. Der Streit um den Kuchen hat wohl gerade erst begonnen.

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