Joschka Fischer Dick im Geschäft

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Zu der Kontaktschmiede gehört zum Beispiel James C. O’Brien, der im State Department unter Albright der Planungsabteilung angehörte und während des politisch heiklen Kriegs im Kosovo mit Fischer zusammenarbeitete. Auch Suzanne George, die in vielen Verbänden in den USA für eine Frauenquote in Konzernen eintritt und früher Mitglied im Wahlkampfteam von Albright war, ist Teil des neuen Beziehungsreservoirs. Fischer bedient sich der Amerikanerin heute, wenn er den Siemens-Konzern berät, dessen Vorstandschef Peter Löscher sich umfangreiche Karriereförderungsprogramme für Frauen auf die Fahnen geschrieben hat.

Ganz besonders wertvoll ist für Fischer der Kontakt zu Sandy Sherman, der ehemaligen Krisenberaterin im US-Außenministerium, die exzellente Kontakte in die chinesische Parteispitze unterhält.

Mit BMW, Siemens und der Einzelhandelskette Rewe hat JF&C Jahresverträge abgeschlossen, abgerechnet wird monatlich. Bei Bedarf sehen die Verträge einen „Prominentenauftritt“ vor, der extra honoriert wird – zum Beispiel bei Rewe und BMW. Dazu muss Fischer vor Mitarbeitern oder Gästen auftreten. Im Januar erschien er im Münchner „Club für moderne Marktmethoden“, einer Vereinigung von Marketingmanagern der Lebensmittelindustrie, im Auftrag von Rewe als Gast. Ständige Gäste sind Wurst- und Käsehersteller, so auch der Chef von Rügenwalder Teewurst. Am 24. Februar soll Fischer sich nach seinem Vorredner Wolfgang Burgard, dem Chef der Hamburger Holsten-Brauerei, bei einem Treff der Getränkebranche über Nachhaltigkeit ausbreiten – als Gesandter von Rewe.

Abwerbungen vom BDI

Eine echte Extrawurst ist für Fischer der Vertrag mit dem Essener Energiekonzern RWE. Den hat er nicht über seine Firma JF&C, sondern direkt mit dem RWE-Vorstand abgeschlossen. Dabei geht es um außenpolitische Beratung beim Erdgaspipeline-Projekt Nabucco, an dem RWE beteiligt ist. Über die Höhe der Vergütung wurde bereits viel spekuliert. Genaue Angaben macht keine der beiden Seiten. Fischers Honorar, schätzt ein Ex-RWE-Manager, dürfte aber „eine Million im Jahr nicht wesentlich unterschreiten“.

Für Minderheitsgesellschafter Huber und seine Mitarbeiter ist es ein echter Jammer, dass dieser Betrag nicht über die Firmenbücher läuft und die Gehälter der Mitarbeiter finanzieren hilft, sondern in Fischers Privatschatulle landet.

Fischer, der Metzgersohn aus dem württembergischen Dorf Gerabronn, sucht zeit seines Lebens die ganz großen Zusammenhänge, auch und gerade in seiner neuen Rolle als Unternehmer. Den Kleinkram des Gründers, von der Anmietung der Räume bis zur Einstellung von Mitarbeitern, überlässt er seinem Mitgesellschafter Huber.

Bei der Suche nach Fachleuten, die für seinen alten und neuen großen Vorsitzenden arbeiten, kennt Huber weder Respekt noch Berührungsängste. Er warb beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der nur fünf Gehminuten von Fischers Büro residiert, zwei Expertinnen für Nachhaltigkeitsmanagement ab. Die Damen arbeiten nun vor allem für die Projekte mit BMW und Siemens und bereiten die Gespräche zwischen Fischer und Löscher sowie Reithofer vor. Ein Kernpunkt solcher Zusammentreffen, bei denen Fischer erst die außenpolitische Weltlage darlegt, ist die Zukunft des Elektroautos – und welche Erwartungen chinesische, indische und brasilianische Wirtschaftspolitiker daran knüpfen.

Spaß an der Arbeit

Internationalität repräsentiert bei JF&C eigentlich nur Fischer. Stolz verweist sein Mitgesellschafter Huber auf eine Kanadierin, die englisch und französisch gleichermaßen fließend spreche. Er selber neigt dazu, auch mal einen alten Freund einzustellen. Markus Kamrad, Mitglied der Hamburger Grünen, ist so einer. Er war stellvertretender Pressesprecher des schwarz-grünen Senats und suchte noch schnell vor den Wahlen von Sonntag das rettende Ufer bei Fischer.

Fischer selbst hat offenkundig Spaß an seiner Arbeit, vor allem wenn er ihr außerhalb der Zentrale am Berliner Gendarmenmarkt nachgeht. Längst schmeckt es ihm wieder. Dass er inzwischen weit mehr wiegen dürfte als Deutschlands Wirtschaftskanzler Ludwig Erhard, ist unübersehbar.

Sein Faible für sportliche Motorräder hat Fischer deswegen nicht verloren. Während einer Betriebsbesichtigung des Berliner Motorradwerkes im Herbst 2009 konnte er anfassen, was PS-starke Wirtschaftsleistung ist. Im Leipziger BMW-Werk trat er bei einer Unternehmensshow und in Landshut bei einer Mitarbeitertagung auf. Solche Veranstaltungen besitzen stets einen großen Unterhaltungswert und bieten Fischer die Möglichkeit, sein rhetorisches Talent voll auszuspielen. Nebenbei bringen die Live-Auftritte bei BMW Geld, von dem JF&C nichts an die US-Partner abführen muss.

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