Klaus-Michael Kühne Hanseatische Knochenmühle

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Der Speditionsunternehmer Quelle: dpa

Vor derartigen Sollbruchstellen scheint der Spross einer alten Bremer Kontoristen- und Spediteursfamilie, der zusammen mit seinem Vater den Firmensitz 1969 nach Bildung der sozialliberalen Koalition in die Schweiz verlegte, bis heute gefeit wie die Pferdedroschke vor dem Motorschaden. „Klau-Mi“, wie enge Mitarbeiter ihn nennen, kennt im Geschäft nur, was dem Geschäft nützt. Manchmal, sagt ein ehemaliger Manager, trage die Fanatisierung gar „unmenschliche Züge“. 

An Besessenheit grenzt Kühnes allgegenwärtiger Sparzwang. Er stellte Managern das Telefon ab oder ließ sie nur an bestimmten Tagen telefonieren, wenn sie ihr Budget überschritten. Mitarbeiter in der Zentrale in Schindellegi bei Zürich wissen, dass nach dem offiziellen Feierabend die Lichter ausgehen. Wer weiter arbeiten will, muss sie wieder einschalten. Dafür hat Kühne gesorgt, um den Stromverbrauch zu drosseln. Zum gleichen Zweck ließ er Bewegungsmelder installieren, damit die Bürolampen erlöschen, wenn sich am Schreibtisch nichts regt.

Erhalten Mitarbeiter Post, müssen sie die Briefumschläge für interne Mitteilungen weiterverwenden. Und um Porto zu sparen, richtete Kühne im unternehmensweiten Intranet ein System ein, dem Mitarbeiter entnehmen können, wer wann wohin reist. Jeder, so die Anordnung, muss Post mitnehmen – bei Flugreisen ausschließlich im Handgepäck. 

Kühne hat zahlreiche Logistiker verheizt

Dabei sei Kühne keiner, der „Wasser predigt und Wein trinkt“, lobt ein früherer Manager. Er fährt privat nur gebrauchte Autos. Einen alten Mercedes S-Klasse, stieß er ab, weil Gattin Christine fehlende Airbags monierte. Um Zeit und Geld zu sparen, scheut er sich nicht, bei Geschäftsreisen die Nacht im Schlafwagen statt im Hotel zu verbringen.

Zwar sponsert Kühne Postgraduiertenstudiengänge in Logistik zum Beispiel in Sankt Gallen und in Hamburg. Gemessen an seinem Firmen- und Privatvermögen, meint ein ehemaliger Manager, seien die Millionen aber „Peanuts“. Und allein 360 Millionen Euro aus seinem Privatvermögen hat Kühne im vergangenen Jahr investiert, um den Verkauf von Hapag-Lloyd an Singapur zu verhindern.

Wer wie Kühne seine Marotten auslebt, kann eigensinnige Mitarbeiter – auch mit noch so viel Geld – auf Dauer nur schwer halten. Die Liste deutscher Spitzenlogistiker, die der Hanseat in seiner „Knochenmühle verheizte“, sagt ein Ehemaliger, ist lang. Jens Odewald, der spätere Chef der Warenhauskette Kaufhof, verließ das Unternehmen nach fünf Jahren, ebenso Michael Dieckmann, Ex-Europa-Geschäftsführer des amerikanischen Logistikers Bax Global.

Christian Berner hielt es immerhin 13 Jahre bei dem Wahlschweizer aus, bevor er das Weite suchte und zum Lebensmittelgrossisten Lekkerland-Tobaccoland wechselte. Zwischen Peter Kruse, später Expressvorstand der Deutschen Post, und dem heutigen Beteiligungsunternehmer Cornelius Geber, inszenierte Kühne nach Berichten von Insidern regelrechte „Diadochenkämpfe“ um den künftigen Chefsessel.

Traurige Kindheit

Langjährige Begleiter erklären die meisten Wesenszüge Kühnes mit seiner „harten Jugend“ als Einzelkind und potenziellem Firmenerben. Todtraurig sei seine Mutter Mercedes immer gewesen, meint ein Jugendfreund, wenn Klaus-Michael ohne Freunde allein vor dem Haus an der Hamburger Bellevue spielte. Zugleich trimmte Vater Alfred den Filius, Verantwortung im Unternehmen zu tragen. Statt nach dem Abitur zu studieren, lernte Kühne, Waren in alle Welt zu verschicken. Während Gleichaltrige sonntags an der Alster flanierten, stakste er mit dem Diktiergerät vorbei. 

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