Werbesprech

Was soll Werbung, die niemand versteht?

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Handwerkliche Katastrophen

Zur handwerklichen Katastrophe geriet eine Handelsanzeige, die ein Kinder-Überraschungsei-Sonderangebot anzupreisen versuchte. Man druckte das Marken-Logo von „Kinder“ auf schwarz, übersah dabei jedoch, dass das „K“ selbst schwarz ist und dabei unsichtbar wurde. So wurde daraus ein „inder Überraschungsei“, worüber der Hersteller Ferrero gewiss nicht sonderlich erfreut sein dürfte.

Eher belustigt werden dagegen die Betrachter eines LBS-Plakates an einer Straßenbahnhaltestelle reagiert haben. Denn der großgedruckte Claim der Bausparkasse „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause“ stand unmittelbar unter der Haltestellenbeschriftung „Parkfriedhof“. Der Fauxpas dürfte nur wenige potentielle Kunden überzeugt haben.

Ebenso wenig Sinn macht es, auf Bahnsteigen für eine Autovermietung zu plakatieren, wie ein Twitterer süffisant anmerkt. Ein anderer schreibt: „Irgend ein Algorithmus bei Facebook glaubt, ich würde gerne Werbung für Lötstationen auf Französisch eingeblendet bekommen.“

In die Verständnisfalle tappte auch Volkswagen. In großformatigen Zeitungsanzeigen warb der wegen Betrugs angeschlagene Konzern am vergangenen Samstag erneut um das Vertrauen seiner Kunden. Den Anzeigentext haben sie jedoch offenbar von ihren Ingenieuren schreiben lassen. Dort heißt es umständlich „Bei den 1,6-Liter-Motoren wird zusätzlich ein sogenannter Strömungsgleichrichter im Luftansaugtrakt eingesetzt - dafür ist kein Eingriff in den Motor nötig.“ Die Mehrzahl der VW-Fahrer wird zum ersten Mal erfahren haben, dass ihr Auto überhaupt über einen Luftansaugtrakt verfügt.

Aldi verkauft "Paris"-Raketen
Werbe-Patzer vor Silvester: Aldi Süd verkauft ein 105-teiliges Feuerwerks-Paket mit "7 Brilliant-Bomben-Raketen" und "fetzigen Knallfröschen" unter dem Namen "Paris". Viele Kunden sind erzürnt. Zu sehr fühlen sie sich an die zwei Terrorserien in der französischen Hauptstadt erinnert, die in diesem Jahr mehr als 140 Menschen das Leben kosteten. Der Name sei "peinlich" und "geschmacklos", heißt es in den Sozialen Netzwerken. "Das nenn ich nen Totalausfall der Marketingabteilung", schreibt ein Twitter-Nutzer. Discounter Aldi, der auch Feuerwerks-Körper mit Namen wie Kapstadt und "Palermo" im Angebot hat, erklärt den Fauxpas mit den langen Bestell- und Produktionsvorläufen. "Bitte seien Sie versichert, dass es nicht unsere Absicht war, unsere Feuerwerkskörper mit den Anschlägen von Paris in Verbindung zu bringen", antwortet der Discounter verärgerten Facebook-Nutzern. "Unsere Silvesterpakete werden bereits weit im Voraus gekauft und geplant, sodass eine Reaktion auf aktuelle Ereignisse leider nicht möglich ist."Auch andere große Unternehmen haben sich mit Werbe-Schnitzern schon den Unmut ihrer Kunden zugezogen.
Die Modekette Sinn Leffers bot ein Shirt an, auf dem ein sexistischer Spruch prangt: "Twinkle, twinkle, little whore - close your legs, they're not a door". "Blinzel, blinzel, kleine Hure - schließe deine Beine, sie sind keine Tür". Das T-Shirt stammt vom französischen Anbieter Boom Bap, der für provokante Sprüche bekannt ist. In den sozialen Netzwerken entlud sich ein Shitstorm. Mittlerweile hat das Unternehmen reagiert und sich entschuldigt. Die T-Shirts wurden aus dem Sortiment genommen. Insgesamt haben wohl 500 Shirts in 30 Filialen im Regal gelegen - auch beim Mutterunternehmen Wöhrl. Quelle: Screenshot
"Dreifarbige Sklaven-Sandalen" bot die Modekette Zara in ihrem Online-Shop an - und erntete sogleich Protest und Spott. In den sozialen Netzwerken verbreiteten sich schnell Bilder des Angebots. "Die Hakenkreuze waren wohl nicht genug", twitterte etwa Userin Ronja M. Das Unternehmen spricht von einem "Übersetzungsfehler" - worin dieser bestehen soll, wurde allerdings nicht erklärt. Zara nahm die Schuhe inzwischen aus dem Sortiment. Quelle: Screenshot
Auf den Spott musste die Modekette Mango angesichts dieses "Chiffonhemds mit Blitzmuster", wie die Bluse im Prospekt heißt, nicht lange warten. Die Frage "Wehrmacht denn sowas?" scheint nicht ganz unberechtigt, erinnern die "Blitze" doch sehr stark an die Sig-Runen des SS-Emblems. Immerhin hat Mango das Doppel-S vermieden, die Frage nach dem "totalen Look" war dennoch unvermeidlich und auch nicht ganz daneben: Mango selbst bietet auf seiner Website ein Pombipaket mit Hose und Stiefel an – beworben mit dem Spruch "Wollt ihr den Total Look".Bekannt zynisch meldete sich auch der Satiriker und Europaabgeordneter Martin Sonneborn auf Facebook zu Wort: "Wieso hat Mango dieses Modell nur für Damen – es gibt doch auch männliche Nazis…?" Quelle: Screenshot
Damit frau zu Halloween in sexy Kostüme passt, sollte sie Sandwiches der Fast-Food-Kette Subway essen. Mit diesem neuen Werbespot (hier geht es zum Video auf Youtube ) setzte sich die Sandwich-Bude gehörig in die Nesseln. Im Internet hagelt es Kritik an der Botschaft, dass Frauen dünn und aufreizend gekleidet zu sein hätten. Auch die Werbebotschaft, mit den Weißbrot-Sandwiches abnehmen zu können, sorgt für Beschwerden. Quelle: Screenshot
"Butter zum Braten von Schweizern" gibt es dank einer Übersetzungspanne bei der Schweizer Supermarktkette Migros zu kaufen. Auf ihrem Produkt „Schweizer Bratbutter“ heißt es im italienischen Untertitel „Burro per arrostire Svizzeri“. Das bedeutet: „Butter zum Braten von Schweizern“. „Das ist peinlich und unfreiwillig komisch zugleich“, sagte Migros-Sprecherin Martina Bosshard. Es handele sich um einem „blöden Übersetzungsfehler“. Das Produkt sei seit zwei Wochen auf dem Markt, seitdem sei auch der Fehler bekannt. Mitarbeiter im italienischsprachigen Kanton Tessin hätten das Missgeschick beim Auspacken bemerkt. Man habe daraufhin sofort mit der Produktion neuer Packungen begonnen. Weil das Produkt selbst aber einwandfrei sein, verkaufe man zunächst noch die Ware in der alten Verpackung ab. Quelle: Screenshot
Das Verteidigungsministerium hat eine Werbekampagne für Frauen in der Bundeswehr nach einer Panne abgebrochen. Auf der Internetseite war eine Werbung für „Zewa wisch & weg“-Haushaltstücher mit der Unterzeile aufgetaucht: „So vielfältig wie Sie: Individuelle Karrieremöglichkeiten für Frauen bei der Bundeswehr.“ Die Seite war von einer vom Bundesamt für das Personalwesen der Bundeswehr beauftragten Werbeagentur erstellt worden. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums erklärte, dass die Kampagne bis auf weiteres gestoppt wurde. „Sollten sich erste Angaben erhärten, dass ein Programmierfehler der vom Bundesamt beauftragten Agentur Ursache für die irrtümliche Verbreitung des „Zewa-Bildes“ und die sich anschließende rufschädigende Diskussion war, behält sich das Ministerium rechtliche Schritte vor“, erklärte sie. Über den Stopp der Kampagne hatte zuerst der verteidigungspolitische Blog „Augen geradeaus!“ berichtet. Quelle: dpa

Vertrauen zerstören statt gewinnen

Weiter heißt es in der Anzeige: „Wir wollen Ihr Vertrauen zurückgewinnen. Und daran arbeiten wir rund um die Uhr. Gründlich, ehrlich, zuverlässig.“ Einen Tag später strafte der Konzern seine eigene Marketingaktion Lügen: Die Presse enthüllte, dass entgegen bisheriger Annahmen auch zwei aktive VW-Manager in den Abgasskandal verwickelt seien. Die werblich ausgelobte, angebliche Gründlichkeit, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ist damit nur 24 Stunden später wieder zerstört. So ist Werbung nicht nur sinnlos, sondern in höchstem Maße kontraproduktiv.

Werbung, die niemand versteht, die peinlich oder sogar unwahr ist, braucht die Branche nicht. Sie macht weder sympathisch, noch baut sie Vertrauen auf, geschweige denn wirkt sie absatzfördernd. Solche Werbung ist schlichtweg zum Fenster hinausgeworfen. Sie beantwortet die wohl berühmteste aller Werbe-Fragen: „Ich weiß, die Hälfte meiner Werbung ist hinausgeworfenes Geld. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte.“ auf entwaffnende Weise.

Das müsste den Markenherstellern bewusst sein. Und wenn doch Unternehmen blind in dieses weit aufgeklappte Messer laufen, dann wäre wenigstens zu erwarten, dass ihre Agenturen sie davon abhalten. Über unverständliche Werbesprüche und Slogans sind schon ganze Bücher geschrieben worden. Kein Werber kann also behaupten, nichts davon zu wissen. Kein Werbekunde muss sein Geld dermaßen sinnlos vergeuden.

Einer der brillantesten Werbeleute des 20. Jahrhunderts, David Ogilvy, gab in seinem Buch „Bekenntnisse eines Werbemannes“ folgenden Ratschlag für die Formulierung von Anzeigen: „Wenn nicht ein besonderer Grund zur Feierlichkeit vorliegt, so schreiben Sie Ihre Texte in der Sprache, die Ihre Kunden im alltäglichen Leben sprechen.“

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