TV-Drama Warum das Fernsehen sterben wird

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Revolution in den Sendeanstalten

Sollten die Sender auch weiterhin auf Filme und Serien setzen, die das vermeintlich größte Publikum versprechen, gäben sie den Kampf um die jungen und die anspruchsvollen Zuschauer vollends auf. Denn der größte Teil dieser Zielgruppen wird dann zu den Streamingdiensten oder anderen Anbietern wie YouTube gewechselt sein. Schon heute weiß kaum ein Jugendlicher mehr etwas mit ARD und ZDF anzufangen. Die Öffentlich-Rechtlichen werden bald nur noch in Seniorenheimen und auf Kreuzfahrtschiffen gern gesehen, wenn sie nicht eine radikale Umkehr vornehmen.

Wie sähe diese Revolution in den Sendeanstalten aus? Die Verantwortlichen müssten erkennen, dass fiktionale Produktionen von unabhängigen Kreativen geschaffen werden, die nur dann wirklich spannende und herausragende Qualität liefern können, wenn sie nicht gezwungen werden, sich dem vermeintlichen Publikumsgeschmack anzupassen. Die Senderchefs müssten ein Verständnis dafür entwickeln, dass der Markt fragmentiert ist. Der Anspruch, möglichst viele zu erreichen, ist heutzutage verfehlt. Die Sender bräuchten eine auf längere Sicht geplante Qualitätsoffensive. Jeder Sender müsste von den Aufsichtsgremien aufgefordert werden, ein Konzept für eine solche Offensive zu entwickeln. Dieser Plan sollte nicht nur von Mitarbeitern der Fernsehanstalten erarbeitet werden, sondern die entscheidenden Kreativen integrieren. Was die öffentlich-rechtlichen Sender benötigen, ist eine Agenda 2025, die die Rahmenbedingungen für nachhaltige und positive Entwicklungen festlegt.

Im Mittelpunkt stünden ein neues Selbstverständnis und der Entwurf einer Strategie. Zwar sind die Sender schon heute (durch die EU) gezwungen, Leitlinien zu verfassen. Die deutschen Fernsehanstalten lassen jedoch die Gelegenheit, sich inhaltlich nachhaltige Entwicklungen zum Ziel zu setzen, ungenutzt verstreichen, indem sie die schon laufenden Projekte auflisten.

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So formulierte die ARD für die Jahre 2015/16: „Am Donnerstagabend wird Das Erste mit unterhaltenden und spannenden Serien (im Wechsel mit Spielshows) aufwarten. Unter anderem werden hier neben weiteren Folgen der ,Mordkommission Istanbul‘ und von ,Kommissar Dupin‘ auch neue Serien zum Einsatz kommen, so zum Beispiel ,Der Metzger‘ nach der österreichischen Bestseller-Reihe von Thomas Raab, in der Robert Palfrader als kauziger, schrulliger und eigenbrötlerischer Restaurator skurrile Fälle in Österreich löst, oder ,Die Diplomatin‘ mit Natalia Wörner in der Hauptrolle einer Diplomatin, die Bundesbürgern hilft, die im Ausland in existenzielle Not geraten.“ Sieht so ein zukunftsträchtiges Konzept aus?

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Die BBC hingegen hat ihre Leitlinie mit dem sinnfälligen Titel „Delivering Quality First“ überschrieben. Darin heißt es: „Die Sendungen der BBC sollten unverwechselbar sein. Die BBC sollte regelmäßig Produktionen ausstrahlen, die neue Wege entwickeln, frische Ansätze wählen, Trends setzen und kreative Risiken im Bereich Drama, Komödie und Unterhaltung eingehen.“

Die Agenda 2025 von ARD und ZDF sollte ehrgeizige Ziele entwickeln, für die deutsche Zuschauer bereit sind, mehr als 200 Euro Rundfunkbeitrag im Jahr zu bezahlen. Nur so wird es den deutschen öffentlich-rechtlichen Sender gelingen, international erfolgreiche Formate wie die anderer europäischer Sender („Sherlock“, „Downton Abbey“, „Borgen“ und „Gomorrha“ et cetera) zu produzieren. Andernfalls werden sich nur noch die Älteren nostalgisch an ARD und ZDF erinnern können, weil die Sender von der Bildfläche verschwunden sein werden.

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