Ganz anders stellt sich die Lage in den USA dar. Bei den Umsätzen der Unternehmen mit Telekommunikation und den Investitionen in Netztechnik haben die Amerikaner die Europäer abgehängt. Denn die Politiker in Washington regulieren den Markt so, dass sie die marktbeherrschenden Netzbetreiber bevorzugen. Dies geschieht, indem die Regierung weitgehend auf deren Regulierung verzichtet und Fusionen weniger streng kontrolliert. Dadurch hat heute eine Handvoll landesweit tätiger Konzerne den Mobilfunk- und Festnetzmarkt unter sich aufgeteilt. Das erlaubt Platzhirschen wie AT&T und Verizon, in superschnelle Internet-Anschlüsse zu investieren, die sie dann problemlos deutlich teurer als die Anbieter in Deutschland und Europa verkaufen können.
Die Verbraucher müssen dafür zwar tiefer in die Tasche greifen, den Unternehmen aber füllt es die Konzernkassen und mehrt das Vermögen der Aktionäre. AT&T alleine erreicht inzwischen mit knapp 140 Milliarden Euro eine größere Börsenkapitalisierung als die drei größten europäischen Ex-Monopolisten Deutsche Telekom, Telefónica und Orange (früher France Télécom) zusammen. Dafür stecken die staatlich Gehätschelten mehr Geld in superschnelle Glasfaser- und Mobilfunknetze.
„Größe zählt“, sagt der künftige Telekom-Chef Höttges deshalb inzwischen unumwunden. Nur so lasse sich der Rückstand beim Ausbau der Hochgeschwindigkeitsnetze wieder aufholen und ein weiterer Ausverkauf stoppen. Tatsächlich steuert der deutsche Telekommunikationsmarkt auf eine gefährliche Schieflage zu. Besonders dramatisch ist die Lage beim Neubau von superschnellen Glasfaseranschlüssen, die die alten, weitgehend ausgereizten Telefonkupferkabel in den nächsten Jahren ersetzen sollen. Mit einem Anteil von einem Prozent der erschlossenen Haushalte liegt Deutschland weit unter dem EU-Durchschnitt und gehört im Vergleich zu anderen Industrienationen sogar zu den Schlusslichtern der regelmäßig erstellten Ranglisten. Gerade 1,5 Millionen Haushalte besitzen hierzulande solch einen Anschluss, noch weniger – etwa die Hälfte – nutzen ihn auch.
Als Grund für die magere Ausstattung mit moderner Internet-Infrastruktur nennt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Studie eine „unterdurchschnittliche Industriepolitik für den Telekommunikationssektor“. Im Vergleich zu den vier großen EU-Ländern Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien schaffe Berlin durch seine eher verhaltene öffentliche Nachfrage nach IT-Dienstleistungen und unklare Ausrichtung der Wettbewerbspolitik besonders wenig Anreize, um die Wettbewerbsposition der heimischen Anbieter zu stärken.
Ganz anders Frankreich, der Spitzenreiter im EU-Vergleich. Dort gebe es eine starke Bereitschaft der Regierung, ihre Rolle als Anteilseigner zu nutzen, um France Télécom zu schützen. „Frankreich setzt konsequent auf die Unterstützung etablierter Unternehmen“, sagt Christian Wey, beim DIW Leiter der Abteilung Informationsgesellschaft und Wettbewerb.
Doch sind Riesenkonzerne wirklich das Allheilmittel, um den Investitionsstau in der Telekommunikation zu überwinden? Die Wettbewerber melden erhebliche Zweifel an und schicken inzwischen eigene Positionspapiere an die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD, die gerade in Arbeitsgruppen um die künftige Internet-Strategie einer großen Koalition ringen. „Monopole oder Oligopole waren noch nie besonders investiv oder innovativ, sondern tendieren dazu, die bestehende Kupferinfrastruktur möglichst lange auszulasten und nicht sukzessiv durch moderne Glasfaserinfrastruktur zu ersetzen“, meint Ralf Kleint, Präsident des Bundesverbandes Breitbandkommunikation (Breko).
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Die Präsidenten und Geschäftsführer der drei Branchenverbände, in denen sich die Telekom-Konkurrenten zusammengeschlossen haben, äußern sich zur künftigen Regulierungs- und Wettbewerbspolitik:
Und auch Peer Knauer, Präsident des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), warnt vor einem „Regulierungskahlschlag“, der Investitionen nicht stimuliert, sondern stoppt. Die Regulierung sei nicht der Grund für die Probleme der Telekommunikationsindustrie in Europa. „Je größer die Unternehmen sind, desto mehr konzentrieren sich die Investitionen auf die dichter besiedelten lukrativen Gebiete.“ In den USA könnten nur neun Prozent der Verbraucher zwischen mehr als zwei Anbietern wählen. Allein deshalb hätten sich die Preise für Internet-Nutzung dort verdoppelt.