United Internet-Chef Dommermuth Wie dieser Mann die Deutsche Telekom angreift

United Internet errichtet ein Glasfasernetz für schnelles Internet. Damit fordert er den Marktführer heraus – also keinen Geringeren als die Deutsche Telekom. Die Geschichte einer Offensive.

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Ralph Dommermuth greift mit United Internet die Deutsche Telekom frontal an. Quelle: imago images

Der Bagger buddelt einen zehn Meter langen Graben in den Boden, dann legt Baustellenleiter Ulrich Lücke ein Glasfaserkabel in die Erde, anschließend schaufelt er das Loch wieder zu. Schon gibt es für das im Technologiepark der Dortmunder Universität ansässige Planungsunternehmen Assmann die technisch schnellstmögliche Verbindung zum Internet – und einen Kunden mehr für Lückes Auftraggeber. Der ist nicht wie sonst, wenn es um Leitungen geht, die Deutsche Telekom, sondern United Internet aus Montabaur.

Dessen Vorstandschef und Gründer Ralph Dommermuth hat in den vergangenen drei Jahrzehnten eine der erstaunlichsten deutschen Erfolgsgeschichten geschrieben. 1988 legte er als Zwei-Mann-Bude los, schlug einen ganz anderen Weg ein als die anderen Telekommunikationsunternehmen, indem er ohne eigene Infrastruktur und Leitungen in den Kundenbeständen der großen Anbieter wilderte und so Stück für Stück in ungeahnte Größenordnungen wuchs.

Heute spielt Dommermuths weit verzweigtes (United-)Internetreich mit Marken wie 1&1, GMX und Web.de in der ersten Liga und darf sich „Europas Internet-Spezialist Nummer eins“ nennen. Im Jahr 2015 machte der Konzern mit über 8000 Mitarbeitern an weltweit 40 Standorten knapp vier Milliarden Euro Umsatz. Und das soll nur ein Zwischenschritt sein. Anfang November etwa holte Dommermuth den Finanzinvestor Warburg Pincus mit Ex-Telekom-Chef René Obermann als neuen Gesellschafter der Sparte Unternehmensanwendungen an Bord, der für 450 Millionen Euro ein Drittel der Anteile übernimmt. Mit Obermann als Investor und Kai-Uwe Ricke als Aufsichtsrat gehören jetzt gleich zwei ehemalige Telekom-Chefs zu seinen Verbündeten. Mit beiden zusammen will Dommermuth nun ein neues Kapitel in der Geschichte von United Internet aufschlagen – passenderweise auf Kosten der Deutschen Telekom.

Die Länder mit dem schnellsten Internetzugang der Welt

Denn Dommermuth hat den Ausbau von Glasfaserleitungen, die schnellstmögliche Internetverbindungen garantieren, als Geschäft für sich entdeckt. Damit greift der 52-Jährige den Platzhirsch in seinem ureigenen Revier an. Das ist umso bemerkenswerter, weil der Milliardär sein Reich bisher auf den Leitungen der Telekom, zu denen er lediglich Zugänge verkaufte, aufgebaut hat. Auch heute noch ist Dommermuth einer der größten Telekom-Kunden. Über eine Milliarde Euro überweist das Unternehmen jährlich für die Nutzung der Infrastruktur.

Doch jetzt will sich Dommermuth absetzen und nicht länger der böse Trittbrettfahrer sein. Er strebt das für einen Mittelständler wie ihn größte Ziel an: die Abhängigkeit von der Telekom reduzieren.

Angriff auf Raten

Die Weichen stellte er bereits vor zwei Jahren. Im September 2014 hatte United Internet den Glasfaserbetreiber Versatel übernommen. Das in Düsseldorf ansässige Unternehmen war aus den Telekomtöchtern diverser Stadtwerke hervorgegangen und ist dadurch mit einer Gesamtlänge von 41.000 Kilometern der zweitgrößte Glasfasernetzbetreiber in Deutschland geworden. Glasfaser, das muss man wissen, gilt in der Branche als das Leitungsmaterial der Zukunft. Anders als die Kupferleitungen, mit denen die Telekom in aller Regel ihre Kunden mit dem Internet verbindet, kann Glasfaser im Prinzip unbegrenzte Mengen an Daten transportieren. Wer als Erster ein großes Glasfasernetz in Deutschland besitzt, kontrolliert den Weg für viele Kunden in eine digitale Zukunft.

Dem Breitband auf der Spur - schnelles Internet, aber wie?

„Was will er denn damit?“, unkten trotzdem damals Branchenexperten und stellten Dommermuths sonst so gutes Gespür für lohnende Investments infrage. Der Milliardär suchte zwei Jahre nach einem Dreh, wie er ohne allzu hohe finanzielle Risiken aus dem Glasfasernetz ein profitables Geschäft aufbauen kann. Denn groß geworden ist Dommermuth im Massengeschäft mit günstigen Internet-Flatrates für Privatkunden, die zuerst auf den Preis schauen.

Ein Gründer mit harter Hand

Viel lukrativer sind im Vergleich dazu die Geschäftskunden, deren Bedarf für Glasfaseranschlüsse rasant wächst und die für den schnellsten Datentransport auch einen Aufpreis zahlen. Mit solch einem Angebot will Dommermuth nun vor allem Mittelständler vom Exmonopolisten weglocken.

„Der Ausbau leistungsfähiger Glasfasernetze und der direkte Anschluss von Büros und Produktionsstätten ist unverzichtbar auf dem Weg in die Gigabit-Zeit“, wirbt Dommermuth für seinen Plan. Bei Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel kam der Vorstoß so gut an, dass Dommermuth die Werbebroschüre des Ministeriums für die „Digitale Strategie 2025“ ziert und nicht Telekom-Chef Timotheus Höttges.

Der vertraut bisher darauf, dass 95 Prozent aller Unternehmen auch im Jahr 2025 ein vergleichsweise behäbiger Internetanschluss auf Kupferkabelbasis reicht. Deshalb hat er den Ausbau von Glasfaserleitungen bis in die Gebäude vertagt. United-Internet-Manager halten das für rückständig: „Mit Rücksicht auf die Telekom kleben wir viel zu lange am alten Kupferkabel fest, obwohl allen Beteiligten klar ist, dass das nur eine Übergangslösung ist“, sagt der für das Geschäft mit Internetanschlüssen verantwortliche Vorstand Martin Witt.

So nehmen Internet-Portale ihre Nutzer aus
Gegen die Portale des Internet-Unternehmens Unister, Betreiber populärer Websites wie ab-in-den-urlaub.de, fluege.de und Preisvergleich.de, werden immer wieder Vorwürfe laut. Zuletzt berichtet die Zeitschrift Computerbild von weitreichenden Manipulationen, um Nutzer über den Tisch zu ziehen. Laut Heise Online widerspricht das Unternehmen den Vorwürfen teilweise und geht rechtlich gegen den Bericht vor. Die Computerbild wiederum bleibt bei ihrer Darstellung. Im Folgenden ein Überblick über die Maschen von Abzockern im Internet. Quelle: www.fluege.de
Klickfallen bei der FlugbuchungNutzlose Services wie eine Umbuchungs-Option oder eine Reiseschutzversicherung auf Flugportalen sind vorausgewählt und müssen erst manuell abgewählt werden. Eine derartige „Opt-Out-Regelung“ bei Buchungen über das Internet sind nicht zulässig. Quelle: dpa
Frei erfundene PreissenkungenImmer wieder fallen einzelne Anbieter durch frei erfundene Preissenkungen auf. Das ist wettbewerbswidrig. Ein Sonderangebot muss auch eine echte Preissenkung sein, das Produkt muss also regulär zu einem höheren Preis zu haben sein. Ein weiterer Trick: Service-Gelder, die bei einer Buchung versteckt aufgeschlagen werden. Quelle: dpa
Frei erfundene GebührenIntransparenz beim Preis ist für manches Online-Flugbuchungsportal die Strategie, um bei Preissuchmaschinen den günstigen Preis vorzutäuschen. Im letzten Buchungsschritt wird teilweise eine willkürliche „Servicepauschale“ von 20 bis 30 Euro aufgeschlagen. Dabei sind Flughafengebühr und Mehrwertsteuer in dem Preis bis dato bereits eingerechnet. Quelle: dpa
Falsches FlirtenEinem aktuellen Bericht der Computerbild zufolge arbeitet ein großes Dating-Portal mit computergenerierten Profilen. Doch damit nicht genug: Tausende Nutzer würden gefälschte Flirt-Nachrichten erhalten, um sie zu weiteren Abo-Abschlüssen zu bewegen. Die Vorwürfe sind nicht neu: Gegen die Fake-Profile hatte der Konkurrent eDarling eine einstweilige Verfügung gegen das Portal Partnersuche.de von Unister erwirkt, in der dem Unternehmen untersagt wird, weiterhin gefälschte Mitgliederprofile anzulegen und damit echte Mitglieder anzuschreiben. Die falschen Flirt-Nachrichten hatten offenbar das Ziel, Nutzer zum Abschluss einer Premium-Mitgliedschaft zu animieren. Quelle: www.partnersuche.de

Dommermuth hat in der Vergangenheit immer wieder davon profitiert, dass er Markttrends schnell erkannt und daraus massentaugliche Produkte entwickelt hat. Das klappte auch deshalb so gut, weil er sein Unternehmen immer noch wie einen Familienbetrieb führt. Durch zahlreiche Übernahmen sind die Strukturen über die Jahre allerdings so wild gewachsen, dass sie außer dem Chef kaum noch jemand wirklich durchdringt. In seinem Reich soll nur einer entscheiden: Dommermuth selbst.

Nur ein Tochterunternehmen hat einen Betriebsrat

Schließlich gehören ihm immer noch 40 Prozent der Aktien an dem Konzern, den die Börse aktuell mit knapp acht Milliarden Euro bewertet. Persönlich tritt der Unternehmer kaum in Erscheinung, nach außen wirkt er vor allem über Stiftungen wie die Plattform „Wir zusammen“, die die Integration von Flüchtlingen fördern soll und die Internet Economy Foundation, mit der er für „Europas digitale Zukunft“ kämpft.

Den Wunsch mancher Mitarbeiter nach mehr Mitbestimmung etwa hat er im Keim erstickt. So findet sich im dreiköpfigen Aufsichtsrat der United Internet AG bis heute kein Vertreter der Mitarbeiter, obwohl das für Unternehmen ab 2000 Mitarbeitern gesetzlich vorgeschrieben ist. Und als die Angestellten eines Callcenters im rheinland-pfälzischen Zweibrücken die Arbeitsbelastung nach massiven Überstunden und kurzfristig angeordneter Wochenendarbeit als „moderne Sklaverei“ anprangerten und einen Arbeitnehmervertreter wählen wollten, drohte er damit, den Standort zu schließen. Ein Betriebsrat würde die „Reaktionszeiten verlängern und sich negativ auf unser Tagesgeschäft auswirken“, teilte der Standortleiter mit. Als auch noch den Initiatoren gekündigt wurde, ließen die Angestellten das Projekt fallen.

Die Deutsche Telekom kann dank ihrer starken US-Tochter weiter zulegen. Weil das Kundenwachstum bei der US-Mobilfunksparte T-Mobile US nach wie vor groß ist, kletterte der Umsatz des Konzerns im dritten Quartal.

Als einziges Tochterunternehmen hat der Glasfaserbetreiber 1&1 Versatel einen Betriebsrat. Das Tochterunternehmen wirkt nicht nur deshalb wie ein Fremdkörper im Dommermuth-Reich. Versatel kann seine Wurzeln als Ansammlung von Kommunalbetrieben aus mehreren Bundesländern bis heute nicht verleugnen. Hier geht alles gemächlicher und mitunter auch bürokratischer zu als in den anderen von Start-up-Kultur geprägten Tochterunternehmen.

Ausgerechnet Versatel ist nun das Herzstück von Dommermuths Wachstumsstrategie. In diesem und im nächsten Jahr sollen die Geschäfte langsam und mit minimalen Umsatzsteigerungen anlaufen. Doch ab 2018 soll der Umsatz von Versatel um bis zu 19 Prozent steigen – und damit weit mehr als in den anderen Geschäftsbereichen rund um E-Mails, Internetapplikationen und Mobilfunkverträge. So steht es in der Mittelfristplanung von United Internet.

Kunden beteiligen sich an Baukosten

Auch sein Geschäftsmodell hat Dommermuth so gestrickt, dass lange Anlaufverluste beim weiteren Ausbau des 41.000 Kilometer langen Glasfasernetzes vermieden werden. Traditionell legten die Telekomkonzerne bisher ihre Leitungen möglichst flächendeckend in die Erde und warten darauf, dass Kunden kommen. United Internet wird dagegen nur auf Bestellung aktiv. Erst dann rollt der Bagger an und schließt die Lücke – aber nur bei Unternehmen, die nicht allzu weit von bereits vorhandenen Glasfaserkabeln entfernt sind.

Potenzielle Kunden soll es genug geben, meint Jürgen Hernichel, der neue Chef von 1&1 Versatel. Er hat dafür eine Datenbank mit Geo- und Bedarfsdaten der über vier Millionen Gewerbetreibenden in Deutschland angelegt. Sie zeigt an, wo Gewerbegebiete und andere Ansammlungen von Unternehmen nah am bereits vorhandenen Netz liegen. Zudem hat Hernichel eine Rangliste der Gebiete mit „besonders hohem Bedarf“ und dem aus diesem resultierenden Umsatzpotenzial inklusive einer ersten Abschätzung der Ausbaukosten erstellt.

Der US-Finanzinvestor Warburg Pincus hat sich ein Drittel an der Sparte für Internet-Dienstleistungen von United Internet gesichert. Jetzt scheint auch ein späterer Börsengang der Sparte möglich.

Ganz oben auf der Liste stehen mehrere Dutzend Gebiete in mehreren Großstädten, darunter Berlin, Stuttgart und das Ruhrgebiet. „Alle Geschäftskunden, die nicht weiter als 250 Meter von unserem Glasfasernetz entfernt sind, bekommen einen neuen Glasfaseranschluss bis ins Haus verlegt, ohne einen Baukostenzuschuss zahlen zu müssen“, verspricht Hernichel. Wer weiter weg ist, kann das Angebot trotzdem nutzen, muss aber einen Teil der Kosten tragen.

Für das Unternehmen soll sich die Kostenlos-Offerte trotzdem schnell lohnen. „Manchmal reichen schon zwei Aufträge aus, damit wir ein ganzes Gewerbegebiet ausbauen können“, sagt Hernichel. Jeder verlegte Meter Kabel kostet United Internet rund 100 Euro. Neukunden zahlen im Tarif „Glasfaser direkt“ das erste Jahr 199 Euro im Monat. Danach werden monatlich deutlich happigere 499 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer fällig. Mittelfristig will United Internet auch private Haushalte an das Netz anschließen, der Zeitpunkt steht jedoch noch nicht fest. „Viele Unternehmen machen drei Schritte auf einmal und stolpern zwei Mal“, sagt Vorstand Witt. „Wir machen einen Schritt nach dem anderen.“

Der Preiskampf bei schnellen Internetanschlüssen wird immer härter. Die Telekom heizt ihn mit neuen Rabatten an. Chef Höttges will mit der Preisoffensive einen gefährlichen Trend stoppen – den Verlust von Marktanteilen.
von Jürgen Berke

Tatsächlich denken Dommermuth und seine Kollegen aber schon einige Schritte weiter. So arbeitet der Vorstand an einem neuen Modell für einen schnelleren Ausbau der Glasfasernetze. Ganz Deutschland soll dafür in mehrere, etwa gleich große Regionen aufgeteilt werden, die dann den Bau von Glasfasernetzen öffentlich ausschreiben. Eine Bewerbung würde sich auch für private Investoren lohnen, wenn sie Exklusivität zugesichert bekämen. Kein Konkurrent dürfte parallel eine zweite Glasfaserinfrastruktur bauen. Im Gegenzug müsste der Betreiber des Netzes dieses zu fairen Konditionen für die anderen Anbieter öffnen.

Dommermuth steht als Investor bereit

Sollte es so kommen, würde sich United Internet womöglich selbst um eine Region bewerben. Möglich sei aber auch, dass sich das Unternehmen auf die Rolle eines Co-Investors beschränkt und einem anderem Netzbetreiber die Führung überlasse, heißt es im Topmanagement. Wie derartige Kooperationen funktionieren, wird gerade in der Region Hamburg erprobt. Mit wilhelm.tel, dem dortigen Betreiber des größten Glasfasernetzes, arbeitet United Internet bereits zusammen. Weitere Kooperationen mit regionalen Anbietern wie Netcologne im Rheinland und M-Net in Bayern sollen folgen.

Aus den zaghaften Annäherungen könnte auch mehr werden. Sobald ein Stadtwerk mit dem Verkauf seiner Telekomsparte Kasse machen will, würde Dommermuth sofort bereitstehen, kolportieren Telekom-Manager. United Internet als Sammelbecken für regionale Glasfaserbetreiber – die Vision dürfte dem Milliardär aus Montabaur gefallen. Offiziell winken seine Vertrauten zwar ab: „So einen Plan gibt es nicht.“ Doch in der Telekombranche glaubt ihm das niemand mehr.

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