Technikmesse Ceatec Wenn Staubsauger-Roboter japanische Songs singen

Japans größte Technikmesse Ceatec überrascht die Besucher mit einigen Kuriositäten. Die können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Ausstellung ein überzeugendes Konzept fehlt. Ausgerechnet Deutschland soll helfen.

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Sharp bringt seinem sprechenden Roboterstaubsauger Kokorobo das Singen japanischer Popsongs bei.

Tokio Auf Japans größter Elektronikmesse Ceatec lebt er noch hier und da: der japanische Sinn für Innovationen, die Spaß machen. Ausgerechnet der Sanierungsfall Sharp ist diesmal Vorreiter. Die Ingenieure haben ihrem sprechenden Roboterstaubsauger Kokorobo nun auch noch das Singen beigebracht. 

Munter trällert das Gerät japanische Popsongs, während sich auf dem Bildschirm in den passenden Musikvideos die knapp bekleideten, blutjungen virtuellen Manga-Mädchenstars räkeln. Eine dieser Figuren klebt auf dem rosa Roboter, der gewissenhaft sein kleines Areal auf dem Messestand sauber hält. 

Der Andrang am Stand zeigt, dass Sharp damit die Herzen vieler Japaner berührt. „Kokorobo trifft Vocaloid“ betiteln Sharps Ingenieure ihre Idee. Und Vocaloid ist eine sehr populäre Sprach- und Musiksynthesizer-Software, mit der die Fans von Japans virtuellen Popstars wie dem blauhaarigen, großäugigen, mädchenhaften Superstar Hatsune Miku selbstgeschriebene Songs in den Mund legen. 

Auch wenn es auf den ersten Blick für Europäer nicht so erscheint: Hinter dem Wahnsinn steckt Methode. Japaner sind schon immer gut darin gewesen, mit vermeintlichen Verrücktheiten Märkte zu erobern. Das legendäre Computerküken Tamagotchi ist der - wenn man so will - lebende Beweis dafür. 

Beim Staubsaugerroboter überlegten sich Sharps Roboterdesigner, wie sie nicht nur den störenden Staubsaugerlärm neutralisieren, sondern dem Saugen sogar eine unterhaltsame Note geben könnten. Und so kamen sie auf Schlager. Allerdings ist noch nicht sicher, ob die künstliche Intelligenz des Roboters auch um ein paar Gesangsalgorithmen aufgerüstet wird, gesteht einer der Ingenieure am Stand. 

Produkte wie diese können aber nicht über den ernsten Charakter der Messe hinwegtäuschen. Die Ceatec widmet sich in diesem Jahr der Vernetzung von Geräten und Anwendungen, die auf künstlicher Intelligenz basieren. Und gerade aus diesem Grund steht sie dieses Jahr auch im Zeichen Deutschlands. 


Japaner wollen von Deutschen lernen

Denn das deutsche Konzept der „Industrie 4.0“, das sowohl von Politik als auch von Wirtschaft vorangetrieben wird, gilt Japan als Vorbild. Die Veranstalter der Ceatec wiesen stolz darauf hin, dass es am Mittwoch ein großes deutsch-japanisches Symposium zum dem Thema gebe. „Wir wollen lernen, was in Deutschland passiert“, erklärte Hisato Nagao, ein Direktor der Vereinigung der japanischen Elektronikindustrie Jeita. Sie ist einer von drei Co-Organisatoren der Messe. 

Am Montag vor der Eröffnungszeremonie der Ceatec wurde besiegelt, dass Japan 2017 das Partnerland der Cebit in Hannover wird. Später betonte Japans Ministerpräsident Shinzo Abe, wie wichtig Japan die Zusammenarbeit mit Deutschland beim Thema Industrie 4.0 sei. 

„Wir begrüßen die Partnerschaft sehr“, sagt Stefan Schnorr, Leiter der Abteilung Digital- und Innovationspolitik des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, dem Handelsblatt. „Es gibt inzwischen sehr viele Ansätze, um die Zusammenarbeit zu beflügeln.“ Sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft. 

Japan hat in seiner diesjährigen G7-Präsidentschaft erstmals ein Treffen der für Informations- und Telekommunikationstechnik zuständigen Minister organisiert. Deutschland wolle dieses Treffen während seiner G20-Präsidentschaft im kommenden Jahr auch einführen, erklärt Schnorr. 

Aber auch deutsche und japanische Firmen tauschen sich aus. Japans Technikriesen Fujitsu, Hitachi und Mitsubishi Electric nehmen an der Plattform Industrie 4.0 teil. Im Gegenzug mischen Bosch, Siemens und SAP bei Japans Roboter-Revolution-Initiative mit. 

Diese Kooperationen sind besonders aus strategischen Gesichtspunkten wichtig. Deutschland brauche in den G7 und G20 Verbündete, die in Fragen der Regulierung ähnlich tickten, so Schnorr, und die zu viel oder zu wenig Regulierung der neuen Bereiche für schädlich hielten. Er hält die Japaner bei dem Thema für eine Art natürlichen Kooperationspartner. 

Beide - Deutschland und Japan - begreifen sich als herstellende Nationen. Zudem gibt es in beiden Ländern viele kleine und mittlere Firmen. Und auch im Denken seien sich Deutsche und Japaner ähnlich, so Schnorr. Besonders zielt er damit auf Qualitätsbewusstsein und Ingenieursdenken ab. Messen hält Schnorr dabei für ein „Vehikel, um die Zusammenarbeit zu stärken.“ 

Doch ob Cebit und Ceatec diese Rolle erfüllen können, ist ungewiss. Beide haben in den vergangenen Jahren viel von ihrem einstigen Glanz verloren. Der einstigen Computermesse Cebit kommt die Partnerschaft mit Japan höchst gelegen. Angetrieben von der Regierung werden im kommenden Jahr wohl 100 japanische Firmen ihre Stände in Hannover aufbauen. Dieses Jahr seien es nur etwas mehr als ein Dutzend gewesen, meint Schnorr.


Ceatec hat die Vorreiterrolle verloren

Die deutlich kleinere Ceatec hingegen hat bisher nichts von der Kooperation. Früher galt sie bei den globalen Technikfreaks als Mekka, wo man früher Flachbildschirme und Handys mit großen Farbbildschirmen bestaunen konnte – lange bevor sie in Europa auf den Markt kamen. Doch das Interesse der Aussteller ist seit Jahren rückläufig. Auch Sony drückt sich seit geraumer Zeit vor der Messe. 

Daher probieren die drei Veranstalter, die Jeita, Japans Netzwerk für Kommunikation und Information CIAJ und der Verband für Computersoftware, immer neue Konzepte aus. Zuerst benannten sie die Ceatec von einer Messe für Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte zu einer Messe für Cutting-Edge-Technologien, also innovative Technologien, um. Nun habe man das Konzept erneut komplett geändert, meint Jeitas Ceatec-Mann Nagao. Sie soll ein Schaufenster für neue Konzepte und Geschäftsmodelle sein. 

Ob damit die Wende gelingen wird, ist ungewiss. Die Veranstalter reklamieren zwar als Erfolg, dass sie die Zahl der Aussteller im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent auf 648 Firmen erhöhen konnten. Zugleich haben sie mehr ausländische Firmen angeworben, insbesondere Start-ups aus Asien. Und so gibt es immer noch interessante Ideen wie den Wäscheschrank Laundroid von Seven Dreamers, der selbstständig Wäsche zusammenlegen kann. Aber was der Messe inzwischen fehlt, sind wirkliche Weltneuheiten. 

Toyotas Plapperroboter Kirobo hat es zwar weltweit in die Schlagzeilen geschafft. Aber der maschinelle Kommunikationspartner fürs Armaturenbrett ist nicht neu. Neu war nur, dass Toyota ihn im Dezember in Japan auf den Markt bringen wird. Und so bleibt abzuwarten, ob die Ceatec endlich wieder dauerhaft wird wachsen können.

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