Kaffee Wo liegt eigentlich „To go“?

Kaffee wird unterwegs und im Büro aus dem Pappbecher geschlürft. Was ist dran am schnellen Genuss, was muss man beachten?

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DÜSSELDORF. Melanie Rothkegel hat ihre Kaffeedose ganz oben ins Küchenregal gestellt. Ins rechte Fach, wo auch die Töpfe und Teller stehen. Die Dose, die sie nur alle paar Wochen herauskramt. Zu einem besonderen Anlass. Wenn die Eltern zu Besuch kommen oder viele Freunde. Dann kocht sie eine gute Tasse Kaffee. Aber eben nur dann. Denn seit die Kaffeebar-Kultur in Deutschland Einzug gehalten hat, trinkt Rothkegel fremd. Holt sich ihre morgendliche Dosis Aufputschmittel nur noch bei der Kaffeebar um die Ecke. Und am liebsten „to go“. Das hat – auch wenn es sich fast so anhört – nichts mit der ehemaligen deutschen Kolonie in Afrika zu tun, sondern mit Mobilität. Denn „to go“ steht für nichts anderes als „zum Mitnehmen“. Hört sich nur ein bisschen schicker an, weil eben Englisch. Und praktisch ist der Kaffee für unterwegs allemal, findet Rothkegel: „Ich trinke am liebsten Latte Macchiato. Ihn mir zu Hause selbst zuzubereiten wäre mir zu viel Aufwand.“ Damit passt die Studentin zum Zeitgeist. Koffeinhaltige Heißgetränke zum Mitnehmen haben Hochkonjunktur. Träger der Pappbecher sind vor allem junge Menschen und Geschäftsleute. Zunächst ein Verkaufsmodell in Kaffeebars, bieten den Service inzwischen auch Bäckereien und Kioske an. „Coffee to go ist als Dienstleistung nicht mehr wegzudenken“, sagt der Trainer der Barista (Kaffee-Experten) und Vorsitzende der deutschen Barista-Meisterschaft, Steffen Schwarz. „Die Menschen trinken ihren Kaffee heute auf dem Weg zur Arbeit, im Büro oder im Auto.“

Lesen Sie weiter auf Seite 2:Der Trend wird sich, wie alle mobilen Lebensmittel, weiter ausdehnen.“

Während in den USA aber mehr als 90 Prozent des verkauften Kaffees außer Haus getrunken werden, sind es in Deutschland bisher lediglich 30 bis 40 Prozent. Schwarz sagt daher: „Da ist noch einiges an Potenzial drin. Der Trend wird sich, wie alle mobilen Lebensmittel, weiter ausdehnen.“ In Großbritannien jedenfalls macht „Coffee to go“ schon 70 bis 80 Prozent des verkauften Kaffees aus. Auch bei der Hamburger Kette „Balzac“ ist Kaffee zum Mitnehmen bereits ein wichtiges Standbein. „Als unser erster Laden 1998 eröffnet wurde, haben wir lediglich fünf Prozent als ‚Coffee to go’ verkauft. Mittlerweile sind es im Schnitt 50 Prozent“, erzählt die Geschäftsführerin Vanessa Kullmann. Wie stark das Konzept angenommen wird, hängt dabei vom Standort ab. Bei „World Coffee“ schwankt der Anteil der Getränke zum Mitnehmen zwischen 20 und 40 Prozent, beim weltgrößten Kaffeebar-Betreiber „Starbucks“ liegt das Mitnahmegeschäft zwischen 30 und 35 Prozent. Führte vor wenigen Jahren noch einfacher schwarzer Kaffee die Hitliste der beliebtesten Getränke in Deutschland an, wurde mittlerweile der heiße Italiener Latte Macchiato an die Führungsposition getrunken. Die warme Milch mit Espresso und Milchschaum wird eigentlich im Glas serviert, ist aber auch zum Mitnehmen im Pappbecher erhältlich. Und was einen guten Latte Macchiato ausmacht, erklärt Barista-Trainer Schwarz: „Die Milch sollte nicht über 65 Grad warm sein. Nur so erhält der Milchschaum diese cremige Struktur. Er sollte keine großen Blasen werfen, ähnlich wie Eischnee, aber nicht ganz so fest.“ Der Becher sollte isoliert und schmal sein, so dass er besser zu handhaben ist. Der Deckel muss gut schließen, geschmacksneutral sein und darf keine scharfen Kanten haben. Ausgestattet mit diesem Wissen drängt sich die Frage auf, welche Kaffeebar denn nun den besten Latte Macchiato zum Mitnehmen anbietet. Bei der Wärme-Isolierung und bei den Deckeln gab es keine nennenswerten Unterschiede.

Lesen Sie weiter auf Seite 3: Bei „Woyton“ kostet ein mittlerer Latte Macchiato 2,50 Euro.

Im Gegensatz zum Kaffee selbst. Bei „Woyton“ kostet ein mittlerer Latte Macchiato 2,50 Euro. Im Vergleich zur Konkurrenz ist das Getränk sehr milchig. Dafür erhält der Kunde aber auch viel Getränk für sein Geld – nur leider wenig Schaum. Denn der Becher ist fast bis zum Rand mit Flüssigem gefüllt. Ganz anders sieht es bei „Cafétiero“ aus. Der Ableger der Firma Stockheim ist ein wahres Paradies für Schaumschläger. Der schlanke Becher ist fast bis zur Hälfte mit der cremigen Leckerei gefüllt. Für stolze 2,80 Euro erhält der Kunde aber verschwindend wenig Kaffee. „Starbucks“ bietet keinen Latte Macchiato, sondern Caffè Latte an. Eine mittlere Portion kostet 3 Euro. Der Caffè Latte ist ein wenig stärker als Latte Macchiato, der Milchschaum reichlich. Allerdings vermischt sich dieser mit der Milch, was bei einem Cappuccino wünschenswert ist, bei einem Latte Macchiato aber nicht. „World Coffee“ schneidet am besten ab: Das Kaffee-Milch-Verhältnis stimmt, der Schaum ist schön cremig und steht in einem guten Verhältnis zum Getränk. Mit 2,70 Euro liegt der Latte Macchiato im guten Mittelfeld. Dennoch findet der Mediendesigner Manuel Molicki Kaffee zum Mitnehmen eher zum Weglaufen: „Ich habe nichts gegen Kaffee zum Mitnehmen, aber dieses Fast-Food-Getue nervt mich. Man spart Zeit an den falschen Punkten. Essen sollte in Ruhe eingenommen werden.“ Diese Ansicht teilt der Politikwissenschaftler Arno Antusch: „Ich habe noch nie ein Getränk im Gehen getrunken, das widerspricht meinem Selbstverständnis. Kaffee ist etwas Anspruchsvolles.“ Verwunderlich sind diese Aussagen nicht – stammen sie doch von Männern. Schließlich sind es 60 bis 70 Prozent Frauen, die sich wie Melanie Rothkegel für den Kaffee zum Mitnehmen erwärmen. Die Erklärung hat Schwarz gleich parat: „Frauen sind multitaskingfähiger, sind es gewohnt, mehrere Dinge gleichzeitig zu machen.“ Darauf darf angestoßen werden – und sei es mit dem Pappbecher. www.woyton.de www.starbucks.de www.worldcoffee.de

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