Nichts symbolisiert die Situation bei Yahoo so deutlich wie die Architektur der letzten Betriebsfeier im alten Warenhaus in Dogpatch, San Francisco. Da trohnte Marissa Mayer im abgesperrten VIP-Bereich und hielt Hof, im bodenlangen Abendkleid, auf einer blütenweißen Chaiselongue. Einzelne Mitarbeiter durften vortreten und ein Selfie schießen.
Die Yahoo-Chefin gilt als unnahbar, ungeduldig, hart im Umgangston. Statt andere zu promoten, so hieß es firmenintern, promotete Marissa vor allem Marissa. Ihr rigider Führungsstil gilt als einer wichtigsten Gründe dafür, warum sie daran gescheitert ist, den kriselnden Internetriesen wieder auf Kurs zu bringen.
Jetzt steht Yahoo vor der Zerschlagung. Mayer hat das Kerngeschäft mit Internetwerbung zum Verkauf gestellt, die Frist für die potentielle Bieter läuft ab. Wieder hat die 40-Jährige für sich selbst gut ausgesorgt. Verlässt sie die Firma nach einer Akquise, erhält sie eine Entschädigung in Höhe von um die 37 Millionen Dollar, sonst nur 12 Millionen Dollar.
Die zehn größten IT-Übernahmen weltweit nach Kaufpreis
Im Jahr 2010 schluckte Microsoft die norwegische Suchmaschine Fast. Das 1997 gegründete Unternehmen ist auf Suchmaschinenprogramme für Firmenkunden spezialisiert. Der Kaufpreis soll 1,2 Milliarden US-Dollar betragen haben.
Quelle: Statista
2006 übernahm Google Youtube für 1,65 Milliarden US-Dollar. Youtube, damals noch ein defizitäres Start-Up-Unternehmen, war für Google zu diesem Zeitpunkt der teuerste Kauf in der achtjährigen Firmengeschichte.
2014 überrasche Facebook Branchenkenner mit dem Kauf von von Oculus VR. Zwei Milliarden US-Dollar zahlte Facebook für den Hersteller von VR-Brillen, die speziell für PC-Spiele ausgelegt sind. Mit dem Unternehmen hat Mark Zuckerberg großes vor. „Oculus hat die Chance, die sozialste Plattform überhaupt zu werden“, sagte er anlässlich der Übernahme.
Nur ein Jahr nach der Youtube-Übernahme kaufte Google für sage und schreibe 3,1 Milliarden US—Dollar den Anzeigenriesen Doubleclick. Auch Microsoft, AOL und Yahoo waren interessiert, hatten allerdings das Nachsehen. Schon vor dem Zukauf hatte Google die führende Stellung im Geschäft mit der Internet-Werbung inne. Mit der Übernahme konnte Google diese Position noch weiter ausbauen.
Ähnlich viel wie für Doubleclick zahlte Google für den Kauf Nest Labs: 3,2 Milliarden US-Dollar. Die Firma, die smarte Thermostate und Rauchmelder herstellt hat für Google ein ganz besonderes Potenzial: Sie ermöglicht Google das Sammeln von Daten in der analogen Welt.
Nur einen Monat, nachdem Google Microsoft Doubleclick vor der Nase weg kaufte, legte Microsoft 2007 nach und kaufte für 6,3 Milliarden US-Dollar Aquantive – einen Wettbewerber Doubleclick. Für Microsoft war das bis dato der größte Zukauf der Firmengeschichte. Letztendlich war es ein Flop für Microsoft.
Im Jahr 2013 kaufte Microsoft für 5,4 Milliarden US-Dollar die Handysparte von Nokia. Bereits seit 2011 hatten beide Unternehmen zusammengearbeitet – Nokia war der wichtigste Hersteller für Smartphone mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows Phone.
2011 tätigte Microsoft den bis dato teuersten Kauf seiner Firmengeschichte: Für 8,5 Milliarden US-Dollar übernahm Microsoft den Online-Telefondienst Skype. Rentiert hat sich das bis heute nicht. Skype fehlt es an zahlenden Kunden.
Im August 2011 kündigte Google an, den Mobilfunk-Pionier Motorola Mobility zu übernehmen. Insgesamt 12,5 Milliarden US-Dollar zahlte Google dafür. Interessant seien für Google nach eigenen Angaben vor allem das 17.000 Eintragungen umfassende Patentportfolio Motorolas gewesen. Die Liasion hielt nicht lange. 2014 verkaufte Google das Unternehmen für knapp drei Milliarden US-Dollar an Lenovo.
Im Februar 2014 kündigte Facebook an, den Messanger-Dienst Whatsapp zu übernehmen. Der damalige Kaufpreis: 19 Milliarden US-Dollar. Facebook hat Whatsapp wegen des schnell Nutzerzuwachs übernommen. Mittlerweile hat Whatsapp 700 Millionen Nutzer weltweit.
Ein Sieg ist das „Endspiel um Yahoo“ für sie trotz der Millionen nicht, sondern eine Niederlage auf ganzer Linie, zeigt sich der RBC-Analyst Mark Mahaney überzeugt. „Yahoo steht schlechter da als je zuvor. Die Reputation der Firma im Valley ist zerstört. Es ist schwer überhaupt irgendeinen Geschäftsbereich zu finden, in dem Mayer erfolgreich war.”
Wenn Yahoo durch die neue Chefin auch nur ein kleines bisschen besser da steht, hieß es stets in der Branche, als Mayer 2012 ihren Posten übernahm, dann hat sie schon gewonnen. Zu groß erschien die Aufgabe, den lahmen Internet-Pionier wieder auf Kurs zu bringen.
Doch die Managerin hat nichts an der Situation geändert. Aus der Heilsbringerin von damals wird nun die Nachlassverwalterin einer großen Idee. Mehrere Unternehmen haben bereits Interesse an einem oder mehreren Teilen von Yahoo gezeigt. Als Favorit gilt der Telekommunikationskonzern Verizon, der vergangenen Juni bereits den Ex-Internet-Riesen AOL für 4,4 Milliarden Dollar erworben hatte.
Als weitere Interessenten werden der britische Verlag der “Daily Mail” gehandelt, der vor allem an Yahoos Sport-Sparte interessiert ist, weiterhin der Time-Verlag sowie die Investorenfirmen Blackstone und KKR. Bei Verizon könnte Manager Tim Armstrong, mit dem Mayer ehemals bei Google zusammengearbeitet hatte, Yahoos Internetgeschäft in das von AOL integrieren. Die Ex-Yahoo-Chefin müsste das Feld räumen.
Es hapert im mobilen Geschäft
Große Erfolge hätte die scheidende Chefin nicht vorzuweisen. Richard Windsor von Edison Investment Reseach hält die Probleme Yahoos für absolut tiefgreifend. „Das Kerngeschäft läuft schlecht, weil sich die Monetarisierungsoptionen in Bereiche verschoben haben, in denen Yahoo schlecht aufgestellt ist“. Besonders hapere es im mobilen Geschäft. „Im vierten Quartal 2015“, so Windsor, „hat Yahoo stolz berichtet, man habe 291 Millionen Dollar mobil umgesetzt. Leider glauben wir, dass es bei einer konsequenten Entwicklung einer tragfähigen Mobilstrategie rund 2,3 Milliarden Dollar sein müssten.“
Yahoo befindet sich in schlechterem Zustand als je zuvor, verliert immer mehr des Kerngeschäfts mit Werbung an Google und vor allem an Facebook. Mayer hat aus erfolgsversprechenden Einkäufen wie den Startups Tumblr und Brightroll nichts gemacht. Stattdessen musste sie die größte Kündigungswelle der Firmengeschichte verkünden. Unter ihr baute Yahoo 15 Prozent der knapp 10.700 Arbeitsplätze ab und gab Büros und komplette Unternehmensteile auf.
Die geplante steuerfreie Veräußerung der milliardenschweren Anteile am chinesischen Konzern Alibaba, zeitweise ebenso viel wert wie ganz Yahoo, konnte sie ebenso nicht so absolvieren wie geplant. Mayer hatte die Erlöse der Transaktion an die Aktionäre ausschütten wollen.