Yahoo-Chefin Marissa Mayer Die Todesspirale scheint unaufhaltsam

Es wird einsam um den einstigen Internet-Pionier Yahoo und die glücklose Chefin Marissa Mayer. Entlassungen, sinkende Gewinne und Umsätze, die Todesspirale scheint unaufhaltsam. Sind Mayers Tage gezählt?

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Sind die Tage der Yahoo-Chefin gezählt? Quelle: Reuters

San Francisco Eigentlich ist es schon fast ein Witz. Mit aller Gewalt versuchte Yahoo-Chefin Marissa Mayer seit Anfang 2015 den damals mit rund 40 Milliarden Dollar bewerteten Anteil am Online-Handels-Riesen Alibaba zu verkaufen. Gleichzeitig wollte sie dabei den Fängen der amerikanischen Steuerbehörde entgehen.

Damals lag der Kurs der chinesischen Alibaba-Aktie noch über 100 Dollar. Also wurden für sehr viel Geld Steuerexperten und Banker angeheuert, die einen verwegenen Plan zusammenbastelten, um die Anteile steuerfrei auf die Aktionäre zu übertragen. Doch das Finanzministerium zerriss ihn in der Luft.

Hätte Mayer damals einfach die Anteile verkauft und die 35 Prozent Steuern bezahlt, hätte sie rund 65 Dollar pro Aktie einbehalten. So viel kostete ein Alibaba-Anteil am Dienstag an der New Yorker Börse. Und das ist jetzt der Vorsteuerwert. Ein einziger Flopp und symptomatisch für die Amtszeit von Mayer.

Ein Desaster für Mayer

Es grenzte schon an Hilflosigkeit, als Yahoo-Verwaltungsratschef Maynard Webb am Dienstag betonte: „Die Abtrennung unseres Anteils an Alibaba hat weiterhin Priorität und ist unser direktester Weg zur Wertmaximierung.“ Wenn die Alibaba-Aktie nicht wieder dramatisch steigt, wird er nie mehr als das bekommen, was er vor einem Jahr ohne jede Trickserei hätte mitnehmen können. Aus jetziger Sicht sogar weniger.

Nun wird die Trickserei auf die Spitze getrieben. Neben dem Streben nach einem Turnaround suche man nach „strategischen Alternativen“ so Yahoos oberster Aufseher. Das heißt übersetzt, Yahoo steht zum Verkauf, ganz oder in Teilen. Das Ziel: Wenn alles verkauft ist, dann bleibt nur der Alibaba-Anteil übrig. Sozusagen die eigene Ausgliederung durch die Hintertür.

Es ist ein Desaster für Marissa Mayer. Sie hat einfach keinen guten Lauf. Bei ihrem Antritt vor knapp vier Jahren noch mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht, reiht sich seitdem eine Pleite an die nächste. Das Börsenjahr 2015 sah einen Kursverlust von 34 Prozent. Im abgelaufenen Weihnachts-Quartal, ein Quartal mit gigantischen Wachstumsraten bei der Konkurrenz Google und Facebook, kletterte der Yahoo-Umsatz im Jahresvergleich um gerade einmal 1,6 Prozent auf gut 1,27 Milliarden Dollar (1,16 Milliarden Euro).

Es gab einen Nettoverlust von 4,43 Milliarden Dollar nach einem Minus von 166,3 Millionen Dollar ein Jahr zuvor. Auslöser waren gewaltige Abschreibungen von 4,5 Milliarden Dollar auf den Firmenwert. Auch bereinigt um Einmaleffekte sieht der verbleibende Gewinn mit 63 Millionen Dollar wenig erbaulich aus.


Yahoo will sich neu erfinden

Marissa Mayer hat alles versucht. Sie hat diverse Start-ups übernommen, wie etwa die Blogging-Plattform Tumblr für eine Milliarde Dollar. Sie hat den Fokus auf das mobile Internet gelegt und versucht Top-Leute anzuziehen oder zu halten. Mit wenig Erfolg, die Umsätze fallen immer weiter, die Werbung wandert zur Konkurrenz.

Die Folgen der Fehlinvestitionen: Jetzt muss noch mehr gespart werden als früher. 15 Prozent der Mitarbeiter müssen im laufenden ersten Quartal gehen, zum Jahresende werden noch 9000 Menschen bei Yahoo arbeiten. Das wären dann 42 Prozent weniger als 2012. Und das zu einer Zeit, in der sich das Silicon Valley um Talente reißt. Aber die Anstellungen finden heute bei Google oder Facebook statt.

Doch für Mayer zählt nur eines: Die operativen Kosten liegen um 400 Millionen Dollar unter 2012. Am Dienstag stellte sie klar: Neben den „strategischen Optionen“ wird es einen ambitionierten Plan geben, Yahoo neu zuerfinden und sich auf die Konsumentenplattformen E-Mail, Internetsuche und Tumblr (also im weitesten Sinne Social Media) zu konzentrieren und auf vier Sparten: Nachrichten, Sport, Finanzen und Lifestyle.

Eingestellt wird zum Beispiel Yahoos Smart-TV-Plattform. Fünf Länderbüros müssen dichtmachen. Außerdem will sich Mayer von Immobilien und Patenten im Gesamtwert von einer Milliarde Dollar trennen. Das riecht nach Ausverkauf.

Es ist ein traumatisches Ende für die frühere Google-Managerin, die vielleicht bald davor steht, eine Internet-Legende abwickeln zu müssen. Dabei hätte alles anders werden können.

„Turnaround ohne Turnaround“

Im Februar 2008 hatte der damalige Microsoft-Chef Steve Ballmer 53 Milliarden Dollar für Yahoo geboten – doch die Verantwortlichen lehnten ab. Heute besteht die absurde Situation, dass Yahoo an der Börse praktisch nur noch so viel Wert ist wie seine Alibaba-Beteiligung und Cash-Bestände. Jetzt wird quasi alles auf der Resterampe angeboten.

Dienste wie Yahoo Finance, Yahoo Sport und Yahoo-E-Mail haben immer noch beachtliche Anhänger und hohe Besucherzahlen. Das ändert aber nichts an der paradoxen Situation der Null-Bewertung von Yahoos Kerngeschäften an der Börse. Zieht man den Wert von Alibaba und die Bargeldreserven von der Börsenkapitalisierung ab, bleibt praktisch nichts mehr übrig.

Colin Gilles, Analyst bei BGC-Partners brachte es am Dienstag bei CNBC so auf den Punkt: „Es ist ein Turnaround ohne Turnaround.“ Trotzdem sprach er eine Kaufempfehlung für die Aktie aus. Denn das alles sei nur noch ein Problem des „Finance Engineerings“, der finanziellen Ingenieurskunst. Ausschlachten und ganz oder in Teilen verkaufen. Am besten geschehe das, so Gilles, privat, also ohne Börsennotierung. So wie es Computer-Pionier Dell vorgemacht hat.

Angeblich, so das „Wall Street Journal“, sind Telekomriesen wie AT&T oder Verizon zumindest interessiert an Yahoo. Doch egal ob privates oder teilverkauftes Yahoo: Eine Chefin wie Marissa Mayer braucht das Unternehmen nicht mehr.

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