Werner knallhart

EU-Roaming: Wie O2 Kunden bei der Umstellung hinhält

Die Verbraucherzentrale meckert schon. Aber O2 findet sich toll. Doch die Umstellung auf das faire EU-Internetroaming geht bei O2 nur, wenn der Kunde aktiv wird. Und dann wird der Antrag tagelang nicht bearbeitet. Offline im Urlaub mit O2.

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Quelle: dpa

Ich bin in Paris. Ich bin bei O2. Ich bin verzweifelt.

Ich kann von dem tollen Gefühl, in einem vereinten Europa von seinen einheitlichen Handy-Tarifen im In- und Ausland nicht profitieren.

Seit vier Tagen warte ich darauf, wieder mit meinem Smartphone ins Internet zu können. Aber die Mischung aus kompliziertem Umstellungsverfahren plus katastrophal kundenunfreundlichen Kundenservice macht es unmöglich. So kann ich zum Beispiel keine E-Roller auf der Straße mieten, denn dafür brauche ich direkt am Roller Internet. Also fahre ich unterirdisch mit der Bahn und sehe nix von der Stadt. Ich kann unterwegs nicht entspannt nach Restaurants oder Museen suchen sondern husche von WLAN zu WLAN der Cafés, doch die meisten sind mit einem Passwort gesichert. Mit O2 macht meine Reise weniger Spaß.

Denn: O2 hat nur jene Verträge automatisch auf EU-Roaming umgestellt, die ohnehin schon nach (den alten) EU-Vorgaben liefen. Ich jedoch habe einen Vertrag, der mir über mein deutschlandweites Surfvolumen hinaus 300 MB pro Monat im Ausland gewährt. Um von dieser Regelung in die EU-Variante zu wechseln, muss ich O2 allerdings Bescheid sagen.

Der Verbraucherzentrale-Bundesverband kritisiert diesen Zwischenschritt als Irreführung der Kunden und will nun dagegen klagen.

Nun, O2 kann an ihrem System nichts Schlechtes finden. Florian Streicher, Sprecher von Telefonica Germany, gegenüber dem IT-Nachrichtenservice Golem.de: „Jeder Kunde, der bislang individuelle Roaming-Lösungen und keinen regulierten Tarif genutzt hat, soll entscheiden können, ob ein Wechsel für ihn vorteilhaft ist. Prinzipiell gilt: Jeder Kunde hat die Möglichkeit, jederzeit in den regulierten EU-Tarif zu wechseln - kostenfrei und von einem Werktag auf den anderen.“ Hahahahahahaha!

Nun dachte ich Trottel: Solange ich mein Kontingent von 300 MB ohnehin nicht aufbrauche, muss ich nicht aktiv werden. Sind meine 300 MB weg, stelle ich um. Dabei ging es mir nicht darum, die 300 MB obendrauf abzufischen. Ich war einfach unbedarft. Von mir aus können die die 300 MB auch von meinem deutschen Daten-Kontingent abziehen. Ich weiß schlicht nicht, was los ist. Es steht ja nirgends.

Ich will einfach nur surfen. Aber I can´t do, O2! Weil die 300 MB weg sind und die mich nicht umstellen.

Dabei habe ich doch alles richtig gemacht. Ich habe in meinem O2-Kundenportal den richtigen Knopf gedrückt. Es ging ein Fenster auf: „Vielen Dank! Ihre Option wurde gebucht, dieser Vorgang kann einige Minuten dauern. Ihr neues Pack wird Ihnen in Kürze angezeigt.“

Aber nix. Dreimal habe ich die Taste gedrückt. Kein Empfang. In den Untiefen der O2-App lese ich, dass die Umstellung über Nacht erfolgt. Dann ist Sonntag: offline.

Ich rufe die Hotline an. Die Roboter-Stimme rühmt sich damit, dass Kunden nun keine Tasten mehr drücken müssen, sondern alles über Spracheingabe funktioniert. In Wirklichkeit ist das ganze System auf Kunden-Abwimmeln optimiert.

Der Roboter fragt mich, worum es geht. Ich sage: „Ich habe keinen Internet-Empfang.“

Der Roboter ist sehr schlau, hält mich aber für saublöd. Er erklärt mir die Welt und sagt Dinge wie in etwa so: „Es geht also um Probleme mit dem mobilen Internet. Gehen Sie zunächst in einen anderen Raum. Dort könnte der Empfang besser sein. Sollte dies nicht helfen, entfernen Sie den Akku Ihres Gerätes, legen Sie ihn wieder ein und starten Sie Ihr Mobiltelefon erneut. Ich hoffe, ich konnte Ihnen helfen. Vielen Dank für Ihren Anruf.“

"Roaming!" - "Notfall."

Wie bitte? Ich rufe sofort noch einmal an und rufe „Roaming!“

„Es geht also um Daten-Roaming in der EU. Sollen wir Ihnen einen Link per SMS zuschicken.?“

„Ja.“

„Die SMS wird versendet. Vielen Dank für Ihren Anruf.“

Der Link führt auf dieselbe Seite, auf der ich schon längst den Antrag gestellt habe.

Nächster Anruf: „Notfall.“

„Wegen der unerwartet hohen Zahl von Anrufen kann es länger dauern. Sie finden aber alle Tipps in unserem Kundenportal online. Vielen Dank für Ihren Anruf.“

Aber diesmal lege ich einfach nicht auf. Schweigen in der Leitung. Und plötzlich geht es weiter! Eine Computer-Frau verriet mir eine Notfallnummer etwa für den Fall, dass ich nicht mehr telefonieren könne: 089-666630044. Ich rufe dort an: „O2-Kartensperr-Hotline.“

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„Hä? Ich möchte nicht meine Karte sperren, ich muss dringend ins Internet.“

„Da kann ich nichts machen, die Kollegen haben das System runter gefahren. Aber schicken Sie eine SMS mit dem Wort JA an die 65544.“

Ich tue es und bekomme eine SMS: „…werden zum nächsten Arbeitstag umgestellt.“ Das war Sonntag. Da fällt mir siedend heiß ein: Moment: Habe ich einen Fehler gemacht? Ich habe nicht zwischen den Zeilen gelesen. Florian Streicher hat gesagt: „von einem Werktag auf den anderen.“

Und übers Wochenende funktioniert bei einem Hochtechnologie-Unternehmen natürlich nichts. Weil: Das geht ja nicht automatisch, das muss bearbeitet werden. Da müssen per Hand Strippen umgesteckt werden. Kostenpflichtige Daten-Pakete dazu zu buchen, das funktioniert innerhalb von Sekunden. Die lahme Umstellung auf EU-Tarif bei O2 ist aber wohl schlicht der mangelnden Motivation geschuldet. Es bringt halt keine Kohle, was soll man dann am Wochenende den Finger rühren?

Mittelweile ist Montag. Das Ergebnis: nix.

Ich rufe die Hotline an. Leider wieder dieses unerwartet hohe Aufkommen an Anrufen. O2 ist aber auch begehrt. „Ihre voraussichtliche Wartezeit beträgt: 45 Minuten.“

Ich lege auf. Ich komme einfach nicht an einen kompetenten Gesprächspartner! Was für ein unfassbar respektloser Kundenservice. So etwas kenne ich sonst nur von, ja, O2.

Die armen Mitarbeiter in den O2-Callcentern, die den Kunden-Frust über die Unterbesetzung aushalten müssen. Man stelle sich so etwas bei Amazon vor. Nein, das kann man sich gar nicht vorstellen. Dort erreicht man immer jemanden innerhalb von Sekunden.

Jetzt ist Dienstag; drei Nächte sind rum und zwei Werktage sind schon verschlissen.

Ich versuche es mit dem neuen Rückrufservice von O2 über die App und wähle „Vertrag, Tarif“ als Kategorie. Die App antwortet, es seien für diese Kategorie leider keine Termine verfügbar. Warum geben Telekommunikations-Unternehmen einem immer noch dieses 90er-Jahre-Kunden-nerven-Gefühl?

Später versuche ich es erneut. Aha, zwischen 11 und 11:30 rufen die zurück. Bei Amazon ruft man innerhalb von Sekunden zurück.

Ich denke an die App-Nachricht von Samstag: „Umstellung in einigen Minuten“. Bis jetzt warte ich seit 3.800 Minuten.

Um 11 Uhr 10 klingelt in Paris das Telefon, während ich im Hotel meine Koffer packe. Der schüchterne Mann an der Hotline sagt (nach drei Anträgen per App und einem per SMS meinerseits und fünf Hotline-Anrufen - verteilt über vier Tage): „Hier ist kein Antrag von Ihnen eingegangen. Ich stelle das jetzt manuell für Sie um. Das wird dann um Mitternacht aktiv.“

Perfektes Timing! Dann werde ich genau zwei Stunden lang wieder in Deutschland sein.

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