Der jüngste Fall von Lucas Flöther hat das Zeug zum Wirtschaftskrimi. In der Hauptrolle: Ein ebenso glanzvoller wie umstrittener Selfmade-Millionär, der beim Absturz einer Privatmaschine ums Leben kommt. An der Unglücksstelle wird ein Geldkoffer mit mehreren Millionen Euro gefunden. Wenige Tage später muss das Unternehmen des verstorbenen Internetgründers Insolvenz anmelden – und Flöther übernimmt das Kommando.
Was wie der Ausgangsplott eines „Tatort“-Krimis klingt, trägt beim Amtsgericht Leipzig den schlichten Titel „405 IN 1402/16“. Hinter dem Aktenzeichen verbirgt sich die Insolvenz des Unister-Konzerns, jenes Internetkonglomerats, zu dem Portale wie Ab-in-den-Urlaub.de oder fluege.de gehören. Dessen Gründer Thomas Wagner kam vor wenigen Tagen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Und das angeblich bei dem Versuch, sein Unternehmen zu retten.
Einen Rettungsplan für das Unternehmen zu finden, ist nun Flöthers Aufgabe. "Die vorläufige Insolvenz bietet vor allem kurzfristige finanzielle Sicherheit", sagte Flöther in einer ersten Stellungnahme. Es gehe darum, die Einheit des Unternehmens zu erhalten. "Auf dieser Grundlage kann sich die Unister Holding dann langfristig wieder stabil aufstellen." Die 2002 von Wagner gegründete Firma beschäftigt 1100 Mitarbeiter. Die Tochter Travel24.com ist börsennotiert.
Das Problem vor dem Flöther nun als vorläufiger Verwalter steht: Er muss zunächst dafür sorgen, dass die Geschäfte auf den Portalen weiterlaufen und die operativen Töchter aus dem Insolvenzsog herausgehalten werden. Denn sie sind der wichtigste Besitz der Holding: Tausende Reisen und Flüge buchen deutsche Urlauber dort jeden Tag. Doch meiden Kunden die Internetseiten, oder brechen die Reiseunternehmen ihre Zusammenarbeit mit den Portalen ab, bröckeln die Werte, die Flöther bei einem späteren Verkauf der Unternehmensteile heben könnten.
Unister-Chef Thomas Wagner
Thomas Wagner wurde einst als Shooting-Star der deutschen Internet-Szene gefeiert. 1978 in Dessau (Sachsen-Anhalt) geboren, studierte er nach dem Dienst bei der Bundeswehr in Leipzig Betriebswirtschaftslehre (BWL).
Nach dem Vordiplom brach der 23-Jährige das Studium ab und gründete 2002 das Onlineportal unister.de - eine Studententauschbörse. Daraus bauten er und seine Mitstreiter schnell ein Firmengeflecht aus Reise-, Finanz- und Versicherungsportalen wie fluege.de und ab-in-den-urlaub.de auf.
„Er war ein Unternehmer durch und durch“, sagt Mitgründer und Gesellschafter Daniel Kirchhof. Über Wagners Privatleben indes ist wenig bekannt. Mit Auskünften dazu hielt er sich stets bedeckt, galt als vorsichtig und pressescheu.
2012 stoppte der berufliche Höhenflug zunächst, es kam zu strafrechtlichen Ermittlungen. Ihm und drei weiteren Managern wurden unter anderem unerlaubte Versicherungsgeschäfte und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Unister wies die Vorwürfe stets zurück. Zum Prozess kam es bisher nicht, weil das Landgericht Leipzig derzeit eine weitere Anklage prüft, eine erste Anklage war nur teilweise zugelassen worden.
Zu den größten Gläubigern von Unister zählt dabei die Versicherungsgruppe Hanse Merkur. Der Konzern soll Unister 50 Millionen Euro geliehen haben und ist über den Insolvenzexperten Lars Westphal von der Wirtschaftskanzlei Freshfields im vorläufigen Gläubigerausschuss vertreten.
Flöther ist einer der meistbestellen deutschen Insolvenzverwalter
Flöther selbst zählt zu profiliertesten und meistbestellten Insolvenzverwaltern des Landes. Er ist Sprecher des Gravenbrucher Kreises, eines Zusammenschlusses überregional tätiger Insolvenzverwalter. Seine Kanzlei taucht regelmäßig im Verwalter-Ranking der WirtschaftsWoche auf.
Zuletzt führte Flöther zum Beispiel 2014 den Fahrradhersteller Mifa Sangerhausen aus der Insolvenz. Auch bei Großverfahren wie der Insolvenz des Solarmodulherstellers Sovello und 2006 bei der Pleite der Wohnungsbaugesellschaft Leipzig-West AG war Flöther im Einsatz. Schon damals konnte Flöther Erfahrung mit aufmerksamkeitserregenden Fällen sammeln: Die Insolvenz der Leipzig-West AG war einer der größten Anlegerskandale in Deutschland, bei der mehr als 38.000 Anleger ihr Geld verloren.
Auch jetzt dürfte auf den Juristen erhebliche Aufklärungsarbeit zukommen. Unister gilt schon seit Jahren als wirtschaftlich angeschlagen. Um wieder Geld in die Kassen zu holen, wollte sich Konzerngründe Thomas Wagner sogar von seinen stärksten Marken „Ab-in-den-Urlaub.de“ und „Fluege.de“ trennen. Er bündelte die Reiseportale in einer neuen Tochter "Unister Travel" und holte den ehemaligen FTI-Manager Boris Raoul, um den Geschäftsbereich zu verkaufen. Doch trotz vieler Interessenten, einig wurde sich Wagner mit keinem der Käufer. Stattdessen mehrten sich die Spekulationen über einen möglichen Börsengang der Travel-Sparte. Entnervt von dem vielen Hin und Her verließ schließlich auch Raoul das Unternehmen.
Doch derlei Hickhack dürfte Flöther zunächst kaum interessieren. Erst wenn sich die Lage bei Unister stabilisiert hat, beginnt die Aufarbeitung der Unternehmenshistorie. Spätestens dann dürfte auch der ominöse Geldkoffer ins Visier des Verwalters rücken.