Toshiba Tech-Konzern bettelt bei Banken

Bilanzchaos, Milliardenverlust und Ausverkauf wichtiger Sparten: Der Toshiba-Konzern steckt tiefer in der Krise als gedacht. Das Sorgenkind der Japan AG versucht durch Bettelei bei mehreren Banken Zeit zu schinden.

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Chef Satoshi Tsunakawa kündigte unerwartet an, dass Toshiba auf der Suche nach Kapital die Mehrheit oder gar alle Anteile der Chipsparte verkaufen könnte. Quelle: Reuters

Tokio Was die Bettelei bei Banken angeht, hat die Führungsriege von Toshiba mittlerweile Übung. Am Mittwoch sprachen Topmanager des japanischen Traditionskonzerns bei mehreren Banken und Versicherern vor. Berichten zufolge wollten sie die Aussetzung von Kreditvereinbarungen, die diesen Monat auslaufen, bis Ende März verlängern lassen.

Der Toshiba-Konzern kommt nicht zur Ruhe. Der Tech-Konzern konnte am Dienstag wegen eines Bilanzskandals und neuen Abschreibungen seine Quartalsskandalen nicht fristgerecht vorlegen – und bat die Börse um einen Monat Aufschub. Doch kurze Zeit später veröffentlichte der Konzern dann doch überraschend eine noch nicht geprüfte Bilanz.

Radikale Ideen, wie die Firma gerettet werden könnte, wurden laut, schockierten Anleger wie Mitarbeiter gleichermaßen. Chef Satoshi Tsunakawa kündigte unerwartet an, dass Toshiba auf der Suche nach Kapital die Mehrheit oder gar alle Anteile der Chipsparte verkaufen könnte. Bisher wollten die Japaner nur 20 Prozent der Anteile verkaufen, um die Kontrolle an ihrer profitabelsten Sparte zu behalten.

Denn viele Anleger halten nur noch Toshiba-Papiere wegen der Nand-Speicher, die etwa in Smartphones verbaut werden. Bei diesen Produkten zählt Toshiba zu den weltweiten Marktführern. Der Aktienpreis gab am Mittwoch um weitere neun Prozent nach. Der Konzern ist im Vergleich zum Vorjahr weniger als die Hälfte wert. Damals machten die Japaner ihre Bilanzschummelei öffentlich.

Doch der Imageschaden für den Toshiba-Konzern ist offenbar größer als zunächst angenommen: Die Wertberichtigung von 5,9 Milliarden Euro für die US-Atomsparte Westinghouse werde das Unternehmen bis März des laufenden Bilanzjahres 3,2 Milliarden Euro in die Verlustzone drücken, heißt es.

Dabei handelt es sich um den zweiten Milliardenverlust in Folge für den Toshiba-Konzern. Schlimmer noch: Ohne das Einwerben von frischem Kapital erwartet der Konzern Ende März sogar einen negativen Firmenwert von 1,3 Milliarden Euro. Shigenori Shiga, Chef des Verwaltungsrates von Toshiba, trat am Dienstag von seinem Amt zurück.

Auch die Gefahr, dass der Toshiba-Konzern von der Börse in Tokio genommen wird, steigt. Seit Bekanntwerden des Skandals wird der Konzern schon als Kandidat, dem der Börsenrauswurf droht, gelistet. Die einzige Ausweg: Das Unternehmen muss schleunigst sein Finanzgebahren verbessern. Mit der Bitte, die Veröffentlichung der Quartalszahlen zeitlich aufzuschieben, hat der Toshiba-Konzern den Aufsehern allerdings noch mehr belastendes Material geliefert.

Auslöser sind Berichte eines „Whistleblowers“, der auf Probleme bei der firmeninternen Compliance hingewiesen hat. Westinghouse soll bei der Taxierung des Preises für das Bauunternehmen CB&I Stone & Webster Fehler gemacht haben. Dieser Zukauf ist schuld an der Wertberichtigung. Denn wegen einer Kostenexplosion bei zwei Atomkraftwerksprojekten in den USA ist das Unternehmen weniger Wert als Toshiba ursprünglich angenommen hatte.


Das Wort „Zerschlagung“ macht die Runde

Darüber hinaus gibt es Gerüchte, dass Westinghouse-Manager Druck ausgeübt hätten, etwa während der jüngsten Untersuchung. Der Toshiba-Konzern teilte mit, dass das Unternehmen einen weiteren Monat für eine Überprüfung der Ergebnisse benötige. Aber Analysten sehen darin einen Beweis, dass falsche Buchhaltung verbreitet ist.

Entsprechend harsch fällt das Urteil der Analysten aus, die bis Mitte Dezember vergangenen Jahres an die Wiederauferstehung des Konzerns geglaubt hatten. „Die Aussichten Toshibas werden immer unsicherer“, meint Yu Yoshida von der Deutschen Bank Tokio.

Ein Grund sind die Finanzen. „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kosten im Laufe der Untersuchungen noch weiter steigen werden,“ warnt Yoshida. So macht das Wort „Zerschlagung“ die Runde. Nicht von ungefähr: Der Konzern hat bereits einen Teil seines Portfolios, etwa die Haushaltsgerätesparte, verkauft. Doch mit einem Verkauf der Chipsparte wäre auch der Sanierungskurs Tsunakawas nach noch nicht einmal einem Jahr Geschichte.

Tsunakawa sah die „Halbleiter“ wie die „Kraftwerke“ als Zukunftsbereiche des Toshiba-Konzerns. Doch nun bricht ihm nicht nur der wichtigste Gewinnbringer weg. Hinzu kommt, dass das Atomgeschäft radikal schrumpfen soll. Das Unternehmen soll sich demnach aus dem finanziell riskanten Bau von Atomkraftwerken zurückziehen und sich künftig auf Design, Ingenieursleistungen, Unterhalt und das Brennstoffgeschäft konzentrieren.

Noch haben die Banken allerdings die Hoffnung nicht aufgegeben, ihr Geld zurückzubekommen. Der Wirtschaftszeitung Nikkei zufolge werden sich die Geldhäuser dafür entscheiden, die Kredite bis Ende März zu verlängern. Doch für den Toshiba-Konzern hat damit – ein Jahr nach dem 140-jährigen Bestehen – die Sinnkrise erst begonnen.

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