Valley Voice Snap-Atmung bei Facebook

Der 10. Mai ist für das Silicon Valley ein wichtiger Tag: Snap wird zum ersten Mal als börsennotiertes Unternehmen seine Quartalszahlen präsentieren. Die Messlatte ist nicht zuletzt auch wegen der Konkurrenz hoch.

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Axel Postinett, Korrespondent des Handelsblatts im Silicon Valley, berichtet über neue Trends und den digitalen Zeitgeist im Tal der Nerds.

San Jose So richtig Mühe gegeben, es zu verschleiern, hat sich Facebook-Chef Mark Zuckerberg wirklich nicht. Die Auftakt-Ansprache auf der jährlichen Entwicklerkonferenz F8 war eine einzige Kampfansage an Snap und den dazugehörigen Dienst Snapchat. Facebook wird die Smartphone-Kamera zu einer Plattform für „augmented reality“, angereicherte Realität, umbauen, verspricht Zuckerberg. Dabei werden in Fotos oder Videos digitale Bestandteile in die natürliche Umgebung eingebaut. War nicht gerade erst Snap als „Kamera-Unternehmen“ an die Börse gegangen?

Im Silicon Valley hat jetzt jeder den 10. Mai dick im Kalender angekreuzt. Snap wird dann zum ersten Mal als börsennotiertes Unternehmen einen Quartalsbericht vorlegen. Und der muss es in sich haben. Die Zahlen müssen zeigen, wie und ob sich das Unternehmen unter seinem Chef Evan Spiegel gegen die pausenlosen Angriffe von Instagram und Facebook erwehren konnte. Damit wird entschieden, ob es auf kurze Sicht überhaupt noch namhafte Börsengänge im Silicon Valley geben wird und ob Bewertungsabschläge für Start-ups bei anstehenden Finanzierungsrunden drohen. Der Fahrdienst Uber hat gerade erst einen Nettoverlust von 2,8 Milliarden Dollar für 2016 gemeldet. Die Stimmung im Digital-Tal ist etwas angespannt.

Die Messlatte für Snap, das Unternehmen, dem der größte Valley-Börsengang seit Facebook im Jahr 2012 und Twitter im Jahr 2013 gelungen ist, liegt also ziemlich hoch. Umsatzzahlen sind diesmal bei der Snap-Präsentation eher irrelevant. Analysten erwarten eine Verdreifachung oder mehr im Vergleich zum Vorjahresquartal. Das klingt toll, aber zählt (noch) nicht. Die einzige Währung, die wirklich zählt, sind die Nutzer. Für das zweite Halbjahr 2016 meldet der Börsenprospekt einen praktischen Stillstand beim Nutzerzuwachs. Dieses Schauspiel ist von Twitter bekannt, das Wachstum kam nicht mehr wieder. Die Aktie liegt mittlerweile fast 50 Prozent unter dem Ausgabepreis. Twitter quetscht auch immer mehr Anzeigen-Umsatz aus jedem Kunden, aber ohne zusätzliche Twitterer ist halt irgendwann Schluss.

Was noch schlimmer ist: Ein Ex-Snap-Mitarbeiter, der von Facebook weggelockt und dann nach drei Wochen bei Snap von Spiegel wieder gefeuert wurde, erhebt in einer Klage vor Gericht in Los Angeles schwere Vorwürfe. Das Snap-Management habe 2015 teilweise mit falschen Zahlen gearbeitet, teilweise Zahlen missinterpretiert und Anleger in die Irre geführt, wirft die Klageschrift vor, die im Januar eingereicht und Anfang April veröffentlicht wurde. Snap weist zwar alle Vorwürfe auf das Schärfste zurück, doch der Druck wird dadurch nur noch größer. Schlechte Erinnerungen an das Börsendesaster Groupon und dessen kreative Zahleninterpretationen werden wach.

Dazu kommen Veröffentlichungen wie die der vergangenen Woche. Die Facebook-Tochter Instagram verkündete über 200 Millionen tägliche Nutzer seiner „Story“-Funktion, eine simple Snapchat-Kopie. Snap hat zuletzt 161 Millionen tägliche Nutzer gemeldet und im Börsenprospekt unter anderem den „verschärften internationalen Wettbewerb“ für die Wachstumsabflachung verantwortlich gemacht. Die Frage ist, ob Facebook es schafft, den Druck auf Snap aufrechtzuerhalten und eine Abwanderung seiner 1,8 Milliarden Nutzer zu verhindern. Wer wechselt schon die App, wenn alle Freunde und das halbe digitale Leben schon auf einer anderen Plattform sind und die alles bietet, was der Neuling auch hat?

Aber das Silicon Valley ist halt ein Dorf, und da spricht sich alles irgendwie rum. Rein zufällig parallel zur Eröffnung der Facebook-Konferenz am Dienstag erfolgte die Vorstellung einer neuen 3D-Funktion bei Snap. Die beliebten bunten Filter und Schlappohren können jetzt interaktiv und dreidimensional auch in Bilder eingestanzt werden, die mit der rückwärtigen Smartphone-Kamera aufgenommen werden. Bisher ging das nur mit der Frontkamera. So etwas nennt man „augmented reality“. Das sollte Mark Zuckerberg bekannt vorkommen. So einfach gibt sich ein Evan Spiegel nicht geschlagen. Und die Snap-Aktie legte am Dienstag leicht zu, Facebook dagegen verlor.

Immer dienstags schreiben Britta Weddeling und Axel Postinett, Korrespondenten des Handelsblatts im Silicon Valley, über neue Trends und den digitalen Zeitgeist im Tal der Nerds.

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