Baby Brown Eye ist zwar noch ein kleines Baby, aber schon der heimliche Boss der Familie. Wenn Mama, Papa oder der große Bruder ein Problem haben, kann Baby Brown Eye es lösen - mithilfe von „Verstärkung“.
Dann klingelt es, vor der Tür steht ein blauer Karton des Konsumgüter-Konzerns Procter & Gamble (P&G). Je nach Episode ist er gefüllt mit einem Rasierer von Gillette, einer Oral-B-Zahnbürste oder Spülmittel von Ariel. Das Baby mit der deutschen Stimme von Bruce Willis ist glücklich.
Auf dem Youtube-Kanal von Procter & Gamble Deutschland finden sich sechs solcher Episoden. Wie P&G werben mehr und mehr Unternehmen bei Youtube mit ihren eigenen Kanälen. Doch wie sie das richtig angehen, wissen offenbar die wenigsten.
„Das lineare TV wird nicht mehr zulegen“
Die Etats für Werbung mit Onlinevideos sind vergleichsweise klein. Die Aufwendungen für Werbung insgesamt betrugen im vergangenen Jahr in Deutschland rund 28 Milliarden Euro. Davon wurden nur zehn Prozent in Online-Werbung investiert – wozu auch gewöhnliche Werbebanner zählen. Die Hälfte ihres Budgets steckten die Werbetreibenden in TV-Werbung.
Dabei dürfte dem Bewegtbild im Internet die Zukunft gehören. „Das lineare TV wird nicht mehr zulegen“, sagt Holger Geißler, der Vorstand des Marktforschungsinstituts YouGov. „Vor allem wenn man Leute unter 30 erreichen will, führt derzeit kein Weg an Youtube vorbei.“
Die Währungen auf Youtube
Views sind die Zentralwährung auf Youtube. Sie zeigen an, wie oft ein Video angeschaut wurde. Der Rekord liegt bei über zwei Milliarden Views – erreicht hat ihn Psy mit seinem Video „Gangnam Style“.
Wer einen Youtube-Kanal dauerhaft verfolgen will, hat die Möglichkeit, ihn zu abonnieren. So kriegt er ständig Hinweise darauf, wann der Betreiber des abonnierten Kanals ein neues Video hochgeladen hat.
Youtube-Nutzer haben die Möglichkeit, Videos zu kommentieren. Gerade für Werbetreibende ist das interessant, da sie daran erkennen können, ob das Video nur angeschaut wurde oder eine Interaktion stattgefunden hat. Seit 2013 kann aber nur noch kommentieren, wer einen Google + Account hat.
Wem ein Video gefällt, kann dies zeigen, indem er es „liked“. Im Gegensatz zu Facebook gibt es auch einen Dislike-Button. Für Werbetreibende bringt das einen großen Vorteil: Sie können Werbung gezielt an Menschen schicken, denen bestimmte Videos gefallen haben.
Selbst bei den älteren Zielgruppen wird Youtube immer beliebter, weiß Stefanie Paluch, Professorin für Dienstleistungs- und Technologiemarketing an der RWTH Aachen. „Mittlerweile nutzen viele Menschen Youtube, um sich über Produkte zu informieren. Das wird sich stärker in Richtung der Älteren verschieben.“
Bis 2017 sollen Videos für 69 Prozent des gesamten Internet-Traffics verantwortlich sein, heißt es in einer Studie von Cisco. Mit Wachstumsraten von 13,2 Prozent im Jahr sind Online-Videos der am schnellsten wachsende Bereich im Internet.
Von dieser Entwicklung profitiert Youtube. Innerhalb von zehn Jahren stieg die Videoplattform zur drittbeliebtesten Website der Welt auf - und zur zweitbeliebtesten Suchmaschine nach Google. Eine Milliarde Menschen besuchen die Plattform monatlich und laden über 300 Stunden Videomaterial pro Minute hoch.
Der unangefochtene Marktführer im Video-Bereich bietet somit große Möglichkeiten als Werbeplattform für Unternehmen. Aber viele Firmen tun sich damit noch immer schwer.
Supergeile Unternehmenswerbung
Wie man diese Möglichkeiten nutzt, zeigte im vergangenen Jahr auch der Supermarkt Edeka. Der „Supergeil“-Clip mit Friedrich Liechtenstein wurde zum viralen Hit und tausendfach über Facebook und Twitter geteilt; er lief sogar im Fernsehen – nicht als Werbung, sondern als Phänomen, das von verschiedenen TV-Magazinen aufgegriffen wurde. Mittlerweile hat der Clip 13 Millionen Abrufe gesammelt.
Für Edeka hat sich das Werbevideo gelohnt. „Die Marke hatte ein etwas angestaubtes Image“, sagt Professorin Paluch. „Durch die humorvolle Darstellung erreicht Edeka vermehrt jüngere Zielgruppen.“ Das zeige sich an den Kommentaren.
11.000 von ihnen befinden sich unter dem Video. „Die Nutzer beschäftigen sich freiwillig in ihrer Freizeit mit dem Video“, sagt Paluch. Auch aus den Facebook-Timelines war das Video wochenlang nicht wegzudenken.
Der Zuschauer übernimmt die Verbreitung
"Earned Media" nennen Werber den Effekt: Die Nutzer teilen die Werbung freiwillig – für den Werbetreibenden entsteht kein Aufwand. „Edeka hatte die Produktionskosten – die Verbreitung des Clips gab es quasi umsonst“, sagt Markenexperte Geißler. Eine solche Reichweite wäre im klassischen TV mit einer Clip-Länge von über drei Minuten unbezahlbar.
Zehn Jahre Youtube - Die wichtigsten Fakten
Seit 10 Jahren gibt es Youtube. Mitte Februar 2005 registrierten die Gründer Chad Hurley und Steve Chen die Webseite Youtube.com und legten so den Grundstein für das Video-Imperium.
Jede Minute werden rund 300 Stunden Videomaterial auf Youtube hochgeladen.
Mehr als eine Milliarde Nutzer besuchen die Plattform jeden Monat.
Das meistgeklickte Video im vergangenen Jahr zeigt einen als Spinne verkleideten Hund, der Passanten erschreckt.
Unter den größten Youtube-Hits ist das Video „Charlie bit my finger“, in dem der kleine Charlie seinem Bruder in den Finger beißt. Das Video, das weniger als eine Minute lang ist, wurde mehr als 800 Millionen Mal angesehen.
Das meistgesehene Youtube-Video aller Zeiten ist „Gangnam Style“ von Psy. Youtube musste seinen Zähler überarbeiten, um die mehr als zwei Milliarden Aufrufe korrekt anzuzeigen.
Bei deutschen Jugendlichen zählt Youtube zu den beliebtesten Webseiten. Gefragt, welches Internet-Angebot sie derzeit besonders gut fänden, nannten 30 Prozent der Jugendlichen Youtube. Auf Platz zwei folgt Facebook mit 23 Prozent.
Facebook macht Youtube zunehmend Konkurrenz. Immer mehr Menschen schauen Videos auf Facebook, und das Online-Netzwerk ermutigt die Nutzer, ihre Clips direkt hochzuladen und nicht von anderen Seiten aus zu verlinken. Mit 1,3 Milliarden Facebook-Nutzern könnte so eine wachsende Zahl an Videos nicht mehr über Youtube im Netz landen.
Polizei und Behörden wollen immer wieder Videos von Youtube entfernen lassen. In der zweiten Jahreshälfte 2013 löschte Youtube 973 Inhalten, davon 735 aus juristischen Gründen und 238, die gegen die Unternehmens-eigenen Richtlinien verstießen.
Was Edeka erkannt hat: Youtube bietet neue Erzählmöglichkeiten. „Daher spielt Youtube eine wichtige Rolle in unserem Kommunikationsmix“, sagt Rolf Lange, Leiter der Unternehmenskommunikation von Edeka.
Mit dieser Einsicht gehört die Supermarktkette in Deutschland allerdings noch immer zu einer Minderheit. Nicht einmal vier von zehn Unternehmen in Deutschland haben einen eigenen Youtube-Kanal. Zum Vergleich: Eine eigene Facebook-Seite haben 99 Prozent der deutschen Unternehmen.
Und denjenigen, die Youtube-Kanäle betreiben, fehlt es offenbar an grundlegendem Wissen über die Videoplattform und ihre Möglichkeiten.
Diese Unternehmen sind auf Youtube am erfolgreichsten
„Eine gewisse Kompetenz im Umgang mit einer Facebook-Seite bringen die meisten von Haus aus mit“, sagt Nelly Riggenbach, Expertin für Digital Broadcasting. „Was die Nutzung von Youtube angeht, sind sie nicht so bewandert.“
Für die Chimney Group, ein Unternehmen, das sich auf Videoproduktionen und Unternehmenskommunikation spezialisiert hat, untersuchte sie für verschiedene Länder, darunter Polen, Dänemark, Schweden und Australien, die Youtube-Präsenzen der erfolgreichsten Unternehmen.
Riggenbach nutzte dafür öffentlich zugängliche Daten. „Die Analyse ist oberflächlich“, räumt sie ein. Aufschlussreich ist die Auswertung trotzdem. Um die Performance der einzelnen Video-Kanäle im Jahr 2014 zu ermitteln, hat die Chimney Group die Anzahl der Videoaufrufe im vergangenen Jahr durch die Zahl der Videos insgesamt dividiert.
Die Unternehmen mit den meisten Views auf Youtube
Die Tabelle zeigt die Youtube-Kanäle deutscher Unternehmen nach Views pro Video im Jahr 2014.
DM
Der Youtube-Kanal von DM wartet mit 23.000 Abonnenten auf. Die 195 Videos wurden insgesamt fast sechs Millionen Mal angeschaut – was im Schnitt rund 30.000 Views pro Video bedeutet. Berechnet man den Durchschnitt der Views im vergangenen Jahr – immerhin zwei Millionen – anhand aller Videos auf dem Kanal, kommt DM auf durchschnittlich 10.712 Klicks im vergangenen Jahr.
C&A
C&A erreicht mit seinem Youtube-Kanal 1900 Abonnenten. Fast acht Millionen Views generierten die 614 Videos der Modekette. Alleine 2014 wurden 416 dieser Videos hochgeladen – und über sechs Millionen Views eingefahren. Im Schnitt macht das für C&A 2014 10.734 Views pro Video.
Airbus
Airbus hat 106.000 Abonnenten – damit gibt es deutschlandweit nur zwei Unternehmen, die mehr überzeugte Anhänger haben. Die 602 Videos wurden über 17 Millionen Mal betrachtet. 2014 wurde rund ein Viertel dieser Videos hochgeladen. Der Gesamtbestand wurde im Schnitt 11.028 Mal angeklickt.
Bauhaus
Was die Abonnenten betrifft, ist Bauhaus ein kleiner Fisch im Vergleich zu Airbus – es sind etwa 9000. Die 161 Videos, die sich auf dem Kanal finden, wurden immerhin sieben Millionen Mal betrachtet. 2014 lud Bauhaus allerdings nur 30 Videos hoch. Insgesamt fuhr Bauhaus im vergangenen Jahr fast zwei Millionen Views ein – im Schnitt also 11.269 pro Video.
Hornbach
Hornbach hat nicht nur im TV in den vergangenen Jahren einige Werbeerfolge feiern können. Mit Abonnenten wurde die Baumarktkette dafür nicht belohnt – nicht einmal 10.000 sind es. Insgesamt finden sich auf dem Hornbach-Kanal 107 Videos, die insgesamt 1,4 Millionen Mal angeschaut wurden. Einen Großteil der Videos – 84 – hat die Baumarktkette im vergangenen Jahr hochgeladen und damit auch einen Großteil der Views generiert – 1,2 Millionen. Im Schnitt wurden sämtliche Videos im vergangenen Jahr 11.729 Mal betrachtet.
Volkswagen
Volkswagen hat 37.000 Abonnenten. Insgesamt finden sich 556 Videos auf dem Kanal – über die Hälfte davon wurde im vergangen Jahr hochgeladen. Von den 25 Millionen Views, die der Kanal insgesamt generiert hat, entfallen 6,5 Millionen auf das Jahr 2014. Damit hat Volkswagen im Schnitt 11.740 Views im Vorjahr erhalten.
Penny
Der Discounter Penny hat nur 19 Videos auf seinem Kanal – und dementsprechend auch nur 550 Abonnenten. Insgesamt wurden die Videos von Penny 400.000 Mal betrachtet. Elf von ihnen wurden im vergangenen Jahr hochgeladen und brachten Penny 240.000 Views. Im Schnitt hat Penny damit im vergangenen Jahr pro Video 12.649 Views eingeholt.
Ford
Ford hat unter den Automarken die wenigsten Abonnenten – 5000. Insgesamt hat der Autobauer 207 Videos hochgeladen, die über zehn Millionen Mal betrachtet wurden. Im vergangenen Jahr hat Ford 37 Videos hochgeladen und 2,7 Millionen Views generiert. Im Schnitt macht das für das Jahr 2014 13.146 Views.
Puma
84.745 Abonnenten hat Puma – und insgesamt über 2635 Videos. Geklickt wurden diese über 66 Millionen Mal. Im Jahr 2014 lud Puma 483 Videos hoch, die über 66 Millionen Mal geklickt wurden. Im Schnitt wurde jedes Video 2014 damit 13.923 Mal betrachtet.
Audi
Kein Unternehmen deutschlandweit hat so viele Abonnenten wie Audi – 438.000 sind es. Gelockt wurden sie mit über 1500 Videos, die insgesamt über 45 Millionen Mal geklickt wurden. Im vergangenen Jahr hat Audi 286 Videos hochgeladen und 23 Millionen Views generiert. Im Schnitt sind es damit 15.167 Views pro Video.
Deichmann
Gegen Audi sehen die 1281 Abonnenten von Deichmann mager aus. Die 282 Videos, die sich auf dem Kanal befinden, sorgten für 4,8 Millionen Views. Die Hälfte der Videos – 140 – hat Deichmann 2014 hochgeladen – im selben Jahr hat Deichmann auch fast seine gesamten Views eingefahren: 4,6 Millionen. Das macht im Schnitt 16.424 Views pro Video.
ThyssenKrupp
ThyssenKrupp hat 788 Abonnenten und 42 Videos hochgeladen – 41 davon 2014. Auch von den 771.000 Views wurden fast alle im vergangenen Jahr generiert. Pro Video waren das 2014 18.433 Views.
Kaufland
Kaufland hat noch weniger Abonnenten als ThyssenKrupp – 760 sind es. Auf dem Kanal finden sich 27 Videos, die insgesamt 711.000 Mal betrachtet worden. 2014 wurden davon 14 Videos hochgeladen und der Kanal wurde 668.000 Mal geklickt – im Schnitt also 21.068 Mal.
Porsche
Nach Audi hat Porsche mit 223.481 Abonnenten die treueste Gefolgschaft. 1081 Videos sind auf dem Kanal verfügbar, die insgesamt 72 Millionen Mal betrachtet wurden. Im vergangenen Jahr lud Porsche 188 Videos hoch und generierte 23 Millionen Views – was im Schnitt 21.549 Views für das vergangene Jahr ergibt.
Opel
Opel hat nur ein Hundertstel der Abonnenten von Porsche – 2582. Die 95 Videos auf dem Kanal wurden fast 26 Millionen Mal angesehen. Sie wurden alle im vergangenen Jahr hochgeladen – dementsprechend generierte Opel 27.951 Views pro Video 2014.
O2
6511 Youtube-Nutzer haben den Kanal von O2 abonniert. 204 Videos finden sie dort, die insgesamt 6,7 Millionen Mal angeschaut wurden. Die Hälfte der Videos – 104 – hat O2 im vergangenen Jahr hochgeladen. In diesem Zeitraum generierte O2 5,7 Millionen Views – was im Schnitt pro Video 27.965 Views macht.
Rewe
Der Kanal der Supermarktkette Rewe abonnierten 2747 Nutzern. Insgesamt befinden sich dort 91 Videos, die fast zehn Millionen Mal abgespielt worden. 48 Videos davon wurden im Vorjahr hochgeladen. Rewe generierte 2014 5,8 Millionen Views – und damit pro Video 64.044 Views.
Hugo Boss
25.000 Youtube-Nutzer haben den Kanal des Modelabels Hugo Boss abonniert. Die 94 Videos dort generierten über elf Millionen Views. Hugo Boss hat 37 Video 2014 hochgeladen und fast elf Millionen Views in diesem Zeitraum generiert. 116.000 Mal wurden die Videos im Schnitt im Vorjahr betrachtet.
Edeka
Supergeil! Edeka betreibt den zweiterfolgreichsten Youtube-Kanal Deutschlands. 30.000 Abonnenten haben sich die mittlerweile 106 Videos über 47 Millionen Mal angeschaut. Alleine 13 Millionen Views davon entfallen auf den Werbe-Hit von Friedrich Liechtenstein. 2014 lud die Supermarktkette 43 Videos hoch und generierte mit 46 Millionen Views fast die Gesamtzahl. Im Schnitt wurden die Videos im Vorjahr 437.511 Mal betrachtet.
Procter & Gamble
Procter & Gamble hat den erfolgreichsten Youtube-Kanal Deutschlands – und das obwohl der Konsumgüter-Konzern nur 3313 Abonnenten hat. Die 11 Videos, die sich auf dem Kanal finden, wurden 13 Millionen Mal geklickt. Neun davon wurden 2014 hochgeladen. In diesem Zeitraum generierte P&G pro Video 873.187 Views.
Die Zahlen für Deutschland liegen WirtschaftsWoche Online exklusiv vor. Demnach konnte P&G Deutschland mit den Baby Brown Eye-Clips und den hochgeladenen TV-Clips im vergangenen Jahr pro Video rund 800.000 Views generieren – und ist damit das erfolgreichste deutsche Unternehmen auf Youtube.
Besonders begeistert zeigt sich Riggenbach davon nicht. Betrachtet man die Zahl der Abonnenten, steht P&G mit seinen mageren 3313 gerade einmal auf Platz 33. Der Youtube-Kanal von Audi dagegen kommt auf über 400.000 Abonnenten, Gronkh, der wohl bekannteste deutsche Youtuber, hat mit über 3,4 Millionen Abonnenten das Tausendfache von P&G.
Gekaufte Views als einzige Chance
„Bei P&G ist es offensichtlich, dass die Views gekauft sind“, sagt Riggenbach. Das würde auch die niedrige Zahl an Abonnenten erklären. Da P&G die Statistik zu dem Video Baby Brown Eye in „Zuckerberg“ nicht getarnt hat – was mit wenigen Klicks möglich ist – kann man die Behauptung, der Clip habe die „Herzen der Menschen im Sturm erobert“, getrost als starke Übertreibung abschreiben.
Das Video wurde zwar bis heute über eine Million Mal aufgerufen – aber nur ein Abonnement entstand dadurch und es wurde lediglich acht Mal geteilt. Die Nutzer haben sich also nicht besonders intensiv damit beschäftigt.
Youtube bietet Unternehmen die Möglichkeit, sogenannte pre-roll ads zu schalten. Wer ein Video von Rapper Cro anschauen will, muss vor Beginn des gewünschten Clips einen kleinen Werbefilm sehen – den der Nutzer allerdings nach fünf Sekunden wegklicken kann. Sieht er das Video mindestens 30 Sekunden, erhält P&G einen sogenannten TrueView – und zahlt dafür an Youtube.
Manche Werbetreibenden hoffen, dass aus den gekauften Views irgendwann organische entstehen. Ein Blick auf die Kanäle zeigt allerdings: Die Unternehmen sorgen selbst dafür, dass das nicht funktioniert.
„90 Prozent der untersuchten Youtube-Kanäle sind Archive, in denen sämtliche Clips landen – egal wie viral-fähig sie sind“, sagt Riggenbach. Auf dem Kanal von Siemens finden sich etwa mehr als 5000 Videos – darunter Clips, die älter als sechs Jahre sind und nur wenige hundert Mal angesehen wurden. Veraltete TV-Werbungen, veraltete Image-Filme – allesamt Videos, die nicht extra für soziale Netzwerke produziert wurden.
Was die Unternehmen falsch machen
Für die Sozialen Netzwerke braucht es jedoch eigene Erzählarten. Der Betrachter muss nach fünf Sekunden überzeugt sein – sonst überspringt er die Werbung. Edeka hat mit seiner humoristischen Darbietung eine Möglichkeit vorgeführt. Doch es muss nicht zwingend lustig sein – innovative Erzählformen helfen ebenfalls.
Werbemöglichkeiten auf Youtube
Die einfachste Möglichkeit auf Youtube zu werben ist die klassische Banneranzeige, wie man sie auch von anderen Websites kennt.
Overlay In-Video Ads sind transparenten Anzeigen, die sich im unteren Teil eines Videos finden lassen. Bezahlt wird pro Klick – allerdings werden sie zumeist von den Nutzern ignoriert.
Seit Ende 2010 haben die Werber die Möglichkeit sogenannte TrueView-Werbeformate auf Youtube zu nutzen. Hierbei zahlt man erst dann, wenn der Kunde die Werbung wirklich anklickt.
Dieses Werbeformat erscheint als Pre-Roll vor dem ausgewählten Video – der Nutzer muss also die ersten fünf Sekunden eines Werbevideos anschauen, danach kann er die Anzeige überspringen. Der Werbetreiber muss erst für die Werbung zahlen, wenn mehr als 30 Sekunden des Videos betrachtet worden.
Eine Untersuchung der Chimney Group verglich zwei Clips, die dieselbe Geschichte erzählen. Während der eine Clip sie auf chronologische Weise vorführte, fing der andere mit der Auflösung an und erzählte dann die Geschichte. „75 Prozent der Nutzer schauten den zweiten Clip bis zum Ende.“
Für den Anfang sollten die meisten untersuchten Unternehmen aber erst einmal ihren Kanal aufräumen. „Die Videos, die keine Views mehr generieren, sollten Unternehmen löschen“, rät Riggenbach. Sechs Jahre alte Image-Filme schaue sich heute niemand mehr an. Und sie bergen ein weiteres Problem. „Die Rechte für Ton und Bild sind in der Regel nur für ein Jahr gültig“, sagt Riggenbach.
Die Deutschen beherrschen das Handwerk nicht
Verglichen mit den Kanälen von professionellen Youtubern – etwa LeFloid oder Gronkh – wirken die Kanäle vieler deutscher Unternehmen wie eine große, unsortierte Abladehalde. „Trailer fehlen auf den Unternehmens-Kanälen komplett“, sagt Riggenbach. Diese zeigen den Nutzer, was ihn auf dem Kanal erwartet.
Zudem geben sich deutsche Unternehmen wenig Mühe, die Nutzer auf ihrem Kanal zu halten. Professionelle Youtuber bieten am Ende eines Videos weitere Handlungsmöglichkeiten an, die alle dem eigenen Kanal zusammenhängen: Mit einem Klick landet der Nutzer etwa beim Making-Off zu dem gerade gesehenen Video oder gelangt zu dem Video vom Vortag. Große Unternehmen setzen diese Optionen kaum ein.
Die teuersten Übernahmen von YouTube-Netzwerken
Käufer: Disney
Preis: 950 Millionen US-Dollar
Quelle: eigene Recherchen
Käufer: AT&T/Chernin Group
Preis: 200-300 Millionen US-Dollar
Quelle: eigene Recherchen
Käufer: Dreamworks
Preis: 117 Millionen US-Dollar
Quelle: eigene Recherche
Käufer: RTL
Preis: 107 Millionen US-Dollar
Quelle: eigene Recherche
Käufer: Warner
Preis: 18 Millionen US-Dollar
Quelle: eigene Recherchen
Auch die Aufforderung, den eigenen Kanal zu abonnieren, während ein Video läuft – etwa in Form von Annotationen wie sie aus Musikvideos bei Youtube bekannt sind – wird kaum genutzt.
Dabei könnten die Unternehmen ihren Youtube-Kanal mit wenigen Mausklicks optimieren. „Das ist eine einfache Verlinkungssache“, bewertet Riggenbach den Arbeitsaufwand. Es fehle aber an dem nötigen Wissen.
Etwas größer wäre der Arbeitsaufwand, wenn die Videoproduktion den modernen Ansprüchen gerecht werden soll. „Studien belegen, dass 57 Prozent der Videos mittlerweile auf dem Smartphone geschaut werden“, sagt Riggenbach. Dementsprechend sollte auch gedreht werden – heißt: Mehr Nahaufnahmen, die auf dem kleinen Bildschirm besser funktionieren.
Der Blick ins Ausland
Aus Riggenbachs Sicht schneidet Deutschland nicht schlechter ab, als die internationalen Unternehmen. „Es gibt kein Land, dessen Unternehmen auf Youtube herausstechend gut auftreten“, sagt Riggenbach.
Von einigen können die Deutschen trotzdem etwas lernen. „Der Youtube-Auftritt von Starbucks ist ganz weit vorne“, sagt Marketing-Professorin Paluch. Die Kaffeekette betreibt verschiedene Kanäle, auf denen sie unter anderem über die Kaffeezubereitung aufklärt und zeigt, wo die Zutaten herkommen und wie die Mitarbeiter dort behandelt werden. „Mit solchen Videos können Unternehmen ihr Image aufbessern“, sagt Paluch.
Ein anderes Video beschäftigt sich mit dem Tagesgeschäft bei Starbucks. In 28 Ländern wurden Menschen gefilmt und befragt, die eine Starbucks-Filiale aufsuchten – Arbeitskollegen, Pärchen, Freunde. „Damit verkaufte sich Starbucks als ein Unternehmen, dass nicht nur Kaffee verkauft, sondern vor allem ein Ort der Begegnung ist“, so Paluch. „Auf diese Weise wollen Unternehmen nicht nur werben, sondern ein Gesicht und die persönliche Seite des Unternehmens zeigen.“
In Deutschland gibt es ebenfalls Unternehmen, die gute Ansätze haben. Bosch nutzt seinen Youtube-Channel, um die Funktionsweise seiner Produkte zu erklären und führt häufig auftretende Fehler vor, für die Bosch in Videos Lösungen bietet.
Auch Baumarktketten wie Hornbach bieten neben den witzigen Spots, die aus dem TV bekannt sind, Service-Videos an. So erfahren Interessierte in wenigen Minuten, worauf sie beim Verlegen von Laminat achten müssen.
All das sind erste Schritte in die richtige Richtung. Doch im Vergleich zu den Kanälen von professionellen Youtubern sehen die Kanäle der Unternehmer immer noch bieder aus und sind wenig nutzerfreundlich. Eine vertane Chance.