Diese Situation hat sich in den letzten 150 Jahren nicht wesentlich geändert. Die deutsche Wirtschaft sieht sich nach wie vor national und international im Konkurrenzkampf. Diese Auseinandersetzung wird dabei nicht im kriegerischen Sinne verstanden, sondern lehnt sich an den sportlichen Wettkampf und die hier geltenden Regeln an. Nach deutscher Vorstellung wird ein Konkurrenzkampf zwangsläufig durch den gewonnen, der das bessere Produkt zum besten Preis anbietet.
Diese Erfahrung wird durch eine nationale Tradition im Eingehen von Partnerschaften und Joint Ventures verstärkt. Insbesondere im Mittelstand ist ein Konkurrent kein Feind sondern ein zukünftiger, potentieller Partner.
Die Tatsache, dass sich die deutsche Wirtschaft parallel und in vielen Teilen unabhängig vom deutschen Staat entwickelt hat, hat darüber hinaus auch Auswirkungen auf das Selbstverständnis und die Vorgehensweisen der deutschen Manager und Vorstände. Die deutsche Industrie begreift sich zum einen als souverän in ihren Entscheidungen und wird zum anderen nach anderen Traditionen und mit anderen Zielen als der Staat geführt.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass deutsche Wirtschaftslenker und Politiker davor zurückscheuen, eine wirtschaftliche Auseinandersetzung mit kriegerischen Mitteln zu führen.
In anderen Staaten bestehen keine solchen Skrupel. Das Konzept des Wirtschaftskrieges ist in den meisten Industrienationen vielmehr eine anerkannte und respektierte Handlungsweise. Mittel und Strategien des Wirtschaftskrieges werden an Universitäten gelehrt oder sogar an eigenen Fachhochschulen wie der französischen Ecole de Guerre économique in Paris vermittelt. Kein Senior Manager in London, New York oder Peking wird etwas Anrüchiges daran finden, einen Wirtschaftskrieg zu planen, um seinen Konkurrenten auszuschalten.
“Betrachten wir die Weltwirtschaft, so sieht man ein Schlachtfeld vor sich, auf dem sich die Unternehmen einen gnadenlosen Krieg liefern. Gefangene werden nicht gemacht. Wer fällt, stirbt. Der Sieger kämpft nach alterprobten kriegsstrategischen und sehr einfachen Regeln: die beste Vorbereitung, die schnellsten Bewegungen, der Vorstoß auf feindliches Terrain, gute Verbündete, der Wille zum Sieg.“ - Präsident Francois Mitterrand (April 1988)
Diese Anerkennung des Wirtschaftskrieges als legitimes – wenn auch nicht immer legales – Mittel der geschäftlichen und volkswirtschaftlichen Entwicklung erklärt im Übrigen auch die enge Verschränkung zwischen staatlichen Organen und wirtschaftlichen Akteuren in vielen Ländern. Nicht nur in den BRIC-Staaten werden staatliche Dienste völlig unaufgeregt in den Dienst der Industrie und Wirtschaft gestellt. Die amerikanische NSA und das britische GCHQ werden verdächtigt, Aufklärungsergebnisse regelmäßig an wirtschaftliche Akteure weiterzuleiten und die französische DGSE bildet Manager und Unternehmensführer in Techniken der Open Source Intelligence und dem Schutz gegen Wirtschaftsspionage aus. Gleichzeitig verzeichnet der private Intelligence-Markt in den genannten Regionen in den letzten Jahren einen explosionsartigen Anstieg.
So könnte VW die "Dieselgate"-Kosten schultern
Der Abgas-Skandal kratzt nicht nur am Image des Volkswagen-Konzerns - er dürfte vor allem sehr teuer werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Kosten des Skandals und wie VW sie stemmen könnte.
Quelle: dpa
Darüber rätseln Beobachter derzeit. Bislang bekannt ist: Volkswagen hat 6,5 Milliarden Euro für Kosten aus dem Abgas-Skandal zurückgelegt. Das Geld ist aber wohl in erster Linie für eine technische Umrüstung der Autos mit Manipulations-Software bestimmt, wie Finanzchef Hans Dieter Pötsch laut dem Fachblatt „Automobilwoche“ kürzlich vor VW-Managern erklärte. Unklar ist, welche Strafzahlungen auf VW zukommen. Dazu dürften noch mindestens drei andere mögliche Kostenblöcke kommen: Strafzahlungen, Schadenersatzforderungen, Anwaltskosten. Wie hoch diese Ausgaben sein werden, lässt sich derzeit nur grob schätzen. Die Landesbank Baden-Württemberg rechnet derzeit mit einem Schaden von 47 Milliarden Euro für den Konzern. Ein möglicher Imageverlust und damit verbunden ein Rückgang der Autoverkäufe ist dabei noch nicht eingerechnet. Allerdings werden die Kosten wohl nicht auf einmal anfallen, sondern sich über Jahre verteilen.
Vergleichsweise viel. VW hat sich in den vergangenen Jahren ein stattliches Kapitalpolster zugelegt. Zur Jahresmitte hatte der Konzern rund 18 Milliarden Euro Bargeld auf dem Konto. Das ist mehr als ganze Dax-Konzerne wie Adidas oder Lufthansa einzeln an der Börse wert sind. „Über den Daumen gepeilt kann VW davon die Hälfte verwenden, um mögliche Kosten zu begleichen“, sagt Nord-LB-Analyst Frank Schwope. Dazu kommen bei VW noch schnell veräußerbare Wertpapiere über 15 Milliarden Euro und Schätzungen zufolge mindestens 5 Milliarden Euro aus dem Verkauf der Beteiligungen am ehemaligen Partner Suzuki und an einer niederländischen Leasingfirma.
Das ist sehr unwahrscheinlich. VW könnte sich über Anleihen und Kredite Geld leihen, auch wenn einige Ratingagenturen ihre Bewertungen der Kreditwürdigkeit des Konzerns zuletzt angepasst hatten. Wenn es irgendwann hart auf hart käme, könnte Volkswagen immer noch sein Tafelsilber verkaufen. Am einfachsten ließen sich wohl die Luxusmarken Bentley, Bugatti und Lamborghini aus dem Konzern herausnehmen. Nord-LB-Analyst Schwope schätzt den möglichen Verkaufserlös für die drei Marken und den Motorradhersteller Ducati auf 5 bis 10 Milliarden Euro. Durch einen Verkauf der Lastwagenbauer MAN und Scania ließen sich nach seinen Berechnungen sogar 30 bis 35 Milliarden Euro erzielen. Das wertvollste Juwel in der Sammlung, den Sportwagenbauer Porsche, dürften die VW-Anteilseigner kaum abgeben wollen.
Nur begrenzt. Eine Kapitalerhöhung - also die Ausgabe neuer Aktien - ist bei VW nicht so leicht wie in anderen Konzernen. Damit die Familien Porsche und Piëch sowie das Land Niedersachsen als Anteilseigner ihre Macht im Konzern nicht verlieren, darf sich deren jeweiliger Anteil an den Stammaktien nicht stark verringern. Vor allem Niedersachsen dürfte aber derzeit kaum ein Interesse daran haben, weitere Stammaktien zu kaufen und Geld in den VW-Konzern zu stecken. VW könnte deshalb wohl höchstens neue Vorzugsaktien ausgeben, das sind Aktien ohne Stimmrecht auf der Hauptversammlung des Konzerns. Laut Aktiengesetz darf die Zahl dieser Vorzugsaktien die Zahl der Stammaktien allerdings nicht übersteigen. VW könnte deshalb höchstens rund 114 Millionen neue Aktien ausgeben und damit auf Basis derzeitiger Kurse rund 11 Milliarden Euro einsammeln.
In der Regel setzen Sparmaßnahmen bei großen Konzernen zuerst bei den Mitarbeitern an: Weniger Gehalt, Einstellungsstopps, bis hin zu Stellenstreichungen und Entlassungen. Bei Volkswagen wäre das allerdings nicht so einfach. Die Arbeitnehmervertreter haben in Wolfsburg deutlich mehr Macht als in anderen Konzernen. Einfacher wäre die Kürzung geplanter Investitionen. Hier hatte Volkswagen angepeilt, bis 2019 eine Summe von mehr als 100 Milliarden Euro in Standorte, Modelle und Technologien zu stecken. Laut Experte Schwope könnte VW hier den Rotstift ansetzen und so 2 Milliarden Euro jährlich sparen, vor allem bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Nur: Dann besteht die Gefahr, von der Konkurrenz abgehängt zu werden. Der Zeitpunkt wäre denkbar ungünstig - die Autoindustrie steht durch Digitalisierung und Elektroantriebe vor einem Umbruch.
Entsprechend verwundert es nicht, dass sich Großkonzerne zunehmend offensiv der Techniken des Wirtschaftskriegs bedienen um sich auf heiß umkämpften Märkten durchzusetzen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an neben den aktuellen und vergangenen Attacken gegen Volkswagen insbesondere an mehrere offen und verdeckt geführte Auseinandersetzungen zwischen Boeing und Airbus im Zusammenhang mit den Aufträgen über Tankflugzeuge für die US Air Force. In beiden Fällen hatte die Auseinandersetzung erhebliche Auswirkungen für die Beteiligten, die weit über den eigentlichen Anlass hinausgingen. Im Falle der Tankflugzeuge gelang es Airbus trotz Nichterteilung des Auftrags, sich weiter auf dem amerikanischen Markt zu festzusetzen und gleichzeitig die Marge für Boeing empfindlich zu reduzieren.