Kameras Canon und Nikon: Smarte Rivalen

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Nikon-Präsident Michio Kariya Quelle: REUTERS

Dass die beiden Riesen sich auf dem neuen Feld großartig ausstechen, erwartet in Japan kaum jemand. „Technologisch spielen beide Hersteller in derselben Liga“, urteilt Toshiya Hari, Analyst bei Goldman Sachs in Tokio. „Die wollen sich nicht killen, auch nicht über den Preis“, sagt Dresdner-Kleinwort-Analyst Suematsu.

Zu gut funktionierte in den vergangenen Jahrzehnten das gemeinsame Prinzip: Teile den Markt und beherrsche ihn. „Gemeinsam verdrängten Nikon und Canon in den Siebzigerjahren Deutschland aus dem Zentrum der Kameraproduktion“, erinnert sich Suematsu. Zum Sieg über die Konkurrenz verhalfen Canon und Nikon Technologien wie Autofokus, automatische Belichtungsmessung und Präzisionsobjektive.

Ihren Vorsprung verdanken die beiden Riesen aber auch der Nippon AG, jener staatlich forcierten Kooperation japanischer Konzerne, die es auch in Zukunft richten soll. „Unsere Führung bauen wir mit Unterstützung weiterer japanischer Elektronikkonzerne aus“, erklärt Nikon-Manager Enomoto die Strategie.

So verwendet Nikon Bildsensoren des japanischen Unterhaltungselektronikriesen Sony oder schnelle Computerchips von Panasonic. Hinter der Kooperation steht auch die nationale Industrievereinigung CIPA. Die wacht argwöhnisch darüber, dass Japans Unternehmen technische Standards nicht als Waffen im Konkurrenzkampf untereinander einsetzen.

„Einen Krieg der Formate wie früher in der japanischen Elektronikindustrie beim Video-System müssen wir mit allen Mitteln verhindern“, erklärt Nikon-Manager Takuya Moriguchi. „Wir kooperieren nicht nur innerhalb der Kameraindustrie, sondern auch mit den Herstellern von Computer- und TV-Systemen, um kompatibel zu sein und die Kunden nicht zu verunsichern“, bestätigt Canon-Mann Arakawa.

So funktionieren bei digitalen Plattformen wie der Datenübertragung die Brücken zwischen Kameras, Computern oder Druckern bei allen japanischen Herstellern nach denselben Standards. Zugleich verhinderte Nippons gesamte Kameraindustrie, dass die EU im vergangenen Jahr auf Fotoapparate mit Videofunktion höhere Zölle erheben wollte als auf Einzelbildkameras.

Bei allen Gemeinsamkeiten- – die Unternehmenskulturen von Nikon und Canon könnten kaum unterschiedlicher sein. Nikon, 1917 im Rahmen des mächtigen Mitsubishi-Konglomerats aufgebaut, kommt aus der japanischen Rüstungsindustrie und entwickelte zunächst im Auftrag der kaiserlichen Marine Ferngläser. Erst 1948 wurde die erste kommerzielle Kamera produziert.

Der im Vergleich zu Canon kleine Konzern residiert im teuren Mitsubishi-Viertel nahe dem Tokioter Kaiserpalast und gilt als „das traditionelle Unternehmen, das technologischen Fortschritt vor Wirtschaftlichkeit stellt“, erklärt Goldman-Sachs-Analyst Hari.

Der jüngste Wechsel an der Konzernspitze brachte allerdings einen Schwenk. „Seit Michio Kariya im Juni 2007 als Präsident und CEO fungiert, bekommt dieser traditionsbewusste Kamerahersteller einen kommerziellen Blickwinkel“, sagt Dresdner-Kleinwort-Experte Suematsu. Dennoch wirke Nikon weiterhin „introvertiert und sehr auf sich fixiert“, meint Unternehmensberater Lippert.

Canon dagegen, 1937 von jungen Ingenieuren gegründet, ist eines der frühen japanischen Startup-Unternehmen der Sorte Toyota, Honda oder Panasonic, die sich von ganz unten und aus eigener Kraft an die Weltspitze hochgearbeitet haben. Canon residiert, großzügig und modern, ganz im Süden von Tokio in fast dörflicher Umgebung.

Das Unternehmen agiere „sehr kommerziell und marktsensibel“, urteilt Analyst Suematsu. Für Lippert von Simon und Kucher „wirkt Canon aufgeschlossen und vergleichsweise kosmopolitisch. Wohl auch, weil 43 Prozent des Kapitals in ausländischer Hand liegen – deutlich mehr als der japanische Durchschnitt von 27 Prozent“.

Auch die Zielgruppen beider Konzerne sind sehr verschieden. Nikon, so beobachtet Yoshikazu Higurashi, Analyst bei Deutsche Securities in Tokio, spricht „mit seiner technologischen Expertise vor allem Männer an“. Canon bediene sich eines populären Marketings und Markenimages, um eine breitere, vor allem auch weibliche Kundschaft zu interessieren.

Die unterschiedlichen Strategien spiegeln sich auch im Geschäft wider. „Canon gehört mit Gewinnmargen von rund 30 Prozent zu den herausragenden japanischen Firmen wie Toyota, Nikon ist davon weit entfernt“, meint Analyst Tetsuya Wadaki von Nomura Securities. Nikon konnte zwar in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres mit einer Gewinnsteigerung von 43 Prozent den Rückstand verringern, aber die globale Rezession wirft beide nun offenbar gleichermaßen zurück.

Hoffnungsvoll und zugleich nervös schauen Canon- und Nikon-Manager auf das angelaufene Jahresendgeschäft. Canon-Mann Arakawa macht sich und seinem Kontrahenten Mut: „Wer sich eine Spiegelreflexkamera wünscht, wird sie sich auch kaufen.“

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