Karl Lagerfeld im Interview Der Klassiker

Im Interview mit fivetonine spricht Modeschöpfer Karl Lagerfeld über Philosophen und Pfeffersäcke, über die Kunst des Sammelns – und die Lust des Loslassens.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der Modeschöpfer Karl Quelle: dpa

Wie sehen Sie die Dynamik von Sammeln und Loslassen? Geht das eine aus dem anderen hervor?

Ich sammele ja nicht mehr, ich sammele nur noch Bücher und deutsche Plakate aus der Zeit von 1905 bis 1915. Das ist für mich der Beginn der modernen Werbung. Die sind sehr selten, weil sie nicht dafür gemacht waren, aufgehoben zu werden. Das waren Lithografien von großen Künstlern und ungeheuer modern. Sonst habe ich nicht mehr viel Platz zum Sammeln, weil alles voller Bücher ist. Ich habe so viele Perioden gesammelt, dass ich gar nicht weiß, was ich noch sammeln soll. Ich sammele jetzt noch ein bisschen Werkbund. 

In Ihrem New Yorker Apartment?

Ja, die Sachen habe ich aber nicht nach New York gebracht, sondern aufs Land in Amerika. Meine Biedermeiermöbel passten nirgendwo sonst hin, die passten in den Norden, ich habe ein Haus in Vermont gekauft, von 1840. Da mache ich eine Mischung: Emily Dickinson trifft Annette von Droste-Hülshoff. 

Liegt das Haus in der Gegend, in der Emily Dickinson gelebt hat?

Es ist ein bisschen mehr nördlich. 

Wie weit ist es nach New York?

Nicht weit, im Flugzeug 40 Minuten, im Auto etwas länger. Bis zur kanadischen Grenze ist es ein Kilometer, nach Montreal 100. Ich habe dort schon eine Werbung für Chanel gemacht, vor dem Umbau – und umzubauen braucht man da nicht viel, das Haus steht unter Denkmalschutz. Alle Fernsehstationen und Zeitungen waren da, das ist nun mal so.

Aber Sie haben auch die Pariser Wohnung am Quai Voltaire, in der Sie Gegenwartsdesign zusammentragen.

Ja, nimm Abschied und genese. Die Vergangenheit habe ich jetzt in meinem Kopf, aber in meiner physischen Gegenwart fand ich es gut, eine Wohnung zu machen, in der alles nach 2000 entworfen war, bis auf mich selber. Im Moment ist das Design das Interessanteste. Leute wie Marc Newson, Zaha Hadid, die Brüder Bouroullec und Martin Szekely, so was interessiert mich mehr, auch die Materialien, die es vorher nicht gab.

Dieser Satz "Nimm Abschied und genese": Ist der Abschied schwer?

Nein. Wenn Sie genesen wollen, ist es nicht schwer. Abschied-nehmen-Müssen, ist etwas anderes als -Wollen: "Roter Mohn, warum welkst du denn schon?" Es geht darum, nicht zu welken. Und Bücher sind heute genauso teuer wie Möbel und Bilder. 

Wann kommt der Punkt, an dem Sie sich von einer Sammlung trennen? Geht es dabei um Vollständigkeit?

Wenn Vollständigkeit in einem gewissen Sinne erreicht ist, muss man was anderes kaufen. Ich habe das ja nicht gekauft, um den Rest meines Lebens darin zu verbringen. Ich wollte eine Atmosphäre kreieren, wenn ich sie für meinen Geschmack perfekt gemacht hatte, wollte ich was anderes. Meine Tante. die Schwester meiner Mutter, sagte einmal über einen Liebhaber: "Er war zu meiner geistigen Entwicklung nicht mehr nötig."

Dahin geht auch die nächste Frage: Ist das Sammeln für Sie eine Art Privatakademie?

Wenn ich in einer anderen Zeit gelebt hätte, wäre ich Privatgelehrter geworden: Nur lernen für sich selber. Ich will gern alles wissen, aber ich will nicht, dass andere mir sagen, was ich lernen soll. Ich meine, ein Kind, das im Alter von sechs Jahren drei Sprachen spricht, das wird schon nicht als idiotisch betrachtet, da waren meine Eltern ruhig, auch wenn ich nicht zur Schule ging. Meine Mutter sagte, der Ärger ist für dich, mir ist das wurst. Sie ist nie in die Schule gegangen, um einen Lehrer zu sprechen. Einmal hat sie in Bad Bramstedt einen auf der Straße getroffen. Da sagt der Mann zu ihr, "ah, es freut mich, Sie zu sehen, Sie kommen ja nie in die Schule. Ihr Sohn ist unmöglich", und so weiter und so fort. Ich war ja ziemlich selbstsicher. Können Sie bitte mal Ihrem Sohn sagen, dass er seine Haare abschneiden soll? Meine Mutter sah den Mann an und hat seinen Schlips genommen, ihn ihm ins Gesicht geschmissen und gesagt: "Wieso? Sind Sie noch Nazi?" Der hat Augen gemacht! Ich sehe die Frau noch heute, mit ihrer verführerischen Stimme, und schon hatte er den Schlips im Gesicht.

Karl Lagerfeld neben einem Quelle: dpa

Können wir noch einmal auf die Kunst des Loslassens zurückkommen? Viele Leute sammeln und sitzen auf ihrer Sammlung.

Ja, aber ich bin nicht viele Leute. Ich bin nur ich. Aber wenn ich sammle, ist es so, als wenn es für 1000 Jahre wäre. Nur plötzlich sind die Leute, die sich verlieben, nicht mehr verliebt. Fürs „Falling in Love again“ muss man erst mal wieder frei sein.

Im Laufe Ihres Lebens und Ihrer Sammlungen scheint der geistige Aspekt der Dinge wichtiger als der materielle geworden zu sein. 

Geistig ist das materiell Schwere ja im Grunde leicht, weil ein Geist, der voll ist, leichter ist als ein schwerer Dummkopf. Das ist ja das Schlimmste, was es gibt! Ich will das alles nicht wissen, um mit anderen darüber zu sprechen, das ist nur für den Hausgebrauch. Normalerweise ist der Smalltalk mit meinen Mitarbeitern perfekt für mich. Ich bin nicht familiär mit dem Team. Ich will nicht, dass die Leute Opfer meines Lebens werden. Die müssen alle ihr eigenes Leben haben.

Was das Materielle betrifft: Macht Ihnen die Wirtschaftskrise zu schaffen?

Mit unseren Firmen geht das noch. Und: So ging es ja nicht weiter – Sie klauen zwei Orangen und kommen ins Gefängnis, und andere lassen Milliarden verschwinden und kriegen noch eine Prämie. Das ist doch unmoralisch, und ich bin, weiß Gott, kein Moralapostel! Aber legale Unehrlichkeit, das ist das Schlimmste auf der Welt. Wenn Sie einen verrotteten Zahn haben, müssen Sie ja auch zum Zahnarzt. Vor allem ist die Krise eine gute Reinigung.

Aber wenn es um Verkaufszahlen geht...

Ich nehme keine Prozente, das ist mir egal.

Und diese Geschichte, wo man Sie einmal bei Chanel bat, doch für den Verkauf noch einige Modelle des kleinen Schwarzen zur Kollektion dazu zu entwerfen?

Die haben sich aber nicht verkauft. Das tun die auch nicht mehr, das haben sie verstanden. Aus Chanel habe ich immerhin das größte Prêt-à-porter-Deluxe-Haus gemacht, das es auf der Welt gibt. Da wird nicht eine Frage gestellt oder gebeten, da wird das genau so gemacht mit den schlimmsten faschistischen Methoden in Bezug auf Kreativität, aber nicht in der Behandlung der Leute. Ich bin faschistisch mit mir selber. Und damit ich es nicht selber zu tun brauchte, hat der Besitzer von Chanel über die Ateliertür geschrieben: "Kreativität ist nicht demokratisch". Das hat der alte Wertheimer gemacht. 

Für Ihre kreative Arbeit ist Ihre Bibliothek von so großer Bedeutung, dass Sie in Panik geraten sollen, wenn Sie ein Buch nicht finden.

Ja, ja, genau. (Lagerfeld atmet tief durch.)

Und wie ist es in solchen Momenten mit der Leichtigkeit des Loslassens?

Das ist ja, weil ich es plötzlich brauche. Zum Schluss finde ich es ja doch, weil ich weiß, wo alles ist. Denn ich habe dafür ein sehr gutes Gedächtnis. Dass ich hier ewig an den Schränken vorbeigehe und gucke, wo alles ist, das ist, wie andere Gymnastik machen. Das sind meine Gehirn-Push-ups.

Stimmt es, dass Sie zu diesem Zweck auch gern Philosophiegeschichte und philosophische Traktate lesen?

Ja, ich liebe das total Abstrakte, ich lese kaum Romane. Ich mag nur Worte, die Art und Weise, wie die Worte benutzt sind, und alles Schreiben, das abstrakte Dinge betrifft. 

Aber auch um konkrete, sinnliche Dinge zu beschreiben, braucht man ein großes Abstraktionsvermögen. Vielleicht mögen Sie deshalb Keyserling so gern. 

Meinen Sie den Philosophen oder den Romancier?

Den Romancier, Eduard von Keyserling.

Ja, das ist mein Lieblingsschriftsteller. Sinnlich, nicht? 

Ja, und natürlich erkennt man auch Sie darin.

Ach, finden Sie? Das finde ich nett, dass Sie das sagen. Nur bei Keyserling bleibt es immer beim Ausgangspunkt. Bei ihm gibt es im Grunde keine Transgression. In der Tiefe gibt es keine Überschreitung. Sie bleiben, was sie sind.

Karl Lagerfeld stellt in Paris Quelle: Reuters

Geburt ist Schicksal“. Und daran glauben Sie nicht?

Wir leben nicht in der gleichen Zeit. Ich sehe das nicht auf dem Geburtsniveau, ich sehe das mehr auf einem intellektuellen Niveau. Aber mich interessiert im Grunde nicht, was er schreibt, sondern, wie er schreibt. Wenn es gut geschrieben ist, ist es mir egal. Zum Beispiel François Mauriac, seine Themen finde ich grauenhaft. Neulich bin ich durch Zufall auf einen Satz von ihm gestoßen: "Ich kann keine Landschaft lieben, die nicht von geliebten Augen gesehen worden ist." Ist doch toll!

Und dann Keyserlings Wellen“, die Sie als Vorlage für einen Fotoroman gewählt haben...

Ja, und auch "Schwüle Tage"! Die goldene Spritze mit dem Morphium, mit der sich der Vater dann umbringt. Und wissen Sie, was so toll daran ist: wie kurz das ist, und wie man da plötzlich drin ist. Man riecht die Luft an der Memel, finden Sie nicht auch? Man hört das Geräusch der Insekten im Sommer. Ich erinnere an das Buch von Marion Gräfin Dönhoff, "Namen, die keiner mehr nennt", und plötzlich ist das Land da, nur mit drei Linien. Bei Thomas Mann ist das nicht so.

Was ist der Unterschied zwischen Bücherwissen und einer Kollektion historischer Möbel, die sich anfassen und benutzen lassen? Welche Rolle spielt die Materialität der Dinge, die Sie um sich versammeln?

Wissen Sie, es gibt Leute, die sagen: ich mag kein Geld. Aber um das zu sagen, müssen sie erst mal welches haben, und dann geben sie es weg, und dann wissen sie, wie gern sie es gemocht haben. Da möchte ich Emily Dickinson zitieren, die sagt: "We lost, because we won." Solange Sie nichts gewonnen haben, können Sie nichts verlieren. Ich sammle Musik, Platten, iPods, aber so ein Quatsch ist keine Sammlung. Komischerweise habe ich gemerkt, wenn ich etwas sammle und zusammenstelle, eine Atmosphäre mit Bildern und allem, und das wieder weg- gebe, dann behält man das, was die Essenz davon war. Das gehört Ihnen für immer. Das ist ein ganz eigentümliches Gefühl. Ich kann mit geschlossenen Augen durch alle Räume meines Lebens gehen und genau sehen, wie das war. Wenn Sie aus einem Zimmer gehen, sind Sie ja auch nicht mehr drin. Mein Kopf ist wie ausgelagerte Realität.

Sie sagten einmal, man muss mit den Toten in Verbindung bleiben.

Ja, sicherlich, denn wenn jemand aus dem Zimmer geht: Vielleicht sehen Sie den nie wieder. Ob er tot ist oder nicht, das spielt keine Rolle. 

Aber er ist dort, in der Erinnerung.

Ja, er hat einen Platz.

Diese Sicht der Wirklichkeit hat etwas vom magischen Denken primitiver Kulturen.

Genau, genau, ja, ja. Nur, dass alles dort mehr auf Angst basiert. Die hatten ja auch nicht die wissenschaftlichen Kenntnisse, die wir heute haben, die einen Teil der Angst wegnehmen. Angst und Aberglaube, davon hat die Religion gelebt und ist von da auf was anderes gekommen. Darum interessiert mich auch die Konversion, Leute, die von einer Religion zur anderen gegangen sind. Simone Weil, die Philosophin, die Jüdin war und sich hat bekehren lassen, und da hat sie mit den Christen Krach gekriegt.

Um beim Aberglauben zu bleiben: Sie sammeln keine Objekte aus Afrika, weil darin ein Voodoo-Zauber stecken könnte.

Ja, das ist auch Spaß, das ist gut, nicht? Das ist die ländliche Kindheit, weil die Leute auf dem Land abergläubisch sind. Da lach’ ich drüber im Grunde. Aber ich lache und lache und ernst nehmen tue ich es trotzdem.

Man glaubt nicht dran, aber man geht trotzdem nicht unter einer Leiter durch.

Ja, genau. Und man tut keinen Hut aufs Bett und keinen Schuh auf den Tisch, tut man einfach nicht. Und ein Spiegel darf nicht kaputt gehen. Da kann man drüber lachen, aber das ändert nichts an der Tatsache.

Dann haben Sie kein Bedürfnis, sich in geistigen Dingen festzulegen?

Nein. Weil das alles unwichtig ist.

Gibt es noch Dinge, die Ihren Mut herausfordern?

Da ich schon ein paar Flugstunden habe, wie man so schön sagt, ist das bei mir ein logisches Vorgehen, mehr eine pragmatische Handlung als alles andere. Ich bin wahnsinnig pragmatisch. Das habe ich als Kind an meiner Mutter so bewundert. Sie sagte immer das Richtige, in jedem Moment. Auch wenn sie mal bösartig wurde, aber im Grunde hatte sie immer recht.

Macht nicht gerade der Pragmatismus Sie zu einem Sohn Ihres Vaters?

Ich bin auch ein Hamburger Pfeffersack, doch, doch, doch. Ich habe ja nie verleugnet, dass ich in Deutschland geboren bin, im Gegenteil, das gehört zu meiner Folklore. Da steht immer der Preuße dahinter und der Pfeffersack. 

Karl Lagerfeld besichtigt auf Quelle: AP

Es grenzt an ein Wunder, dass Ihnen mit all Ihren Kollektionen, den Bucheditionen und der Seitenkarriere als Fotograf Zeit zum Lesen bleibt.

Darum will ich auch weniger Häuser und Personal. Ich mag das Abhängigkeitsverhältnis nicht. Dass sie von mir und ich von ihnen abhänge. Beim Room Service drücken Sie auf den Knopf. Bei mir darf das Personal nie in die Räume kommen, in denen ich bin, solange ich nicht geklingelt habe. Ich will ungestört sein. Ich plaudere sonst sehr gern, aber ich kann zwei Tage allein zu Hause sein, ohne den Mund aufzumachen. Das ist mit Telefon schwierig, aber ich habe ja auch kein Handy und nichts. Ich sende auch nur Faxe, weil ich die Leute nicht stören will. Ein Fax können Sie lesen, wann Sie wollen, das macht keinen Lärm. Aber wenn ich etwas zeichne oder lese, vor allem, wenn es in einer anderen Sprache ist, dann bin ich manchmal so weit weg, dass ich gar nicht mehr weiß, wer...

Das Gespräch wird von der Ankunft eines jungen Mannes unterbrochen, den Lagerfeld herzlich begrüßt:

Ah, Monsieur Baptiste! Ça va? Dieser junge Mann, von dem sie alle sagen, dass er so aussieht wie ich, als ich 18 war. Er ist Dorian Gray und ich bin sein Gemälde. Ich dachte mir, dass er für meine Marke ganz gut wäre. Er ist wahnsinnig begabt als Fotomodel. Worüber haben wir gesprochen? Ja, Glauben muss man haben, aber keinen Aberglauben.

Sie glauben an Ihren guten Stern...

Ja, an Zufall. Mein ganzes Leben basiert auf dem Zufall.

Aber wir leben in einer Zeit, in der man Glück und Zufall weitmöglichst auszuschalten versucht, um Gleichheit, Gerechtigkeit und Sicherheit zu garantieren.

Ich will Ihnen mal was sagen: Das Leben basiert auf Ungerechtigkeit. Die soziale Ungerechtigkeit ist noch die einzige, die man arrangieren kann, aber wenn Sie dumm sind, bleiben Sie dumm, wenn Sie hässlich sind, bleiben Sie hässlich. Sie kennen die Geschichte von Winston Churchill, eine Frau, die sehr hässlich war, sagte zu ihm: Sie sind ja betrunken heute Abend! Ja, sagte er, aber wenn ich morgen früh aufwache, bin ich nicht mehr betrunken, und Sie sind immer noch hässlich. Wenn Sie nicht im Voraus akzeptieren, dass alles auf Ungerechtigkeit basiert, dann werden Sie besser Beamter. In die Mode kommen Sie nicht, weil Ihre Mutter sagt: Meine Tochter wird die neue Claudia Schiffer!

Obwohl Mode gerade auch Menschen, die an sich nicht so interessant sind, interessant machen kann. Oder nicht?

Es kann helfen, aber um in der Mode zu arbeiten, muss man die richtige Begabung und Mentalität mitbringen. Ich spreche nicht vom Look, ich spreche von allem anderen.

Trotz des vorherrschenden Gleichheitsideals sind Sie, der nicht daran glaubt, ein Vorbild der Jugend.

Komischerweise scheinen die jungen Leute mich so zu sehen. Ich glaube an mich selber, das heißt, ich erwarte nicht, dass die anderen alles für mich tun. Dann wird man bevormundet, und das ist das Schlimmste, was einem passieren kann. Aber Freiheit ist Luxus. Früher wollten die Kinder – und auch heute noch – immer wie die anderen Kinder sein. Das habe ich nie gewollt. Ich wollte anders sein, wahrscheinlich war ich es auch, was weiß ich.

Sie sprechen von Ihrer Eitelkeit, so als wollten Sie sagen: Ich bin Narziss, aber sie ist ja auch eine Form der...

Ja, bei mir ist Eitelkeit im Grunde ein Höflichkeitsreflex der Selbsterhaltung.

Also das Gegenteil von Narzissmus.

Genau, ich finde das Wort Eitelkeit ganz gut, man muss nur sehen, ob es noch irgendwie präsentierbar ist. Natürlich in dem alten barocken Sinne.

Wann wurde Ihnen klar, wie perfekt der Kopf das Verlorene speichert? War das ein Erkenntnisprozess, und wurde das Loslassen mit jedem Mal leichter?

Ja. Und am leichtesten habe ich mein Übergewicht abgenommen. Was ich aber nur aus einer gewissen Gleichgültigkeit angenommen hatte, durch Umstände und so etwas. Und ich wusste ja, wie es vorher war. Aber ich wusste nicht, dass man im Leben zu seinem alten Ich beinah zurückkommt.

Zu dem Ich mit 18.

Genau, genau, darum ist er ja so amüsant, der Battiste, der aussieht wie ich mit 18.

Wo haben Sie Ihn gefunden?

Ich habe ein Bild irgendwo in einer italienischen Zeitung gesehen. Vor sechs Monaten arbeitete er noch in einer Hubschrauberfabrik. Aber er hat eine Eleganz, das ist unglaublich. Bei der Verleihung der "Bambis" dachten alle, ich hätte einen Neffen oder Großneffen mitgebracht.

Würden Sie, wenn Sie unsichtbar wären, in Paris mit dem Bus fahren?

Gern, nur meine Kartenleserin hat mir gesagt, ich dürfte keinen Bus und keine Metro in Paris nehmen. Das letzte Mal, dass ich einen Bus genommen habe, ist der in einen Wagen gefahren, und ich hätte mir beinah das Knie gebrochen. Ich gehe auch nicht mehr alleine über die Straße. Denn die Leute wollen immer etwas von mir, und wenn man alleine ist, dann kann man die Leute nicht loswerden. Ich gehe auch vom Quai Voltaire wieder weg. Die Seine-Barkassen, die sagen ja an: Hier wohnt Madame Chirac und hier wohnt Karl Lagerfeld. Das höre ich, wenn ich am Fenster sitze. Ich habe mir jetzt ein Haus gekauft, das in der Rue de Lille im Innenhof liegt. 

Wird das Ihre nächste Wohnung?

Ja, und die Einrichtung ist eine ganz eigentümliche Mischung aus Neuestem und Altem.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%