Verkauf der Chipsparte Toshiba rutscht in einen Bieterkrieg

Die einstige Ikone der Japan AG will seine lukrative Chipsparte verkaufen, um ein Rumpf-Toshiba zu retten. Doch der US-Chiphersteller Western Digital will den Verkauf an andere Firmen juristisch verhindern. Toshiba drohen nun schicksalhafte Wochen.

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Japans Chipriese steckt in einer tiefen Krise. Quelle: Reuters

Tokio Der schwere japanische Krisenfall Toshiba hat schon viele Deadlines für seine Quartals- und Jahresbilanzen verpasst. Doch nun droht ein eskalierender juristischer Streit mit einem bisherigen Partner, den wichtigsten Teil von Toshibas Rettung zu verzögern: den Verkauf seiner lukrativen Chipsparte.

Der amerikanische Chiphersteller Western Digital, mit dem Toshiba ein Speicherchipfabrik zusammen betreibt, hatte bereits ein internationales Schiedsgerichts angerufen. Denn es hält den geplanten Verkauf der Chipsparte an ein anderes Unternehmen für einen Vertragsverstoß. Doch am Mittwoch amerikanischer Westküstenzeit kündigten die Amerikaner zusätzlich eine einstweilige Verfügung bei einem kalifornischen Gericht an, um das heißumkämpfte Bieterverfahren um Toshibas Tafelsilber zu stoppen.

Toshiba antwortete am Donnerstag zwar, dass das Management weiterhin bis zum 28. Juni den Deal beschließen wolle. Aber die drohende einstweilige Verfügung dürfte die Verhandlungen mit drei anderen Bietergruppen erschweren, die vom halbstaatlichen Rettungs- und Investmentfonds Innovation Network Corp of Japan (INCJ), dem US-Chiphersteller Broadcom und dem taiwanesischen Auftragsfertiger Foxconn angeführt werden.

Denn sollte das Gericht gegen Toshiba entscheiden, dürften die Gespräche „eigentlich auf Eis gelegt werden“, meint Annerose Tashiro, Leiterin der Internationalen Abteilung bei Schultze & Braun. „Denn die Käufer brauchen ja eine gesicherte Rechtsposition und müssen eindeutig wissen, dass Toshiba auch wirklich verkaufen kann, was es behauptet.“

Das Problem: Toshiba kann sich in diesem Fall keine lange Verschiebung leisten. Das Unternehmen hat die auf mindestens 16 Milliarden Euro taxierten Einnahmen aus dem Verkauf fest eingeplant. Mit dem Kapital will es nach der Pleite seiner ehemaligen US-Atomkraftwerkssparte Westinghouse rasch ein positives Eigenkapital aufzubauen und damit ein Delisting von der Börse vermeiden.

Schon finanziell ist die Aufgabe enorm: Überraschende Milliardenverluste bei Westinghouse haben Toshibas Eigenkapital im im März abgelaufenen Bilanzjahr um zwei Milliarden Euro ins Minus gedrückt. Zusätzlich drohen Toshiba noch weitere Zahlungen für zwei US-Atomkraftwerksprojekte in Milliardenhöhe.

Darüberhinaus fordern diverse Aktionärsgruppen bereits mehr als ber 100 Milliarden Yen Schadenersatz für einen früheren Bilanzskandal und die Krise der Atomsparte. Experten schätzen daher, dass Toshiba mindestens 13 Milliarden Euro aus dem Verkauf einstreichen muss, um ein Delisting sicher zu vermeiden. Die derzeit oft als Mindestangebot kolportierten 16 Milliarden Euro würden bedeuten, dass der Börsenwert von Toshibas Chipsparte auf den 18-fachen Reingewinn taxiert werden würde – ein nicht unsportlicher Wert.

Doch auch zeitlich ist es knapp. Das Zeitfenster betrage „vielleicht noch wenige Wochen, längstens ein paar Monate“, warnt Tashiro. Denn der Deal müsste bis Ende März 2018 noch global von mehreren Kartellbehörden abgenickt werden, da Toshiba nach dem südkoreanischen Konzern Samsung Electronics immerhin zweitgrößter Hersteller von Speicherchips für mobile Geräte ist. Noch ist offen, wie die Japaner sich aus der Zwickmühle befreien wollen.

Denn nachdem die Japan AG monatelang Toshiba nicht helfen wollte, mischt inzwischen die Regierung beim Verkauf mit. So ist der halbstaatliche Rettungs- und Investmentfonds Innovation Network Corporation of Japan (INCJ) zu einem der wichtigsten Mitbieter aufgestiegen, um Toshibas Knowhow bei Speicherchips in Japan zu halten.


„Team Japan“ vs. Western Digital

Eine Zeit lang schien es so, als ob der INCJ sich mit Western Digital zusammentun würde, um den Streit beizulegen. Doch die Amerikaner hätten sich als schwieriger Partner entpuppt, erklärt die japanische Wirtschaftszeitung „Nikkei“. Und so gründete der INCJ binnen weniger Tage das „Team Japan“.

Der Plan sieht vor, dass neben dem INCJ auch Japans Entwicklungsbank, der US-Investor Bain, Toshiba selbst sowie dessen Hausbanken, Südkoreas Chiphersteller SK Hynix und ein paar andere japanische Firmen sich am Kauf beteiligen.

Das Engagement des INCJ gilt anderen Bietern als Hürde. Western Digitals war schon wütend, weil Toshiba mit einem rechtlichen Kniff die Proteste der Amerikaner über den Verkauf an andere Firmen als sie selbst aushebeln wollten. Der Partnerwechsel des INCJ dürfte das Management weiter vergrätzt haben.

In einer Stellungnahme beschwerte sich der Konzernchef Steve Milligan, dass Toshibas Versuche, die Rechte seines Konzerns zu umgehen, ihm keine andere Chance als eine einstweilige Verfügung ließen. Auch Foxconn Terry Gou gibt sich frustriert, der immerhin Amazon, Apple und den Computerhersteller Dell für sein Konsortium gewonnen hat.

Er hat nach Medienberichten zwar am meisten geboten, aber nach eigener Einschätzung nur kleine Chancen. In einem Interview mit der Wirtschaftszeitung Nikkei warf er einem hochrangigen Beamten des Ministeriums für Wirtschaft, Handel und Industrie offen vor, alles zu versuchen, „unsere Bemühungen für den Kauf von Toshibas Speicherchipgeschäft zu untergraben.“ Dabei schlug er mit der Faust auf den Tisch, notieren Nikkeis Chronisten.

Der Grund: Der Beamte solle unglücklich darüber sein, dass Foxconn den schlingernden japanischen Elektronikkonzern Sharp ohne Hilfe des INCJ übernommen habe. Tatsächlich wurde Foxconns Sieg im Wettbieten um Sharp vielfach als eine Niederlage des „Team Japan“ gesehen.

Diese Mischung aus politischen und juristischen Scharmützeln ist allerdings nicht Toshibas einziger Brandherd. Mittel- und langfristig muss der Konzern entscheiden, wie er sich ohne seine zwei wichtigen Pfeiler, die Atom- und die Chipsparte, neu aufstellen kann. Doch kurzfristig ist die Börsennotierung auch von anderer Seite in Gefahr.

So verweigern die Buchprüfer von PricewaterhouseCoopers Aarata laut Nikkei weiterhin ihre Unterschrift unter die Jahresbilanz. Damit wird Toshiba wahrscheinlich auch Ende Juni auf der Aktionärsversammlung keine geprüfte Bilanz vorlegen können. Das Unternehmen will daher dem Vernehmen nach eine Verlängerung der Deadline bei der Finanzaufsicht beantragen. Dies wäre Toshibas fünfter Antrag auf eine Verschiebung der Bilanz in diesem Jahr.

Doch selbst, wenn die Aufseher dem Antrag stattgeben, droht dem Konzern der Abstieg aus der ersten in die zweite Sektion der Tokioter Börse. Denn Toshiba beendet das Jahr nach bisheriger Schätzung mit einem negativen Bilanzwert.

Doch es könnte noch schlimmer kommen: In einem gesonderten Verfahren wird die Börse Tokio darüber entscheiden, ob Toshiba seine Unternehmensführung nach einem Bilanzskandal im Jahr 2015 ausreichend reformiert hat. Fällt die Antwort negativ aus, könnte Toshibas Aktie sogar schon bald von der Börse geworfen werden. Toshibas Management stehen nervenaufreibende Wochen bevor.

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