Marissa Mayer, gekleidet in blauer, mit Blumen verzierter Bluse, und dunkler Strickjacke, versuchte am Montagabend bei ihrer via Online-Video übertragenen Präsentation der jüngsten Yahoo-Quartalszahlen, diese schön zu reden. „Wir haben die geringsten Kosten und Personalstand seit 2005“, so Mayer. „Wir schauen bei den Ausgaben auf jeden Dollar“, bekräftigte Finanzchef Ken Goldman.
Doch die Zahlen sind, wie so oft seit ihrem Antritt als Yahoo-Chefin im Juli vor vier Jahren, schlecht. Zwar legte der Umsatz um knapp fünf Prozent auf 1,3 Milliarden Dollar zu. Im Vorjahreszeitraum waren es 1,24 Milliarden Dollar. Doch der Aufwand, ihn zu erreichen, schnellte von 200 Millionen Dollar auf 466 Millionen Dollar.
Zudem änderte das Unternehmen den Ausweis seiner Umsätze. Ohne das hätte der Umsatz nur bei 1,06 Milliarden Dollar gelegen. Der Verlust stieg von 22 Millionen Dollar auf 440 Millionen Dollar.
Kurz: Yahoos Geschäfte laufen mies. Das Unternehmen lebt weiter von der Substanz, inklusive dem Veräußern von Immobilien im Silicon Valley sowie Patenten. Der lange diskutierte Verkauf an einen externen Investor lässt sich nicht vermeiden.
Doch das Interesse von Käufern ist gering. Es hat offenbar nicht einmal die erneut schlechten Quartalszahlen benötigt, um viele der angeblich bis zu 40 Interessenten am Ende doch von einem Gebot abzuhalten. Laut dem „Wall Street Journal“, das bislang sehr ausführlich über das Yahoo-Bieterverfahren berichtet hat, haben Interessenten wie die Google-Mutter Alphabet, der Medienkonzern Time und die US-Telekom-Riesen AT&T und Comcast nicht für Yahoo geboten. Wie „Bloomberg“ berichtet, hat sich auch Microsoft dagegen entschieden.
Als aussichtsreichster Anwärter gilt der Telekommunikations-Gigant Verizon. Er könnte die Medienangebote von Yahoo mit seiner Web-Sparte AOL zusammenrühren, in der die für über 300 Millionen Dollar gekaufte „Huffington Post“ sowie diverse Blogs wie „TechCrunch“ stecken. Analysten spekulieren, ob sie zusammen genug Gewicht hätten, um es mit Schwergewichten des Online-Werbegeschäfts wie Google oder Facebook aufzunehmen. Interesse soll auch der Milliardär Dan Gilbert haben, Eigentümer des Basketballteams Cleveland Cavaliers. Er wird von Investorenlegende Warren Buffett unterstützt. „Yahoo ist kein Unternehmen, in das ich investieren würde“, so Buffett gegenüber dem US-Fernsehsender CNBC. Doch wenn Gilbert, den er bewundere, Finanzierung benötige, dann würde er ihn unterstützen.
Die zehn größten IT-Übernahmen weltweit nach Kaufpreis
Im Jahr 2010 schluckte Microsoft die norwegische Suchmaschine Fast. Das 1997 gegründete Unternehmen ist auf Suchmaschinenprogramme für Firmenkunden spezialisiert. Der Kaufpreis soll 1,2 Milliarden US-Dollar betragen haben.
Quelle: Statista
2006 übernahm Google Youtube für 1,65 Milliarden US-Dollar. Youtube, damals noch ein defizitäres Start-Up-Unternehmen, war für Google zu diesem Zeitpunkt der teuerste Kauf in der achtjährigen Firmengeschichte.
2014 überrasche Facebook Branchenkenner mit dem Kauf von von Oculus VR. Zwei Milliarden US-Dollar zahlte Facebook für den Hersteller von VR-Brillen, die speziell für PC-Spiele ausgelegt sind. Mit dem Unternehmen hat Mark Zuckerberg großes vor. „Oculus hat die Chance, die sozialste Plattform überhaupt zu werden“, sagte er anlässlich der Übernahme.
Nur ein Jahr nach der Youtube-Übernahme kaufte Google für sage und schreibe 3,1 Milliarden US—Dollar den Anzeigenriesen Doubleclick. Auch Microsoft, AOL und Yahoo waren interessiert, hatten allerdings das Nachsehen. Schon vor dem Zukauf hatte Google die führende Stellung im Geschäft mit der Internet-Werbung inne. Mit der Übernahme konnte Google diese Position noch weiter ausbauen.
Ähnlich viel wie für Doubleclick zahlte Google für den Kauf Nest Labs: 3,2 Milliarden US-Dollar. Die Firma, die smarte Thermostate und Rauchmelder herstellt hat für Google ein ganz besonderes Potenzial: Sie ermöglicht Google das Sammeln von Daten in der analogen Welt.
Nur einen Monat, nachdem Google Microsoft Doubleclick vor der Nase weg kaufte, legte Microsoft 2007 nach und kaufte für 6,3 Milliarden US-Dollar Aquantive – einen Wettbewerber Doubleclick. Für Microsoft war das bis dato der größte Zukauf der Firmengeschichte. Letztendlich war es ein Flop für Microsoft.
Im Jahr 2013 kaufte Microsoft für 5,4 Milliarden US-Dollar die Handysparte von Nokia. Bereits seit 2011 hatten beide Unternehmen zusammengearbeitet – Nokia war der wichtigste Hersteller für Smartphone mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows Phone.
2011 tätigte Microsoft den bis dato teuersten Kauf seiner Firmengeschichte: Für 8,5 Milliarden US-Dollar übernahm Microsoft den Online-Telefondienst Skype. Rentiert hat sich das bis heute nicht. Skype fehlt es an zahlenden Kunden.
Im August 2011 kündigte Google an, den Mobilfunk-Pionier Motorola Mobility zu übernehmen. Insgesamt 12,5 Milliarden US-Dollar zahlte Google dafür. Interessant seien für Google nach eigenen Angaben vor allem das 17.000 Eintragungen umfassende Patentportfolio Motorolas gewesen. Die Liasion hielt nicht lange. 2014 verkaufte Google das Unternehmen für knapp drei Milliarden US-Dollar an Lenovo.
Im Februar 2014 kündigte Facebook an, den Messanger-Dienst Whatsapp zu übernehmen. Der damalige Kaufpreis: 19 Milliarden US-Dollar. Facebook hat Whatsapp wegen des schnell Nutzerzuwachs übernommen. Mittlerweile hat Whatsapp 700 Millionen Nutzer weltweit.
Wer auch immer aus dem monatelangen Bieterverfahren als Sieger hervorgeht, muss laut einem Medienbericht zusätzlich zum Übernahmepreis noch eine mögliche Milliarden-Zahlung an den Firefox-Entwickler Mozilla einplanen. Der Deal, mit dem Yahoo sich den Platz als Standard-Anbieter von Internet-Suche in dem Web-Browser in den USA sicherte, sehe eine teure Ausstiegs-Klausel vor, schrieb das Technologieblog Recode Anfang Juli. Wenn die Mozilla Stiftung den neuen Yahoo-Besitzer nicht akzeptieren wolle und die Vereinbarung aufkündige, stünden dem Browser-Entwickler 375 Millionen Dollar jährlich bis einschließlich 2019 zu, hieß es unter Berufung auf den Vertragstext.
Yahoo-Chefin Marissa Mayer, die von Google kam, wollte den Internet-Pionier unbedingt ins Geschäft mit der Websuche zurückbringen. Ihre Vorgänger hatten die Entwicklung eigener Suchmaschinen-Technologie eingestellt. Mayer setzte auf den Firefox-Deal, um mehr Nutzer auf die Yahoo-Suchmaschine zu leiten und so das Geschäft in Schwung zu bringen. „Wir haben Optionen, um uns mit Mozilla zu einigen“, beschwichtigte Mayer während der Präsentation der Quartalszahlen. Yahoo hatte sich zum Verkauf gestellt, nachdem es nicht gelang, die Beteiligung an der chinesischen Handelsplattform Alibaba steuerfrei für die Aktionäre abzuspalten.
Netflix als Vorbild für Yahoo
Vor dem neuen Eigentümer – wie auch immer er heißen mag – steht nun die gleiche Aufgabe, deren Lösung Marissa Mayer vor vier Jahren bei ihrem Amtsantritt versprach: Yahoo wieder auf Wachstumskurs zu führen. Wie traditionelle Medienunternehmen hat Yahoo attraktive Inhalte zu bieten, vor allem im Bereich Finanzen, Unterhaltung und Sport. Jeden Monat besuchen knapp eine Milliarde Nutzer Angebote von Yahoo, damit immer noch einer der meistfrequentierten Marken des Internet.
Yahoo bündelt nicht nur Inhalte anderer Medien, sondern hat unter Chefin Marissa Mayer auch die Produktion eigener Inhalte stark ausgebaut. Populär sind vor allem die Videos der ehemaligen US-Fernsehmoderatorin Katie Couric. Die hatte zwar ihr kommissarischer Vorgänger Ross Levinsohn ursprünglich zu Yahoo gelockt, doch Mayer sonnte sich schnell in ihrem Schein.
Couric, die Stars wie Robert de Niro, Robert Redford oder Breaking Bad Star Bryan Cranston für Yahoo interviewte, ist der Quotenbringer des Konzerns. Was sie sich mit geschätzten zehn Millionen Dollar Jahresverdienst auch fürstlich bezahlen lässt. Mayers Strategie war, mit eigenen Inhalten ihre Nutzer stärker an sich zu binden. Als Vorbild diente der US-Onlinevideo-Gigant Netflix. Der gab allein im vergangenen Jahr 4,5 Milliarden Dollar aus, um mit eigenen Inhalten seine Programmbibliothek aufzuwerten.
„Yahoo hat sich verzettelt, vor allem unter Mayer“
Doch Netflix ist ein Abodienst, verlangt mittlerweile zehn US-Dollar monatliche Zugangsgebühr. Yahoo muss hingegen seinen Unterhalt aus Online-Werbegeldern bestreiten. Und seine größten Konkurrenten Google und Facebook beweisen jedes Quartals auf neue, dass man fürs Geldscheffeln bei digitaler Werbung keine eigenen, kostspieligen Inhalte benötigt. Google hat seine Infrastruktur rund um das Auffinden von Informationen getrimmt. Facebook hat sich auf das Präsentieren von Inhalten spezialisiert, die von seinen eigenen Mitgliedern entweder kuratiert oder selbst produziert werden.
Und Yahoo? Es bietet von allem ein bisschen, von Suchaktivitäten in Kooperation mit Microsoft, über mobile Dienste wie Wetter, Email, Messenger, Fantasy-Football, Nachrichten, selber produzierte Videos, den Foto-Speicherdienst Flickr, etwas E-Commerce und Technologien zum Ausliefern von Online-Werbung – ein Medienhaus mit starker Technologieabteilung. „Die haben keinen klaren Fokus“, schimpft Hedgefonds-Investor und Yahoo-Aktionär Eric Jackson. „Yahoo hat sich verzettelt, vor allem unter Mayer.“
Dabei startete Yahoo Mitte der neunziger Jahre an der Stanford Universität ursprünglich als Dienstleister. Seine Gründer Jerry Yang und David Filo ordneten Webseiten und formten aus ihren Link-Sammlungen den ersten Internet-Katalog, später gefolgt durch eine eigene Suchmaschine. Doch Yahoo-CEO Timothy Koogle überzeugte die Gründer im Jahr 2000, dass eigene Suchtechnologie nicht mehr wettbewerbsentscheidend sei und verpflichtete als Dienstleister das damals noch weitgehend unbekannte Startup Google.
Sein Nachfolger Terry Semel versuchte, den folgenschweren Fehler zu korrigieren. Ohne Erfolg. Googles Gründer schlugen Semels Kaufangebot in Höhe von drei Milliarden Dollar aus. Genau wie ein paar Jahre später Mark Zuckerberg. Der Facebook-Gründer, so die Vereinbarungen mit seinen Wagniskapitalgebern, hätte bei einem Gebot von mehr als einer Milliarde Dollar verkaufen müssen. Statt zu erhöhen, verlor Semel die Traute, senkte seine Offerte sogar unter die Milliardengrenze.
Mayers Übernahmen waren meist ein Flop
Dafür gelang dem ehemaligen Hollywood-Studiochef eine der besten Investitionen in der Geschichte des Silicon Valley. Gemeinsam mit Yahoo-Gründer Yang setzte er ein Joint-Venture mit dem aufstrebenden chinesischen Start-up-Unternehmer Jack Ma durch. Für eine Milliarde Dollar und Yahoo China erhielt Yahoo einen 30 Prozent Anteil an Mas Startup Alibaba, heute das größte Internet-Unternehmen Chinas. Das eingesetzte Kapital hat sich seitdem für Yahoo mehr als vervierzigfacht und dem Konzern finanziell den Rücken freigehalten.
Auf einen ähnlichen Erfolg hoffte Yahoo Verwaltungsrat Daniel Loeb, als der Hedgefonds-Tycoon im Sommer 2012 die damalige Google-Topmanagerin Mayer für die Yahoo-Spitze rekrutierte. Zehn Monate später platzierte diese wie erwünscht ihre größte Wette und ließ 1,1 Milliarden Dollar für den Kauf des New Yorker Microblog-Netzwerks Tumblr springen. „Wir versprechen, es nicht zu vermasseln“, gelobte Mayer und sicherte Tumblr-Gründer David Karp größtmögliche Autonomie zu. Um Tumblr ist es seitdem still geworden. Die Akquise gilt inzwischen als Flop. Im jüngsten Quartal hat Yahoo nochmal 482 Millionen des Wertes von Tumblr abgeschrieben, zuvor schon 230 Millionen Dollar. Damit hat sich bereits über die Hälfte des Wertes von Tumblr in Luft aufgelöst.
Lässt sich Yahoo noch retten?
In Karp steckte nicht wie gehofft ein neuer Jack Ma. In einem zunehmenden Verdrängungswettbewerb konnte er sich nicht gegen Facebook und den aufstrebenden Newcomer Snapchat durchsetzen. Auch die 48 anderen Zukäufe für geschätzte drei Milliarden Dollar, zuletzt der Modehändler Polyvore für 160 Millionen Dollar, bescherten zwar Talente, aber kein Wachstum.
Trotz seiner langjährigen Kritik glaubt Yahoo-Aktionär Jackson, dass sich Yahoo retten lässt. Er war stets gegen einen Verkauf. Aber seine Turnaround-Strategie, die er Ende vergangenen Jahres an den Yahoo-Verwaltungsrat schickte, ist für den neuen Eigentümer zumindest einen Blick wert. Jackson meint, dass Yahoo sich statt Zukäufen auf sein vorhandenes Geschäft fokussieren sollte, vor allem auf die Nutzer, die immer noch zuverlässig sein traditionelles Web-Portal frequentieren, auf der Suche nach Finanz- und Sportnachrichten, Unterhaltung, Mail – und Fotodienste.
Mit den Einnahmen schlägt er vor, auch weiterhin eigene Inhalte zu produzieren, diese aber auch an andere zu lizenzieren, um die Kosten gegenzufinanzieren. Der Haken: Yahoos Mitarbeiter, ohnehin gebeutelt durch konstante Umstrukturierungen, müssten sich einem bislang unvergleichlichen Aderlass unterziehen. Die Belegschaft soll von 11.000 Mitarbeitern auf unter 3000 schrumpfen und Vergünstigungen wie freies Essen gestrichen werden. Eine Antwort bleibt der Hedgefonds-Manager allerdings schuldig – wer zu diesen Konditionen dann noch freiwillig für Yahoo arbeiten will. Das Silicon Valley müsste schon insgesamt in eine Krise schlittern und attraktive Arbeitsplätze dezimieren, damit sein Plan aufgeht.