Toshiba-Chef und der Bieterkampf „Wir brauchen noch mehr Zeit“

Bilanzskandal, Börsen-Abstieg und grobe Management-Fehler: Toshiba-Chef Satoshi Tsunakawa gelingt es nicht, den Technologiekonzern aus der Krise zu führen. Auch der Verkauf der Chipsparte droht zu scheitern.

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Konzernchef Satoshi Tsunakawa bittet die Aktionäre mit einer Verbeugung um Entschuldigung. Quelle: imago/Kyodo News

Tokio Der angeschlagene japanische Technologiekonzern Toshiba kommt beim Verkauf seiner Speicherchipsparte nicht so schnell voran wie erhofft. Noch am Freitag voriger Woche hatte Konzernchef Satoshi Tsunakawa versprochen, den Deal bis zur Aktionärsversammlung am 28. Juni grundsätzlich zu besiegeln. Doch am Mittwoch stand er vor den Aktionären wieder mit leeren Händen da.

Gegen eine schnelle Einigung spricht der eskalierte Streit zwischen Toshiba und seinem US-Partner Western Digital, mit dem die Japaner das wichtigste Chipwerk betreiben. Die Amerikaner wollen die Einheit selber übernehmen und sind der Ansicht, dass ein Verkauf ihre Zustimmung voraussetzt.

Der US-Konzern versucht nun, mit einer in den USA eingereichten Klage eine Veräußerung zu blockieren. In letzter Minute legte Western Digital zudem am Dienstag erneut ein Gebot für die Chipeinheit vor. Toshiba holt nun zum Gegenschlag aus und kündigt eine Klage gegen den US-Partner an, weil dieser den Verkaufsprozess störe. Toshiba fordert deshalb Schadenersatz über 120 Milliarden Yen – das sind fast eine Milliarde Euro.

Darüber hinaus gefährdet der Übernahmepoker den Rettungsplan des angeschlagenen Konzerns. Die Japaner wollen ihre lukrativste Sparte für rund 16 Milliarden Euro verkaufen, um die Verluste ihres bankrotten US-Atomkraftwerksbauers Westinghouse auszugleichen. Der finanzielle Fall-Out der atomaren Krise hat das Eigenkapital Toshibas fast um fünf Milliarden Euro ins Minus gedrückt.

Toshiba hatte vorige Woche ein Konsortium aus dem halbstaatlichen japanischen Rettungsfonds Innovation Network Corp. of Japan, Japans Entwicklungsbank, dem Private-Equity-Fonds Bain Capital und dem südkoreanischen Chiphersteller SK Hynix als bevorzugten Partner ausgewählt. Andere Interessenten wie Western Digital und der Auftragsfertiger Foxconn aus Taiwan könnten daher leer ausgehen. 

Am Mittwoch musste sich Toshiba-Chef Tsunakawa wieder für eine Verzögerung entschuldigen. „Wir brauchen noch mehr Zeit, um Meinungsunterschiede zwischen den Mitgliedern des Konsortiums zu glätten“, sagte er. 

Doch das Zeitfenster ist klein. Denn bis zum Ende des Bilanzjahres im März 2018 muss der Verkauf abgewickelt sein, kartellrechtliche Verfahren in mehreren Ländern eingeschlossen. Ansonsten droht Toshiba ein weiteres Jahr mit negativem Eigenkapital und damit ein Rauswurf aus der Börse. 

So bleibt der Ausgang des Bieterstreits weiterhin offen – vor allem weil Western Digital an einer harten Haltung festhält. Die Amerikaner glauben, dass ihnen ihr Joint-Venture-Vertrag ein Zustimmungsrecht bei der Partnerwahl zusichert. Toshiba vertritt die entgegengesetzte Meinung.

Außerdem befürchtet Western Digital, dass Know-how an seinen Rivalen SK Hynix abfließen könnte. Foxconn-Chef Terry Gou macht sich daher noch Hoffnung, als lachender Dritter aus dem Streit hervorzugehen. Vorigen Freitag stufte er seine Siegeschancen noch auf 50 Prozent ein. 

Die Bieterschlacht ist nicht die einzige Hängepartie, die der Toshiba-Chef den Aktionären zumutet. Nach mehrfachem Aufschub kann er ihnen immer noch keine testierte Jahresbilanz vorlegen. Bislang weigern sich die Prüfer von PwC, ihre Unterschrift unter den Bericht zu setzen. Erst am 10. August soll der Jahresabschluss fertig sein, versprach Tsunakawa zuletzt. Als Stichtag gilt allerdings der 30. Juni. 


Der Toshiba-Konzern ist für institutionelle Investoren tabu

Die Börse in Tokio strafte den Konzern daher vorige Woche mit einem Zwangsabstieg. Ab dem 1. August wird die Aktie des 141 Jahren alten Traditionskonzerns statt in der ersten in der zweiten Börsenliga gehandelt. Damit fliegt Toshiba aus Aktienindizes, wie etwa dem Nikkei und dem Topix. Die Folge: Fürs Erste ist der Toshiba-Konzern dann für institutionelle Investoren tabu. 

Doch es kann noch schlimmer kommen: Die Börse in Tokio hat Toshiba mit einem Delisting gedroht, wenn der Konzern nicht bis zum Ende des Bilanzjahres im März 2018 ein positives Eigenkapital ausweisen kann. Offen ist noch, ob Toshibas Aktie überhaupt noch so lange im Handel bleibt. Die Börse prüft derzeit, ob Toshiba nach einem Bilanzskandal aus dem Jahr 2015 seine Unternehmensführung ausreichend reformiert hat. Fällt das Urteil negativ aus, könnte die Aktie ebenfalls von der Börse geworfen werden. 

Dementsprechend schlecht war die Stimmung auf der Jahreshauptversammlung. Der Toshiba-Konzern hatte die Aktionäre vor die Tore Tokios ins Messezentrum Makuhari geladen. Zweieinhalb Stunden musste die Führungsriese Fragen der verärgerten Anteilseigner beantworten.

Normalerweise dauern die Aktionärstreffen in Japan im Schnitt weniger als zwei Stunden. Einige Aktionäre forderten radikale Reformen der Unternehmenskultur und den Rauswurf altgedienter Kader. Trotz der Kritik wählten die Aktionäre Satoshi Tsunakawa dann doch wieder zum Vorstand. Er darf weiterhin versuchen, den Konzern aus der Krise zu führen.

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