Unter dem Einsatz von EEG und MRT versprechen die Neuromarketer Einsichten in unsere Gefühlswelten, auf welche Stimuli wir reagieren und wie unser Unterbewusstsein werblich beeinflusst werden kann. Unternehmensberatungen, die in diesem Feld tätig sind, versprechen „einen Blick in das Unterbewusstsein des Kunden“ und bieten von der „synästhetischen Verankerung Ihrer Botschaften“, „gezielten Steuerung der emotionalen Wirkung Ihres Produktes“ bis zur „emotionalen Navigation für mehr Business“ an, was das Marketing-Herz begehrt.
Kritiker bezweifeln, ob die Laborsituation, in der diese Neuro-Forschung stattfindet, Rückschlüsse auf das wahre Leben zulässt, das beim Einkauf durch unzählige Ablenkungsfaktoren geprägt ist. Das gilt nicht minder für Situationen, in denen wir Werbung im Fernsehen, im Radio oder Online ausgesetzt sind. Im Fachjournal „Absatzwirtschaft“ schreibt Heiko Burrack: „Die Welt der Neuroexperten ist so einfach, aber das Hirn arbeitet leider (oder zum Glück) sehr viel komplizierter.“
Zu Ende denkt keiner
Während Agenturen wie Serviceplan mit dem heiklen Thema behutsam umgehen, steckt der Markt voller Heilsbringer, die Werbekunden geradezu phantastische Wirkungen versprechen. Was jedoch stutzig macht: Wenn Neuromarketing wirklich funktioniert, wenn dadurch unsere Kaufentscheidungen mühelos in jede gewünschte Richtung gesteuert werden können, würde es doch längst jedes Unternehmen mehr oder weniger erfolgreich einsetzen. Das ist aber nicht der Fall.
Zu Ende gedacht ist es wie beim Einsatz von Big Data: Wenn alle Werbetreibenden uns so einfach steuern könnten, würde sich die Wirkung alsbald wieder aufheben. Oder unsere Emotionen würden durch Neuro-Werbung so hin- und hergerissen, dass wir am Ende resignieren - und uns einfach für die billigste Marke entscheiden. Genau das ist schon heute das Resultat in der deutschen Werbe-Wirklichkeit: Vor lauter Werbe-Overkill schalten die Verbraucher auf Durchzug und stöbern nur noch nach Sonderangeboten. Daher sind neue Lösungen durchaus gefragt. Neuromarketing ist es vermutlich nicht.
Der Mensch: Mehr als nur Werbe-Opfer
Unterm Strich bleibt die Erkenntnis, dass Unternehmen wie Facebook sich alle Mühe geben, in unser Gehirn zu schauen. Einsichten aus dem Umgang mit Big Data und das Beobachten unserer „Customer Journey“ sollen die Unternehmen schlauer und unser Verhalten so transparent wie ein Glashaus machen. Und Neuromarketing will selbst unser Unterbewusstsein für das Erreichen der Marketingziele dienstbar machen. Allen Mühen gemeinsam ist der unbändige Wunsch, uns in seelenlose Roboter der Werbeindustrie zu verwandeln.
Das Unternehmen Facebook in Zahlen
2016: 27.638 Mio. US-Dollar
2012: 5.089 Mio. US-Dollar
2006: 50 Mio. US-Dollar
Stand: April 2017
Quelle: statista.com
Monatlich aktive Nutzer: 1.860 Mio.
Monatlich aktive mobile Nutzer: 1.740 Mio.
5.919 Mio. US-Dollar (2016)
17.048 Mitarbeiter
28,2 Prozent
Dann wären die Verbraucher nicht mehr Herr ihrer Sinne und ihrer Entscheidungen. Aber so weit wird es nicht kommen. Alle, die derzeit an unseren Gehirnen herumfummeln, machen die Rechnung ohne den Wirt. Der Verbraucher ist mehr als Klick-Vieh und Werbe-Opfer. Er ist in erster Linie ein Mensch. Und als solcher bleibt er hoffentlich noch lange so komplex, dass sein Verhalten für die Werber undurchschaubar bleibt.
Das ist gut so. Dann blieben Marketing und Werbung ein Wettstreit um die beste Idee, die höchste Kreativität und die gelungenste Strategie.