Weg von den Waffenbrüdern Warum das Silicon Valley auf Abstand zum Militär geht

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„Die Arbeit mit dem Pentagon verursacht bürokratische Kopfschmerzen“

Zum einen sind Militäraufträge relativ klein. Selbst das bislang größte Rüstungsprojekt aller Zeiten, der Joint Strike Fighter, kommt mit einem Bestellwert von rund einer Billion Dollar über gut 20 Jahre nur auf ein paar Prozent des Markts für Apps.

Dazu kommen die hohen Nebenkosten des Rüstungsgeschäfts. „Die Arbeit mit dem Pentagon verursacht unsägliche bürokratische Kopfschmerzen“, sagst Josh Wolfe, Mitbegründer des auf Rüstungsstartups spezialisierten Risikokapitalgebers Lux Capital. Lassen Risikokapitalgeber ihren Schäfchen weitgehend freie Hand, wenn sie die Business-Pläne einhalten und vielleicht sogar auf einen lukrativen Börsengang zusteuern, scheuen die Rüstungskunden kein Detail.

Die zehn reichsten Tech-Milliardäre
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Die Einkäufer der Armeen kommen gern mit Verträgen, die auf gern auch mehr als 3000 Seiten Anhang Jahre im Voraus feste Garantien über Preis und Leistung verlangen. Dazu muss jeder Lieferant sich und sein Personal strengen Sicherheitskontrollen unterziehen, Geräte oder Ersatzteile über Jahrzehnte liefern und weder Firmenanteile noch Technology ohne OK aus Washington verkaufen. „Und wer das nicht einhält bekommt gewaltigen Ärger“, so ein deutscher Rüstungslieferant. 

Nicht nur diese Festlegung über mehr Jahre als viel Gründer alt sind ist der IT-Branche artfremd. Dazu kommen auch der Startup-Denke komplett zuwiderlaufende Dinge wie lange Praxistests oder Produktanforderungen mit hundertprozentiger Betriebssicherheit und Laufstabilität gleichermaßen in arktischer Kälte wie Wüstenhitze, die für Soldaten überlebenswichtig sein können.

Nun will das Pentagon sein Werben um die IT-Riesen verstärken. Am Ende braucht es die neue Technik dringend, um die Überlegenheit der US-Army gegenüber Terroristen oder den Armeen anderer Länder zu sichern. Denn, so die Furcht, diese können sich nach Lage der Dinge bald auf dem Zivilmarkt nicht nur beim 3-D-Druck oder Sensoren, sondern auch in Bereichen wie selbstfahrenden Autos und Drohnen, Datenanalyse oder Medizintechnik fortschrittlichere Produkte kaufen als sie das Pentagon hat. Immerhin steht der weltgrößte Supercomputer an Chinas Militäruniversität – und läuft mit Rechenchips aus den USA.

Deutsche Rüstungsindustrie wittert Chance

Einen Außenstehenden kann das zivile Denke von Google & Co. immerhin freuen: die deutsche Waffenbranche. Denn während Autohersteller und Maschinenbauer zunehmend Konkurrenz aus den Silicon Valley bekommen in Bereichen wie dem Autobau, fallen für die heimische Rüstungsbranche Google & Co mit dem Abrücken von der Verteidigungsindustrie vorläufig als Wettbewerber aus.
Zwar wird auch bei Waffensysteme in Zukunft wie bei wie fast allen Hightech-Produkten künftig Software immer wichtiger. Dazu halten auch neue Produkte Einzug wie die Prognose wann bestimmte Systeme in die Wartung müssen und wieviel Ersatzteile gebraucht werden. Doch das Feld haben Airbus, Rheinmetall & CO künftig für sich.

Das gilt auch wenn die Rüstungseinkäufer der Streitkräfte künftig bei den klassischen Rüstungsfirmen keine komplett neu entwickelten Geräte mehr bestellen, sondern lieber vorhandene Zivilgeräte aufrüsten lassen bis sie die strengen Anforderungen der Armeen erfüllen. Hier kommt eigene auf die Armee maßgeschneiderter Software ebenso in Frage wie die Aufrüstung durch einzelne Teile der Robustheit „Military Grade“. Die Idee verfolgen inzwischen nicht nur die amerikanischen Militärs, sondern auch Europas Streitkräfte, die in Verhandlungen mit den US-Hightech-Unternehmen eine noch schwächere Position haben als das US-Verteidigungsministerium.

Für dieses Upgrade-Geschäft sind vor allem die vielen kleineren deutsche Unternehmen der Branche wie Rohde & Schwarz oder ESG prädestiniert. Denn die etwas frickeligen Softwareanpassungen dürften nicht nur den IT-Riesen aus USA, sondern auch den Rüstungsriesen zu klein sein, nicht aber den Betriebe der deutschen Rüstungsbranche. Die ist nicht nur dank ihrer mittelständischen Struktur nicht zu groß für solche vergleichsweise kleinen Aufträge. Weil die meisten germanischen Waffenfirmen auch ein starkes ziviles Standbein haben, kommen sie mit der Arbeit an der Schnittstelle zwischen Konsumgütern und Militärprodukten laut Experten besser zurecht als die meist ausschließlich in der Rüstung tätigen ausländischen Wettbewerber.

Das dürfte dann auch ins Dual-USE genannte Geschäft mit Sicherheitstechnik hinüber wirken. Ein wichtiges Feld ist die Computersicherheit. "Wem traut man da wohl einen besseren Schutz vor Missbrauch zu", fragt ein Branchenmanager. "Google, der Telekom - oder uns?"

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