Zenly-Kauf und Snap Maps Snapchat auf der Suche nach sich selbst

Mit dem Kauf des Start-ups Zenly und einer neuen Funktion auf der Plattform versucht Snapchat wieder zum großen Konkurrenten Facebook aufzuschließen. Doch der Druck auf den Hype-Dienst wächst. Eine Analyse.

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Der Dienst versucht sich weiter von Facebook abzugrenzen. Quelle: Reuters

Düsseldorf Snap-Chef Evan Spiegel wird in diesen Tagen öfter an die Geschichte von Hase und Igel denken: In der Fabel treffen sich beide Tiere zum Wettlauf. Überraschend gewinnt der Igel jede Runde mit Hilfe eines Tricks – und begrüßt den verdutzten Hasen immer mit denselben Worten: „Ich bin schon da.“

Diese Geschichte ist vergleichbar mit der Beziehung von Snapchat und seinem ärgsten Konkurrenten Facebook. Evan Spiegel, Gründer und Chef der Betreiberfirma Snap, lehnte einst ein Kaufangebot von Mark Zuckerberg ab, war er doch sicher, dass er den Wettlauf der sozialen Netzwerke gewinnen würde. Da hatte er die Rechnung aber ohne Zuckerbergs Gerissenheit gemacht: Wenn dieser schon nicht haben konnte, was er wollte, dann eben anders.

Nach und nach implementierte Zuckerberg Funktionen auf seinen Diensten WhatsApp, Facebook und Instagram, die denen von Snapchat zum Verwechseln ähnlich sehen. Und wie der Igel ist Zuckerberg damit Spiegel fast immer den entscheidenden Schritt voraus.

Besonders seit Vorlage der jüngsten Quartalszahlen steht der Foto- und Videoschnipseldienst unter Druck. Snapchat reagiert mit einer ganzen Reihe von Neuerungen: Eine Kooperation mit dem Filmproduktionsriesen Time Warner, der Verkaufsstart der Videobrille Spectacles in Europa und nun der Kauf des französischen Start-ups Zenly. Die Zeit drängt: Snapchat muss wieder Erfolgsgeschichten liefern.

Ganz in Manier des Hasen aus der Fabel gab sich Snapchat-Gründer Spiegel zuletzt siegessicher, was manch ein US-Analyst ihm als Arroganz auslegte: Nach den desaströsen Quartalszahlen verfiel Spiegel nämlich erst einmal in ein lautes Lachen auf die Frage von Analysten, ob er Angst vor Facebook habe.

Und legte nach: „Nur weil Yahoo auch eine Suchmaske hat, macht es das nicht zu Google“. In dem Vergleich steht Google für Snapchat, Yahoo für Facebook. Spiegel wollte damit sagen: Nur weil Facebook Funktionen von uns kopiert, ist es noch lange nicht Snapchat.

Tatsächlich zeigen die Zahlen: Facebook mag derzeit zwar nicht Snapchat sein, aber so abgeschlagen wie Yahoo ist der Gigant bei weitem nicht. Mehr noch: Zuckerberg wird sogar immer besser. Vor zwei Monaten vermeldete Instagram bei seinem Snapchat-Klon Stories die Marke von täglich 200 Millionen Nutzern. Anfang dieser Woche waren es bereits 50 Millionen Nutzer mehr. Snapchat nutzen laut Unternehmensangaben rund 166 Millionen Menschen täglich – mit den letzten Quartalszahlen konnte der Dienst einen Zuwachs von knapp acht Millionen neuen Nutzern vermelden.


Spiegel muss nachlegen

Auch sonst waren die Zahlen enttäuschend: Der Werbeumsatz pro Nutzer sank innerhalb von drei Monaten von 1,05 Dollar auf 90 Cent. Zudem musste das Unternehmen einen Verlust von 2,2 Milliarden Dollar bei einem Umsatz von 149,7 Millionen Dollar verkünden. Zwei Milliarden davon entfielen auf Aktienoptionen für Mitarbeiter und Manager im Zuge des Börsengangs. Analysten zweifelten daran, ob der Dienst sein Werbegeschäft ausbauen kann.

Spiegel muss also nachlegen: Anfang der Woche hatte Snap so eine Kooperation mit dem Medienkonglomerat Time Warner verkündet. Der soll exklusive Shows für die Plattform produzieren und in Werbung auf Snapchat investieren.

Am Dienstag folgte dann noch eine weitere Neuerung: Mit der Funktion „Snap Maps“ sollen Nutzer nun ihre Freunde und Menschen überall auf der Welt entdecken können. Damit könnten bald auch bezahlte Zusatzinhalte möglich werden, die dazu beitragen könnten, den Dienst endlich aus den roten Zahlen zu bringen.

Apropos Zahlen: Auf der Ausgabeseite wird zudem ein teurer Zukauf zu Buche schlagen. Wie das Portal „Techcrunch“ berichtet, hat Snap schon im Mai das französische Start-up Zenly für einen Kaufpreis zwischen 250 und 350 Millionen US-Dollar gekauft – der bisher größte Zukauf in der Unternehmensgeschichte. Bezahlt wurde demnach in Bargeld und Aktien.

Mit der Location-App können Nutzer ihre Freunde auf einer Karte entdecken und sie direkt anchatten. Der Zukauf macht vor dem Hintergrund des neuen Features Sinn: Die neue Map-Funktion ähnelt der des Start-ups. „Techcrunch“ mutmaßt, dass Snap die Technologie dahinter einfach kopiert hätte. Wie weiter berichtet wird, soll die App erhalten bleiben.

Profitieren konnte die Snap-Aktie von den Produktoffensiven bislang kaum: Sie lag zuletzt mit knapp 25 Cent über dem Ausgabepreis von 17 Dollar. Zwischenzeitlich erreichte sie einen Kurs von 25 Dollar. Die nächsten Zahlen präsentiert der Konzern im August. Am Ende der Fabel bricht der Hase übrigens erschöpft zusammen. Seine Produktoffensiven haben Spiegel zumindest jetzt eine Verschnaufpause verschafft.

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