TV-Drama Warum das Fernsehen sterben wird

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Alleinstellungsmerkmal Events

Auf der anderen Seite wird das lineare Fernsehen versuchen, sich auf seine Stärken zu konzentrieren, vor allem auf spannende Live-Berichterstattung. Sportveranstaltungen oder aktuelle politische Geschehnisse zählen zu seiner Domäne. „Events“ haben das Potenzial, für ARD und Co. zum Alleinstellungsmerkmal zu werden. Außergewöhnliche Ereignisse, deren Reiz in ihrer Visualität besteht, erschaffen Momente, in denen lineares Fernsehen seine Vorteile ausspielen kann.

Aber die Rechte an großen Veranstaltungen wie Olympischen Spielen oder Fußballweltmeisterschaften werden immer teurer. Die Olympischen Spiele nach 2018 sind in Europa schon an den amerikanischen Konzern Discovery gegangen und werden nicht mehr exklusiv über ARD und ZDF ausgestrahlt werden.

Im Teufelskreis gefangen

Auch deshalb müssen die Sender in Zukunft solche Events stärker als bisher selbst kreieren. Darum gibt es schon jetzt eine zunehmende Zahl von Castingshows und ähnlichen Sendungen wie den „Eurovision Song Contest“. Die Sender können ihre eigene Marke erschaffen und frei entscheiden, wann und wie häufig ihre Programme ausgestrahlt werden. Das Fernsehen der Zukunft wird deshalb noch mehr als heute von Shows geprägt sein, die „Deutschland sucht den Superstar“, „Germany’s next Top model“ oder „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ heißen.

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von Jürgen Berke

Was uns also im klassischen, linearen Fernsehen schon bald droht, ist eine Mischung aus Bügelfernsehen und Castingshows.

Den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland ist es derzeit gesetzlich nicht erlaubt, ihre Sendungen länger als sieben Tage im Internet bereitzustellen, aber sie hätten aufgrund ihrer Gebührenfinanzierung die Chance, sich aus dem Rennen um die größtmögliche Einschaltquote zu verabschieden. Das haben sie bisher nicht getan. Es ist auch nicht anzunehmen, dass sie die Gelegenheit dazu in Zukunft wahrnehmen werden. Im Gegenteil, ARD und ZDF legen die Quote als Überlebensmaßstab an. Sie wollen auf keinen Fall die magischen zehn Prozent unterschreiten. Denn dann, so die Angst, würde die Diskussion über die Rundfunkgebühren erst recht losgehen. Der Vorstoß der CSU, ARD und ZDF unter einem Dach zusammenzulegen, schürt solche Befürchtungen in den Sendeanstalten zusätzlich. Also werden sie auch in Zukunft auf hohe Zuschauerquoten setzen. Der Teufelskreis bleibt weiter bestehen.

Die wichtigsten Anbieter im Online-Fernsehen

ARD und ZDF erklären für ihr fiktionales Programm zwar schon seit einigen Jahren, dass sie nun ebenfalls anspruchsvolle Formate entwickeln wollen. Und tatsächlich wurden, nachdem der gute Ruf der amerikanischen Serien bis nach Deutschland gedrungen war, auch hierzulande einige Serien mit Anspruch auf Originalität produziert. Doch leider handeln die Verantwortlichen nach der Devise „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Denn entscheidend für die Serien in Amerika ist, dass die Autoren bestimmen, was und wie erzählt wird. Hierzulande beharren die Produzenten und Sendervertreter jedoch immer noch auf ihre Entscheidungshoheit. Sie bestimmen, was gedreht und gezeigt wird, weil sie glauben, dramaturgisch ausgebildeter und kreativer zu sein als die Autoren. In den meisten Fällen handeln sie aus der Furcht heraus, eine schlechte Quote zu erzielen. Angst ist aber für neue Initiativen noch nie ein guter Ratgeber gewesen. Innovationen können nur von kreativen Geistern geschaffen werden! Und die brauchen einen sehr großen Freiraum. Wenn aber die Möglichkeiten zur kreativen Entfaltung aus Furcht vor Risiken eingeschränkt werden, dann wird es nichts mit einem neuen, spannenden Fernsehen. Wie sang Janis Joplin doch schon vor mehr als 35 Jahren: „Freedom is just another word for nothing left to lose.“

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