Zalando, Trivago Die Tempel der Start-ups

Nicht nur Facebook und Google setzen sich mit gigantischen Zentralen steinerne Denkmale. Auch deutsche Start-ups bauen derzeit futuristische Büros für Tausende Mitarbeiter: Zalando in Berlin und Trivago in Düsseldorf.

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Der neue Apple-Campus in Cupertino Quelle: dpa

Die Pharaonen pflegten, ihren Dynastien mit Pyramiden Unsterblichkeit zu verleihen. Start-up-Unternehmen sind oft erst wenige Jahre alt, setzen sich aber schon zu Lebzeiten steinerne Denkmale. Rund um das Silicon Valley überbieten sich derzeit Unternehmen wie Facebook, Google und Apple mit futuristischen Neubauten gigantischer Bürotempel. Genauso wie das Geschäftsmodell soll auch die Zentrale herausragen und einzigartig sein.

Ambitionierte deutsche Start-ups wollen da nicht zurückstehen: Der Berliner Online-Modehändler Zalando und das Hotelpreisvergleichsportal Trivago aus Düsseldorf errichten demnächst Monumente ihrer Marktmacht.

Facebook hat im Frühjahr 2015 seinen neuen Campus in Menlo Park eröffnet. Geplant hat ihn der kanadische Stararchitekt Frank Gehry. Gründer Mark Zuckerberg hat von ihm das „größte Großraumbüro der Welt“ bauen lassen – rund 2800 Leute arbeiten auf 40.000 Quadratmetern in einem einzigen Raum. Schöne neue Arbeitswelt.

Darüber befindet sich ein begrünter Dachgarten mit langen Spazierwegen. „Von außen sieht es aus wie ein Hügel in der freien Natur“, sagt Zuckerberg. „Das Gebäude ist ziemlich simpel und gar nicht stylisch.“ Der Campus sei bewusst flexibel gehalten, damit er sich der ständig wandelnden Kultur des Business anpassen könne, erklärt Architekt Gehry die Philosophie des Gebäudes.

Google (Alphabet) hat gleich mehrere Bauprojekte laufen. Die Neubauträume hatten im Mai jedoch einen herben Dämpfer erfahren. Das vorgesehene Grundstück am Stammsitz im kalifornischen Mountain View wurde teilweise LinkedIn zugesprochen. Die Einwohner wollten offenbar nicht noch mehr Google-Dominanz in ihrer Kleinstadt.

Entworfen hat das Projekt „Bay View“ das Büro NBBJ. Brücken sollen die geschwungenen Glaspaläste miteinander verbinden. Dadurch benötigt jeder Mitarbeiter – trotz 100.000 Quadratmeter Fläche – angeblich höchstens zweieinhalb Minuten bis zu jedem anderen Kollegen. Für das Projekt muss sich Google wohl nun einen anderen Standort suchen.

„Dass Unternehmen ihre wirtschaftliche Macht baulich demonstrieren, ist historisch nichts Neues“, konstatiert Benedikt Hotze, Architekturexperte vom Bund Deutscher Architekten. Man denke nur an die Rheinburgen, die Industrielle im 19. Jahrhundert wieder aufbauten, an die Villa Hügel der Krupps in Essen, die wie ein Tempel auf der Anhöhe in einem Park liegt. Auch das Versandhausimperium Quelle hatte sich in den 60er-Jahren von Architekt Ernst Neufert in Nürnberg ein Denkmal setzen lassen.

Derzeit baut Apple eine neue Zentrale für 13.000 Mitarbeiter. Der runde Glasbau mit einem Außenumfang von 1,6 Kilometern mutet an wie ein Riesen-Donut. In der Mitte liegt ein begrünter Innenhof. Offiziell wird die Arbeitsstadt in Cupertino mit 260.000 Quadratmetern „Spaceship“ genannt – irgendwie „nicht von dieser Welt“.

Autarke Unternehmensstädte


Apple-Mitarbeiter brauchen die grüne Bürostadt nicht mehr zu verlassen – sollen sie wohl auch gar nicht. Ein Wellness-Center sorgt für den Wohlfühlfaktor. Dass Privat- und Arbeitsleben immer mehr verschmelzen, ist bei dieser Architektur bewusst angelegt.

Entworfen hat das „Raumschiff“ Stararchitekt Norman Foster, der schon den Berliner Reichstag mit der Glaskuppel in eine neue Dimension brachte. Ende 2016 soll Eröffnung sein. „Ich will das beste Bürogebäude der Welt bauen“, soll Gründer Steve Jobs 2011 kurz vor seinem Tod gesagt haben.

Was den neuen Biotopen für Büroarbeiter gemein ist: Sie wollen Technik und Natur verbinden. „In der Regel werden so genannte Stararchitekten beauftragt – denen kommt es vor allem auf die Außenwirkung der Gebäude an, weniger auf deren Funktionalität“, sagt Hotze. Der Ring von Apple etwa solle mehr Kommunikation ermöglichen. „Tatsächlich aber ist diese Form dafür die denkbar ungeeignetste“, meint der Architekturexperte.

Glas und großflächige Büros sollen laut Hotze Transparenz symbolisieren, das Leitbild der Digitalunternehmen. Durch die offene Architektur sollen sich die Kreativarbeiter ständig zufällig begegnen und austauschen. Räume mit Privatsphäre? Fehlanzeige.

„Solch riesige Arbeitsräume haben oft etwas Galeerenhaftes“, gibt der Architekturexperte zu bedenken. Der Mensch brauche zuweilen private Rückzugsmöglichkeiten. Sonst leide die Arbeit.

In der Architektur gab es laut Hotze lange das Missverständnis: Stein ist böse und faschistisch, Glas ist gut und demokratisch. „Steine haben aber keine Gesinnung“, betont er. Es gebe auch kommunikative Architektur aus Steinen.

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Auffällig: Viele US-Firmen bevorzugen den Campus-Bau. „Das kennen Amerikaner schließlich aus Studienzeiten“, so Hotze. Auf dem Uni-Campus wird nicht nur studiert, sondern auch gewohnt und gelebt.

Aus dieser Prägung heraus propagierten viele amerikanische Konzerne, dass sich das soziale Leben möglichst auf dem Firmencampus abspielen solle. Deshalb bieten Firmen alles von Sport, Wellness, Parks und Restaurants bis zu Geschäften. Der Nachteil laut Hotze: „Wer sich nach Feierabend dort noch eine Flasche Whiskey kauft, tut dies unter den Augen des Arbeitgebers. Das erhöht die soziale Kontrolle.“

Viele dieser fast schon autarken Unternehmensstädte glichen „Gated Communities“, abgeschirmt von der Außenwelt durch Wachleute.

„In den USA gilt meist: Wer Geld hat, darf so bauen, wie er möchte“, beobachtet Architekturkenner Hotze. In Europa seien die Bauvorschriften zum Glück deutlich strenger. „Hier müssen sich Firmenzentralen ins Stadtbild einfügen und dürfen sich vor der Stadtöffentlichkeit nicht abschotten“, betont er. Der Düsseldorfer Medienhafen oder der Potsdamer Platz seien gelungene Beispiele.

Urlauben im Großraumbüro


So sind auch die Baupläne deutscher Start-ups einige Dimensionen kleiner als im Silicon Valley. Dafür dass sie mitten in der Stadt liegen, sind sie aber immer noch recht monumental.

Internethändler Zalando begann vor acht Jahren mit zwei Mann in einem kleinen Büro in Berlin-Mitte. Inzwischen hat der Online-Modeversender fast schon Konzerngröße erreicht. Im November präsentierte Zalando den Entwurf für die neue Zentrale nahe der East Side Gallery: Ein futuristisch anmutendes Gebäude mit 29.000 Quadratmetern auf sieben Etagen, dazu ein zweiter Bau mit 13.000 Quadratmetern. Von oben sieht es aus wie ein doppeltes X. Auf dem „Zalando Campus“ in Berlin-Friedrichshain sollen insgesamt 5000 Mitarbeiter unterkommen. „Der Kiez passt gut zu unserem Team“, sagte Finanzvorstand Rubin Ritter bei der Vorstellung der Pläne.

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Der erste Spatenstich soll im zweiten Quartal 2016 erfolgen, Einzug wäre Mitte 2018. Entworfen hat die neue Zalando-Zentrale das Architekturbüro Henn, das bereits für Dax-Konzerne wie BMW oder VW gearbeitet hat: „Einzelbüros, verschlossene Türen und massive Fassaden passen nicht zu Zalando“, betont Gunter Henn. Stattdessen soll die Inneneinrichtung Freizeitatmosphäre vermitteln mit Wohlfühlecken und Tischfußball. Zalando lässt sich dieses architektonische Denkmal 140 Millionen Euro kosten.

Die neue Zentrale von Trivago, der weltgrößten Online-Plattform für Hotelpreisvergleiche, mutet von oben nicht wie ein X an, sondern wie die Yin- und Yan-Zeichen. Alles fließt ineinander. Vor allem die Kreativität soll in den Gebäuden am hippen Düsseldorfer Medienhafen zum Fließen kommen. Entworfen haben sie die SOP Architekten.

„Unser Ziel ist es, die besten Talente aus aller Welt anzuziehen. Mit 63 Nationalitäten, die sich ein Büro teilen, ist es sehr wichtig, dafür zu sorgen, dass sich alle wohlfühlen“, sagt Sydney Burdick, Kommunikationschef von Trivago. Das 2005 in Düsseldorf gegründete Unternehmen platzt am alten Standort mit fast 1000 Leuten aus allen Nähten. In der neuen sechsstöckigen Zentrale am Rheinhafen soll auf 26.000 Quadratmetern Platz für 2000 Leute sein.

Für den Fall, dass die Expansion ungebremst weitergeht, hat Trivago vorgesorgt: Zusätzliche 1500 Mitarbeiter könnten in einem 16-geschossigen Gebäude nebenan unterkommen. Der neue Bau soll 2018 bezugsfertig sein. Auch hier wird wie in der bisherigen Zentrale Freizeitatmosphäre intoniert – mit Fitnessstudio, Strandkörben, Palmen, Barbecue und Laufwegen auf dem Dachgarten.

Doch wie die Pyramiden kommen auch Bürotempel irgendwann einmal in die Jahre. Der Nachteil von Monumentalbauten, die auf ein Großunternehmen speziell zugeschnitten sind: „Die Nachnutzung wird schwierig“, gibt Architekturexperte Hotze zu bedenken. Das gilt beim Quelle-Bau von Ernst Neufert genauso wie beim IBM-Campus in Stuttgart-Vaihingen.

Der denkmalgeschützte Bau von Egon Eiermann steht seit 2009 leer. Zwischenzeitlich wurde sogar erwogen, ihn als Flüchtlingsheim zu nutzen. Erst im Oktober fand sich ein Käufer der ehemals so stolzen IBM-Firmenzentrale. Was aus dem heruntergekommenen Areal von 27 Fußballfeldern einmal werden soll? Das ist bis heute offen.

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