Thomas de Maizière und der Hass im Netz Provider sollen Terror filtern

Ein 17-Jähriger hatte bei Würzburg fünf Menschen mit einer Axt tödlich verletzt. Radikalisiert habe er sich im Internet. Nun fordert der Bundesinnenminister von Internetprovidern, Hass und Terror aus dem Netz zu fischen.

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Der Bundesinnenminister will Providern strengere Vorschriften machen. Quelle: dpa

Berlin „Provider können nicht die Rolle einer Netzpolizei oder Zensurbehörde übernehmen“, sagt ein Sprecher der Deutschen Telekom als Reaktion auf eine Aussage von Bundesinnminister Thomas de Maizière. Im „Morgenmagazin“ des ZDF hatte der CDU-Politiker erklärt: „Wir wollen, dass Anleitungen zum Bombenbauen, Anstachelung zum Hass aus dem Netz verschwindet.“ Dafür sollten die Provider „selbst eine Haftung und eine Verantwortung übernehmen, wenn Straftaten in ihrem Netz stattfinden.“

Auf den Gedanken kam er, nachdem ein 17-Jähriger in der Nähe von Würzburg am Montag mit einer Axt und einem Messer fünf Menschen in einem Zug schwer verletzt hatte. Er soll sich über das Internet radikalisiert haben. De Maizières Ursache-Lösung-Logik ist nun: Dann müssen die Provider dafür sorgen, dass die Menschen solche Inhalte nicht mehr zu sehen bekommen. Er macht den Internetanbietern klare Vorwürfe: „Das ist schwierig, die Anbieter sind oft nicht in Deutschland, die sagen, wir sind neutral, es gibt Meinungsfreiheit, wir können das nicht beurteilen, das ist eine Sprache und so weiter. Ich halte das nicht für überzeugend.“

Die Telekom bemüht sich zunächst um thematische Klarheit: „Illegale Inhalte können nicht die Netzbetreiber löschen, sondern die Anbieter der Plattformen, auf denen die Inhalte angeboten werden, also Hostprovider“, erklärt der Sprecher. Es gebe bereits verstärkte Selbstregulierungsmaßnahmen, wie etwa von Anbietern sozialer Netzwerke und Suchmaschinen, sagt er weiter. „Wir gehen davon aus, dass diese gemeint sind.“ Für das Löschen gebe es bereits Regelungen im Telemediengesetz und funktionierende Prozesse zwischen Strafverfolgungsbehörden und Providern.

Bei United Internet und seiner Tochter 1&1 stößt die Forderung ebenfalls auf Unverständnis. Für die Haftung von Hosting-Anbietern gebe es heute schon klare Regelungen, erklärt das Unternehmen. Wenn sie von strafbaren Inhalten auf ihren Servern mitbekämen, müssten sie diese vom Netz nehmen – und das funktioniere schon seit vielen Jahren. „Was aber nicht geht“, wird ein Sprecher deutlich, „ist, dass wir aktiv in den Daten unserer Kunden herumschnüffeln – das wäre ein klarer Verstoß gegen den Datenschutz und auch praktisch nicht zu realisieren.“

Oliver Süme, Vorstand für Politik und Recht des Verbands der Internetwirtschaft (eco), hält eine Verschärfung der Providerhaftung für reine Symbolpolitik. Die Rechtslage sei bereits jetzt völlig klar. Die Ursachen für Terroranschläge lägen in fehlender oder unzureichender Integration. Das Aufdecken und Bekämpfen von internationalen terroristischen Strukturen sei in erster Linie Aufgabe der staatlichen Ermittlungsbehörden.

Und im Gegensatz zum Innenminister hält er das Argument, es sei schwierig, die Inhalte herauszufiltern, für richtig. Eine Haftungsverschärfung bei Hasspropaganda im Netz bringe nichts, da Provider in der Praxis bisweilen große Schwierigkeiten bei der Einschätzung hätten, ob es sich tatsächlich um illegale Inhalte handele. Das Internet lasse sich nicht mit Hilfe privater Unternehmen lückenlos überwachen. „Und das kann in einem Rechtsstaat auch nicht gewollt sein“, so Süme.

Das sieht man im Bundesinnenministerium anders. Ein Sprecher erklärte, den Plattformbetreibern sei bekannt, dass terroristische Gruppierungen das Internet intensiv zur Propaganda und zur Radikalisierung und Rekrutierung von Anhängern nutzen. Und sie würden bereits einiges dagegen tun. „Dennoch entfernen die Unternehmen solche rechtswidrigen Inhalte aber in der Regel erst dann von ihren Plattformen, wenn sie von Nutzern oder Behörden darauf hingewiesen werden“, so der Sprecher weiter. „Deshalb sind auch weiterhin noch zu viele solcher Inhalte abrufbar. Dieser Zustand kann nicht einfach hingenommen werden, die fatalen Konsequenzen sind offensichtlich.“

Deswegen müssten die Unternehmen mehr Verantwortung dafür übernehmen, „zuallererst freiwillig und im Bewusstsein ihrer gesellschaftlichen Verantwortung“. Die Unternehmen, die mit ihren Seiten viel Geld verdienen, müssten wie jedes andere Unternehmen vor allem selbst für die Einhaltung ihrer eigenen Nutzungsbedingungen und der deutschen Gesetze sorgen. Sollte das nicht funktionieren, habe der Koalitionsausschuss bereits im April 2016 festgelegt, dass man die Möglichkeiten einer europarechtlichen Verschärfung der Haftung der Host-Provider für Inhalte prüfen werde.

De Maizière hatte auch erklärt, dass es intensive Gespräche mit den Providern zu diesem „ärgerlichen“ Thema gebe. Zumindest bei einem großen deutschen Anbieter, ist davon jedoch nichts bekannt. Das Bundesinnenministerium teilte mit, man befinde sich mit den „großen Plattformbetreibern“ in einem fortlaufenden Dialog.

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