Werner knallhart

Service im Apple Store: Überfreundliche Überforderung

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Das Apple-Store-Syndrom

Keiner kann den Spieß so schön rumdrehen, wie ein Apple-Store-Verkäufer. Du kommst als stolzer Kunde und wirst zum gedemütigten Bittsteller: „Aber ich habe Apple Care +, mein Telefon ist jetzt kaputt, ich will gerne jetzt den Umtausch erledigen.“

„Dann gibt es Option drei: Ich setze sich auf die Warteliste. Das dauert dann rund drei Stunden.“ Er strich auf dem iPad umher.

„Wie bitte? Und ich soll drei Stunden um den Block laufen?“

„Du bekommst ja eine SMS, wenn du dran bist.“

„Ich kann keine drei Stunden hier in der Gegend bleiben. Himmel, das von euch hergestellte Telefon ist kaputt. Selbst bei Saturn geht es schneller mit einem Umtausch.“

Ein Wort ergab das andere. Und dann brach sie aus ihm heraus: die von Android-Fans so verhasste Apple-Arroganz. Er sagte wortwörtlich:

„Diese Diskussion bringt mir nichts.“

Mir fiel Kinnlade so tief herab, dass die Kiefergelenke knackten. Ich deutete mit beiden Zeigefingern auf meine Brust und presste leise hervor: „Aber der Kunde bin doch ich.“

Was Tim Cook bei Apple bewegt hat
Am 24. August 2011 beugte sich Steve Jobs dem Unausweichlichen. Der todkranke Apple-Mitgründer gab nach jahrelangem Kampf gegen den Krebs schließlich den Posten des Firmenchefs ab. Jobs wechselte noch an die Spitze des Verwaltungsrates und versprach, für das Unternehmen dazu sein – doch es dauerte keine eineinhalb Monate mehr, bis er am 5. Oktober starb. Quelle: AP
Sein Lebenswerk legte er in die Hand von Tim Cook, der ihn schon zuvor bei Krankheits-Abwesenheiten vertrat und als Zuständiger für das operative Geschäft das Unternehmen in- und auswendig kannte. Die Planke hätte für den damals 50-Jährigen Cook kaum höher liegen können. Jobs hatte mit einer Erfolgsserie aus iMac, iPod, iPhone und iPad ganze Branchen umgepflügt und unter anderem den Smartphone-Boom in Gang gebracht. Viele Marktbeobachter stellten in Frage, dass Cook, der vor allem als Optimierer von Apples Produktionskette bekannt war, diesem Erbe gewachsen ist. Lesen Sie hier die Analyse zu den aktuellen Problemen des Konzerns. Quelle: dpa
Fünf Jahre später sitzt Apple auf einem Geldberg von gut 230 Milliarden Dollar und hat gerade das milliardste iPhone verkauft. Zwischendurch fuhr der Konzern im vergangenen Weihnachtsgeschäft mit 18,4 Milliarden Dollar den höchsten Quartalsgewinn der Geschichte ein. Zugleich wurde das iPhone zum wichtigsten Apple-Produkt und brachte zeitweise mehr als zwei Drittel des Konzerngeschäfts ein. Und als in diesem Jahr die Anziehungskraft der iPhones nachließ, bedeutete das auch einen spürbaren Rückgang für das gesamte Apple-Geschäft. Quelle: dpa
Cook gab sich in einem jüngsten Interview mit der „Washington Post“ trotzig: „Ja, für uns geht es dieses Jahr etwas runter. Es geht nicht jedes Jahr nach oben, wissen Sie.“ Auch wenn das weltweite Smartphone-Geschäft derzeit schwächele, sei es auf lange Sicht „der beste Markt der Welt“, weil schließlich jeder eins haben werde. Quelle: dpa
In Cooks Amtszeit stieß Apple bisher in eine neue Produktkategorie vor. Die im April 2015 gestartete Apple Watch eroberte zwar aus dem Stand die Marktführung bei Computer-Uhren. Doch Verbraucher zögern noch. Der Konzern veröffentlicht immer noch keine Zahlen, aber nach Einschätzung von Marktforschern verkaufte Apple im Start-Quartal noch 3,6 Millionen seiner Uhren, inzwischen sollen es um die eineinhalb Millionen pro Vierteljahr sein. Auch das wäre noch ein gutes Geschäft – aber nicht unbedingt die steile Erfolgskurve, die viele von Apple bei einem neuen Produkt erwarten. Quelle: dpa
Cook stellt weiterhin mehr in Aussicht. „Wir haben die Ausgaben für Forschung und Entwicklung hochgefahren, weil wir massiv in die Zukunft investieren – sowohl in heutige Produktlinien als auch in Dinge, die heute noch nicht sichtbar sind, unter anderem im Diensteangebot.“ Die Tech-Welt hat sich in den fünf Jahren massiv verändert. Heute spielen künstliche Intelligenz und selbstlernende Maschinen eine zentrale Rolle. Und nicht nur Google arbeitet daran, sie in den Alltag zu bringen, sondern auch Facebook und Amazon: Eines der erfolgreichsten Produkte des weltgrößten Online-Händlers in den USA ist der vernetzte Lautsprecher Echo, mit dem sich Nutzer unterhalten können. Virtuelle Realität steht vor dem Sprung in den Massenmarkt, und die gesamte Autobranche wird von der Digitalisierung umgekrempelt. Quelle: AP
Cooks Job ist es, den Platz von Apple in dieser neuen Welt zu sichern. Er kaufte in der bisher größten Übernahme des Konzerns für drei Milliarden Dollar den Kopfhörer-Anbieter Beats, um schneller ins Geschäft mit Musik-Streaming aus dem Netz zu kommen. Er betont die Anstrengungen des Konzerns bei künstlicher Intelligenz, angefangen mit der Sprachassistentin Siri. Er investierte eine Milliarde Dollar in den chinesischen Fahrdienst-Vermittler Didi Chuxing – und seit über einem Jahr gibt es Berichte, Apple baue ein Auto. Quelle: dpa

Der Headset-Bengel verwies mich an seine Managerin. Ich sollte beiseite treten und warten. Ich dachte: Geht der Toaster kaputt, dann isst man halt eine Weile Müsli. Aber geht das Telefon kaputt, ist man ab sofort von der Außenwelt abgeschnitten. Ein paar Tage ohne funktionierendes Handy ist wie ein paar Tage ohne Schuhe. Beides treibt einen in die Isolation. Dass das im Apple Store keiner einpreist...

Die Managerin war von einer professionell charmanten Freundlichkeit und Aufrichtigkeit, die mich aufblühen ließ: Sie war ein ganz normaler Mensch! Nachdem ich ihr mein Leid geklagt hatte, klagte sie mir ihres:

„Wir müssen in diesem Store halb Osteuropa mit abdecken. Wir sind einfach zu wenig Leute. Guck dich um.“

„Und die in der Apple-Zentrale lassen euch zappeln?“

Sie zuckte lächelnd mit den Schultern: „Wenn du dringend bedient werden willst, dann empfehle ich dir: Geh zu Gravis. Allerdings bekommst du da kein Ersatzgerät.“

Boa! Ein sympathisch ehrlicher Offenbarungs-Eid. Willst du schnellen Service für deine 149-Euro-Versicherung, dann geh schnell zur Tür raus und in einen anderen Laden.

„Ihr von Apple müsst echt aufpassen. Die Stimmung kippt doch gerade. Keine durchschlagenden Innovationen mehr beim iPhone. Da kommt nichts nach, Apple wird uncool. Das ist schon überall Thema. Irgendwann seid ihr nur noch teuer. Dazu passt doch null die Überheblichkeit aus Kalifornien, die Kunden hier so abzuspeisen.“

Sie lächelte und nickte: „Schreib es auf, schick es an Apple, wenn das genügend Leute tun, ändert sich vielleicht ja mal was.“

Das mit dem Aufschreiben war eine gute Idee. Fast hätte ich mich verliebt. Früher nannte man sowas das Stockholm-Syndrom. Aber dann fiel mir ein: Mein iPhone war immer noch kaputt. Und die Liebe war schon dahin. Ohne Termin hin, mit ruinierter Laune wieder raus. Das Apple-Store-Syndrom. Dank Apple Care +.

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