Zuckerbergs Video-Pläne Facebook TV geht auf Sendung

Ein soziales Netzwerk ist nicht genug: Mark Zuckerberg weitet Facebook in immer neue Geschäftsbereiche aus – jetzt stellt der Konzern eine neue TV-App vor. Kommt bald die erste Serie aus den Facebook-Studios?

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Der Facebook-Chef hat große Pläne. Quelle: Reuters

Düsseldorf Was hat Facebook mit CNN, der „New York Times“ oder Fox News gemeinsam? Eigentlich wenig, könnte man meinen: Facebook ist eine Plattform, die drei anderen Unternehmen sind Medienhäuser. Doch manch ein Internetnutzer macht diesen Unterschied nicht: Wie eine kürzlich veröffentliche Untersuchung des US-Meinungsforschungsinstituts Pew ergab, hält immerhin einer von zehn Befragten Facebook für einen Nachrichtenerzeuger, wenn sie nach der Quelle einer Nachricht gefragt wurden, die sie im Netz angeklickt hatten. Das verwundert, schließlich produziert Facebook keine eigenen Inhalte. Zumindest bisher.

Facebook, das war bisher Desktop und Handybildschirm. Jetzt entsteht noch ein weiterer Kanal: Wie das Unternehmen am Dienstag bestätigte, soll nun auch eine TV-App hinzukommen. Die ist gedacht für die sogenannten Set-Top-Boxen wie zum Beispiel Apple TV, Amazons Fire TV oder die entsprechenden Geräte des Samsung-Konzerns. Es ist der nächste Schachzug des Mark Zuckerberg, der sich schon lange von der simplen Plattform-Idee verabschiedet zu haben scheint.

Ob Musiklizenzen, Virtual Reality oder Kooperationen mit Medienunternehmen – Zuckerberg weitet die Geschäftsbereiche des Konzerns immer weiter aus. Die neue TV-App soll nicht nur Inhalte Dritter präsentieren. Vieles deutet daraufhin, dass Facebook schon bald auch selbst Inhalte produzieren könnte.

Der beste Freund, der seinen Sommerurlaub auf Video festgehalten hat, die Liveübertragung vom Silvesterfeuerwerk am New Yorker Times Square oder der neueste Clip von der Lieblings-Comedysendung: All das sollen Facebook-Nutzer über die neue App sehen können – natürlich aber nur, wenn die Inhalte bereist auf der Plattform abrufbar sind. Videoempfehlungen sollen dem Zuschauer ausgespielt und zum Beispiel gespeicherte Filme angezeigt werden.

Das alles ist Teil von Mark Zuckerbergs großangelegter Videooffensive, die er bereits zu den vergangenen Quartalszahlen umriss. Video sei ein Megatrend, sagte der Facebook-Chef im Gespräch mit Analysten. Man wolle dafür sorgen, dass Menschen das soziale Netzwerk als Ort für interessante und relevante Videos begreifen: „Letztes Jahr haben wir begonnen, in mehr Videoinhalte zu investieren, um damit ein Ökosystem dafür zu erschaffen. Und wir planen, das 2017 auszubauen.“ Die TV-App scheint der wesentliche Faktor in Zuckerbergs Bewegtbild-„Ökosystem“.

Und sie trifft den Nerv der Zeit, ist Sebastian Buggert, Mitglied der Geschäftsführung beim Marktforschungsinstitut rheingold, überzeugt: „Auch in der Mediennutzung beobachten wir einen immer stärker werdenden Trend zur Personalisierung.“ Kunden hätten sich daran gewöhnt, dass für sie eine Vorabauswahl getroffen und gefiltert werde: „Viele Verbraucher sind sich über die entstehende Filterblase bewusst, aber auch über die komfortablen Seiten einer Selektion durch die Anbieter“, sagt Buggert.

Facebook liefere dabei die wohl stärkste Personalisierung und biete anders als Streamingdienste wie Netflix noch eine soziale Komponente. Für viele sei Facebook längst die erste Schnittstelle zu Medieninhalten und Information im Internet: „Diese Marktmacht weitet Facebook jetzt auf das Fernsehen aus.“ Das belegt auch die Untersuchung des Pew Research Center vom Februar 2017: Immerhin 35 Prozent der Befragten beziehen ihre Nachrichten über Soziale Netzwerke.


Facebooks mächtige Videooffensive

Auch Caja Thimm, Professorin für Medienwissenschaft an der Universität Bonn, ist von dem Schritt nicht überrascht: „Die Plattform verliert an wichtiger Zielgruppe und muss bisher Fremdinhalte wie Youtube einbinden. Da war klar, dass Facebook da langfristig mehr braucht.“

Die Plattform funktioniere nach dem „Walled-Garden-Prinzip“, so Thimm: „Das muss man sich wie einen Garten vorstellen, in dem Facebook immer neue Blümchen pflanzt, damit sich der Nutzer möglichst lange darin aufhält. Strategie sei es, eine Art unsichtbare Mauer zu bauen, damit keiner diesen Garten verlasse. „Proprietäre Systeme funktionieren so, um die Konkurrenz fern zu halten. Facebook versucht es mit mehr und mehr Angeboten.“ Eine höhere Verweildauer verspreche mehr Klicks: „Das ist die wichtigste Einheit für Facebook.“

Im Eiltempo hatte der Konzern in den vergangenen Wochen verschiedene Personalien bekannt gegeben. Mit Tamara Hrivnak verpflichtete Zuckerberg Ende Januar eine renommierte Anwältin für Musiklizenzrecht, die vorher bei Youtube und Google Play die Abteilung für Musikpartnerschaften geleitet hatte. Wie am Dienstag bekannt wurde, soll Facebook mit verschiedenen Musiklabels über Lizenzvergaben verhandeln und an einem System zur Sicherung von Urheberrechten arbeiten. Ziel sei es, so Medienberichte, dass Nutzer zukünftig ihre Videos mit Musik unterlegen können und auch die Labels selbst Videos auf der Plattform veröffentlichen können. Facebook könnte sich mit seiner TV-App zu einer Art MTV der Set-Top-Boxen entwickeln. Mit der Option zur Musikuntermalung dürfte zudem die Anzahl der Nutzervideos kräftig steigen.

Ein Hinweis auf eine weitere Funktionsweise der neuen App offenbart die Einstellung der TV-Journalistin Campbell Brown als Chefin für Medienpartnerschaften Anfang des Jahres. Brown arbeitete als NBC-Reporterin und hatte lange Jahre eine eigene Show auf CNN. Viele sahen ihre Einstellung als ein Zeichen für Facebooks Kampf gegen falsche Nachrichten. Nun zeigt sich: Browns Einstellung könnte auch in direkter Verbindung zur Entwicklung der TV-App stehen.

Schließlich bringt sie nicht nur das nötige Know-how mit, sondern auch wichtige Kontakte. Für Fernsehsender, aber auch andere Medienunternehmen könnte auch die TV-App zu einem weiteren Kanal werden. Schließlich nimmt die Bereitschaft für und Nutzung von Internet-Fernsehen in den vergangenen Jahren zu. Immer wieder wird darüber diskutiert, ob dem klassischen Fernsehen eine ähnliche Disruption wie den Printmedien bevorstehen könnte. Ein Kanal wie die TV-App von Facebook kann da neue Vertriebswege und Zielgruppen erschließen.

Auch Facebook würde davon profitieren: Starke Medienmarken versprechen Relevanz. Davon ist auch Medienforscher Buggert überzeugend: „Die qualitativ hochwertigen Inhalte erzeugen Glaubwürdigkeit und machen Facebook als Plattform interessant.“ Facebook professionalisiere sich zunehmend als Kurator für Medieninhalte, so Buggert.


Pläne könnten Gefahr für Youtube sein

Doch nicht nur als Inhalteverteiler könnte Facebook langfristig erfolgreich sein. Beobachter sehen in einer Personalentscheidung der vergangenen Woche einen Hinweis darauf, dass sich der Konzern langfristig auch als Produzent betätigen könnte. Mina Lefevre war bislang Vizepräsidentin beim Musiksender MTV und Chefin der Scripted-Sparte. Laut einem Bericht des US-Technikportals „The Verge“ soll sie bei Facebook die Entwicklung von Inhalten betreuen und zudem mit Ricky Van Veen zusammenarbeiten, der im vergangenen Jahr zu Facebook stieß und zum Chef der globalen Kreativstrategie benannt wurde.

Spannend: Van Veen gehört zu den Gründern des Portals „CollegeHumor.com“, das hochwertige Satire- und Comedyinhalte produziert. Käme die Selbstproduktion, wäre der Schritt zum Medienkonzern Facebook nicht mehr weit. Auch Medienwissenschaftlerin Thimm glaubt: „Der Markt mit Videos ist zu spannend, um daran nicht zu partizipieren. Amazon und Netflix machen sich mit Eigenproduktionen interessant.“ Facebook setze bisher eher auf Secondhand-Inhalte. Die Frage sei nur, wie lange noch: „Vieles spricht dafür, dass sich auch das ändern könnte“, ist Thimm überzeugt. Auch Amazon und Netflix starteten einst als Plattform und wurden über die Jahre zu Produzenten.

Das nötige Geld dafür könnte Facebook auch mit der TV-App einnehmen. Der Konzern arbeitet an sogenannten Ad-Breaks, die Videos in der Mitte für Werbeinhalte unterbrechen. Das bringt Werbeerlöse, die nicht nur Facebook zu Gute kommen werden. Für Premiuminhalte müssten die Ersteller entsprechend bezahlt werden, damit sich die Produktion lohne, sagte Mark Zuckerberg im Gespräch mit Analysten. Das System dahinter könnte dem von Youtube ähneln: Die Google-Tochter teilt sich die Einnahmen aus Werbe-Einspielern mit den Erstellern.

Bei den Youtube-Verantwortlichen dürften gerade die Alarmsirenen klingeln. Die TV-App von Facebook ist eine direkte Bedrohung für die Google-Tochter. Medienforscher Buggert meint: „Am Ende wird vielleicht sogar Youtube von Facebook als Plattform für Inhalte abhängig.“

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