Kirch-Prozess Middelhoff und Cohrs im Visier deutscher Ermittler

Der Kirch-Prozess schlägt weiter Wellen: Nun sind auch der englische Zentralbanker Michael Cohrs und Ex-Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff ins Visier der Behörden geraten. Sie werden der Falschaussage bezichtigt.

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Thomas Middelhoff hatte vor der Insolvenz der Kirch-Gruppe im Jahr 2002 Kontakt mit der Chefetage der Deutschen Bank und war deshalb in dem Schadenersatzprozess als Zeuge befragt worden. Quelle: dpa

In den Ermittlungen wegen zweifelhafter Aussagen im Kirch -Prozess gegen die Deutsche Bank nimmt die Staatsanwaltschaft auch den englischen Zentralbanker Michael Cohrs und Ex-Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff ins Visier. Cohrs, der früher dem Vorstand der Deutschen Bank angehörte, und Middelhoff würden der uneidlichen Falschaussage verdächtigt, sagte ein Sprecher der Strafverfolger in München am Freitag. Die Behörde ermittelt bereits gegen Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen und mehrere frühere Top-Banker wegen des Verdachts, dass sie das Gericht belogen haben, um Schadenersatzansprüche von Kirch abzuwenden.

Der aus den USA stammende Cohrs ist nach einer Karriere als Investmentbanker mittlerweile externes Direktoriumsmitglied der Bank of England. Cohrs war seit Mitte der 90er Jahre Manager der Deutschen Bank und leitete bis vor vier Jahren gemeinsam mit dem heutigen Vorstandschef Anshu Jain deren Investmentbanking-Geschäft. Ende September 2010 schied Cohrs aus dem Vorstand der Bank aus. Middelhoff, der früher den Medienkonzern Bertelsmann und später den Warenhauskonzern Arcandor führte, ist heute als Medienunternehmer tätig. Middelhoff hatte vor der Insolvenz der Kirch-Gruppe im Jahr 2002 Kontakt mit der Chefetage der Deutschen Bank und war deshalb in dem Schadenersatzprozess als Zeuge befragt worden.

Cohrs war am Freitag zunächst nicht zu erreichen. Von der Bank of England war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Die Deutsche Bank und der Finanzinvestor EQT, für den Cohrs als Berater arbeitet, wollten sich nicht äußern. Middelhoffs Anwalt Winfried Holtermüller wies die Anschuldigungen gegen seinen Mandanten zurück. Middelhoff habe im Kirch-Prozess wahrheitsgemäß ausgesagt, sagte Holtermüller. Die Bank hat Vorwürfe gegen Fitschen & Co. bereits früher zurückgewiesen.

Während Fitschen, die früheren Deutschen-Bank-Chefs Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie weitere Top-Banker des versuchten Prozessbetrugs verdächtigt werden, lautet der Vorwurf gegen Cohrs und Middelhoff auf Falschaussage. In beiden Fällen liegen die Höchststrafen bei fünf Jahren Gefängnis. Gegen Fitschen & Co, Cohrs und Middelhoff laufen drei getrennte Verfahren, wie der Behördensprecher sagte. Zunächst werde das Verfahren gegen Fitschen & Co. vorangetrieben, um möglichst bis Juni über eine eventuelle Anklage entscheiden zu können. „Wir wollen das möglichst in diesem Jahr oder noch in der ersten Jahreshälfte zu Ende bringen.“ Zu Details der Vorwürfe gegen Cohrs und Middelhoff wollte sich die Staatsanwaltschaft aus ermittlungstaktischen Gründen nicht äußern. Die Ermittler hatten auch ein Bußgeldverfahren gegen die Bank selbst eingeleitet und damit zu erkennen gegeben, dass sie eine Anklage der beschuldigten Banker um Fitschen für wahrscheinlich halten.

Das Gericht sprach den Kirch-Nachfolgern bereits Schadenersatz zu, weil die Deutsche Bank für den Zusammenbruch des Medienimperiums vor zwölf Jahren mitverantwortlich sei. Der damalige Bankchef Breuer hatte in einem Fernsehinterview Zweifel an der Kreditwürdigkeit der Kirch-Gruppe gesät. Um die Schadenshöhe wird noch gerungen – die Erben des 2011 gestorbenen Medienmoguls Leo Kirch fordern allein in diesem Prozess zwei Milliarden Euro. Das Gericht hatte selbst bereits Zweifel an den Aussagen mehrerer Beteiligter geäußert.

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