Klamme Krankenkassen IKK-Großfusion aus Finanznot

Neue Hiobsbotschaften von der obersten Versicherungsaufsicht: Mehr als 20 Krankenkassen stecken in Finanzproblemen. Bei den Innungskrankenkassen (IKK) soll eine Großfusion einen Zusatzbeitrag verhindern.

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Ein Gebäude der Düsseldorfer Quelle: dpa

Den Versicherten von mehr als 20 Krankenkassen drohen weitere Zusatzbeiträge oder das Streichen von Leistungen. Der Grund sind mangelnde finanzielle Rücklagen. Bei der bankrotten City BKK helfen nun Mitarbeiter anderer Kassen, um die laufenden Geschäfte zu erledigen. Die Vereinigte IKK kann wohl durch Fusion Zusatzbeiträge verhindern.

"Einige Kassen haben zuwenig getan“, sagte der Sprecher des Bundesversicherungsamts, Tobias Schmidt, gestern in Berlin und bestätigte damit einen Bericht der „Bild“-Zeitung. Auch größere Kassen befänden sich unter den gesetzlichen Versicherungen mit zu geringer Reserve. „Ein Viertel der unserer Aufsicht unterstehenden Kassen liegen unter dem Mindestsoll“, erläuterte Schmidt. Die Rede ist von mehr als 20 gesetzlichen Krankenversicherungen: Derzeit stehen von den rund 150 Kassen 93 unter Aufsicht des Amts, vor allem Betriebs- und Ersatzkassen. Das Amt machte keine Angaben, um welche Problemkassen es sich konkret handelt. Bei manchen der betroffenen Kassen seien die Probleme größer, bei anderen geringer, sagte Schmidt. „Das ist breit gestreut.“

Kassen greifen Reserven an

Laut Gesetz müssen die Kassen mindestens ein Viertel der Ausgaben eines Monats als Rücklage haben. Sparen könnten diese Kassen mit dem Abbau freiwilliger Leistungen oder von Personal. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn sagte in Berlin: „Krankenkassen, die mit dem Geld, das sie aus dem Gesundheitsfonds bekommen, nicht auskommen, müssen Zusatzbeiträge von ihren Mitgliedern erheben.“ Darauf müsse auch die Aufsicht bestehen. Schmidt sagte, bis zum Aufstellen der Haushaltspläne für 2012 im November müssten sich die betroffenen Kassen „Gedanken machen“. Das bedeute aber nicht, dass diese Versicherungen vor der Pleite stünden.

Insgesamt sind die Kassen laut ihrem Spitzenverband in diesem Jahr ausreichend finanziert. „Aber die konkrete Situation kann von Kasse zu Kasse sehr unterschiedlich sein“, sagte Sprecher Florian Lanz. Zusatzbeiträge „möchte natürlich jede Kasse so lange wie möglich hinauszögern“. Laut Gesetz könne eine Kasse die eigene Mindestreserve hierfür zwar anbrechen. „Im kommenden Haushaltsjahr muss sie dann allerdings wieder aufgefüllt werden“, gab Lanz zu bedenken.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles machte die schwarz-gelbe Gesundheitsreform verantwortlich. Als Fachminister habe Philipp Rösler (FDP) die Deckelung der Zusatzbeiträge aufgehoben. „Damit werden die Krankenkassen in einen ungesunden Negativ-Wettbewerb gezwungen und ihre Rücklagen werden aufgefressen.“ Eine Sprecherin des Verbandes der Betriebskrankenkassen (BKK) sagte, ihr lägen keine Zahlen vor, die auf eine Schieflage weiterer BKK hindeuteten. Die Ersatzkassen wie Barmer GEK oder DAK erzielten im ersten Quartal 518 Millionen Euro Überschuss, wie eine Sprecherin ihres Verbands der Nachrichtenagentur dpa sagte. Ihre Situation sei solide.

Derweil ist der Weg für eine Großfusion im Bereich der gesetzlichen Krankenkassen geebnet: Der Verwaltungsrat der Vereinigten IKK (Düsseldorf) stimmte gestern dem Fusionsangebot der größten deutschen Innungskrankenkasse IKK classic (Dresden) zu. Beide zusammen werden nach Angaben der Vereinigten IKK 3,6 Millionen Mitglieder haben und vor allem Handwerk und Mittelstand bedienen. Das Fusionsangebot ging von der IKK classic aus. Beschlossen werden soll der Zusammenschluss am 5./6. Juli, dann soll das gemeinsame Unternehmen möglichst schnell realisiert werden. Hintergrund der Überlegungen zu einem Zusammenschluss war die schwierige Finanzlage der Vereinigten IKK gewesen. Das fusionierte Unternehmen will den Angaben zufolge bis 2013 keine Zusatzbeiträge erheben. Damit fällt der von der Vereinigten IKK geplante Zusatzbeitrag in Höhe von acht Euro weg. Die Vereinigte IKK war im Juli 2010 aus der Signal Iduna IKK und der IKK Nordrhein entstanden. Die IKK classic wurde im Januar 2010 aus den vier IKK Baden-Württemberg/Hessen, Hamburg, Sachsen und Thüringen gebildet.

Pleitekasse leiht Mitarbeiter

Mit der City BKK muss die erste Kasse seit dem Start des Fonds zum 1. Juli schließen. Derzeit braucht die bankrotte Kasse Hilfe von Mitarbeitern anderer Versicherungen, wie Kassenvorstand Oliver Reken der Zeitung „Die Welt“ sagte. „Es gibt in vier Leistungsbereichen Rückstände bei der Bearbeitung.“ Nun müssten 43 Mitarbeiter von anderen Kassen aushelfen. „Bis zum 30. Juni sollen alle unbearbeiteten Leistungsanträge erledigt sein“, sagte Reken. Die Arbeitsverhältnisse der City-BKK-Mitarbeiter endeten am 30. Juni, sagte Sprecher Torsten Nowak. Viele müssten vorher noch Urlaub abbauen - so dass eigene Arbeitskräfte fehlten. Die Versicherten bekämen in der Regel von den Problemen aber nichts mit. Von den ursprünglich 136.000 Mitgliedern hätten noch rund 40.000 keine neue Versicherung, teilte Nowak mit. Die „City BKK Körperschaft in Abwicklung“ als Nachfolgeorganisation auf Zeit zahle aber zum Beispiel auch, wenn ein Versicherter Ende Juni ins Krankenhaus muss und die Rechnung erst später komme.

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