Kliniksaniererin Vor dieser Frau fürchten sich die Krankenhäuser

Ines Manegold hat Mumm: Die Deutsche soll in Österreich Kliniken profitabel machen. Was sie tut und sagt findet große Beachtung. Von der Grenzgängerin und ihren Erfolgen in Kärnten lässt sich einiges lernen.

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Ines Manegold, Klinikmanagerin Quelle: Anzenberger/Gianmaria Gava

Lacht sie, oder lacht sie nicht? Wenn ja: wie oft? Falls oft: an welchen Stellen? Und warum gerade da? Beim Kärntner Karneval ruhen viele Blicke auf Ines Manegold, wenn sie als Chefin des größten Kärntner Klinikbetreibers von der Bütt aufs Korn genommen wird. Als sie auf ihrer Facebook-Seite berichtet, am freien Tag bei den Eltern im Bergischen Land Schnee geschippt zu haben, findet das medialen Widerhall: Hat die Frau nichts Dringenderes zu tun? Egal, was die gebürtige Gummersbacherin tut oder lässt – Mitarbeiter, Politiker und Journalisten kommentieren postwendend. Denn wenn sie kommt, müssen andere gehen. Sture Klinikdirektoren zum Beispiel.

Doch Spökenkieker prallen an der 45-Jährigen ab, ebenso wie anonyme Anzeigen wegen Korruptionsverdacht. Dafür ist sie zu beschäftigt mit ärztlichen Halbgöttern, die um ihre Macht fürchten, und mit Pflegekräften, die sich in der Lokalpresse um Leib und Leben ihrer Kranken sorgen, wenn das mit Manegolds Sparkurs so weitergeht. Denn die Managerin soll seit März 2010 im Auftrag der Kärntner Landesregierung aus der eigenen Krankenhaus-Betreibergesellschaft Kabeg einen rentablen Klinikkonzern zimmern. Die Häuser haben weder eine einheitliche IT noch einen gemeinsamen Einkauf – aber 1,3 Milliarden Euro Schulden.

Die Managerin des Jahres bekommt Morddrohungen

Für all das hat die neue Frau Vorstandsdirektorin ein erstaunlich heiteres Wesen. Erst bei einer verkappten Morddrohung im Internet verging ihr der Humor: "Dass ich mal Personenschutz brauche, damit habe ich nicht gerechnet." Dafür bekommt sie Rückendeckung aus Deutschland: Der Club der Gesundheitswirtschaft, ein Zusammenschluss von Unternehmen medizinnaher Bereiche, kürte sie kürzlich zur Managerin des Jahres 2010. Bei der Preisverleihung lobte Albrecht Hauff, Chef des medizinischen Thieme-Verlags: "Kaum ein Markt ist so reguliert und festgezurrt wie das Gesundheitswesen. Auf diesem Gebiet leistet Ines Manegold Vorbildliches."

Geheime, kleine Gesetzesmacher

Doch Manegold genießt außergewöhnliche politische Schützenhilfe: "Die Landesregierung, geführt von den Freiheitlichen in Kärnten (FPK), wollte, dass wir mit nur sechs Fachleuten eine Gesetzesvorlage zur Neuorganisation der Krankenhäuser erarbeiten." 200 Stunden lang nach Feierabend, am Wochenende und hinter verschlossenen Türen gossen die Experten ihre Erfahrungen und Vorstellungen in einen Entwurf. "Kein Wort aus dieser Runde ist öffentlich geworden, das halte ich in Deutschland für unmöglich", sagt Manegold, "ebenso dass ein Gesetz von einer kleinen Gruppe Sachverständiger ohne überdimensionalen politischen Einfluss konzipiert wird." Österreichs Volkspartei unterstützte den Vorschlag, Kärntens Sozialdemokraten parierten reflexartig: "Das Ganze ist ein Gesundheitsverschlechterungsgesetz."

Die Frau mit dem Hang zum pragmatischen Durchmarsch wirkt wach, warmherzig, nicht kantig. Ihr grüner Blazer mit einem Hauch von Trachtenlook zieht beim Gespräch dezent, aber wirkungsvoll die Aufmerksamkeit auf sie. Raum nimmt sie sich. An der Wiege hat der ehemaligen Realschülerin diese Karriere keiner gesungen: "Meine Mitschüler hätten das damals wohl nicht von mir gedacht", sagt sie lachend.

Damals wollte sie Rechtspflegerin werden. Weil sie keinen Ausbildungsplatz bekam, machte sie doch Abitur, um Biologin zu werden. Kurz vor Semesterbeginn entdeckte sie bei einem Job in einem Betrieb für Regelungstechnik aber ihr Herz fürs Kaufmännische. Nachdem sie ein BWL-Studium in dreieinhalb Jahren durchzog, heuerte sie beim Verband der privaten Krankenversicherungen an und später als Managerin in mehreren Krankenhäusern – Biologie und Betriebswirtschaft vereinten sich.

Taktik und Strategie

Manegold lebt zwei Karriere-Weisheiten. Erstens: Suche schnell Verbündete. Die Kärntner Regierung steht bislang hinter ihr, ihr Aufsichtsratschef stützt sie. Schlüsselstellen im Haus besetzt sie neu. Freunderlwirtschaft werfen Kritiker ihr deshalb vor. Dass sie gerade für den Jagdschein büffelt, dürfte ihr in der Kärntner Trachtenträger-Fraktion nicht schaden – der deutsche Entscheider golft gern, der österreichische pirscht sich an.

Weisheit Nummer zwei: Lerne so viel wie möglich von guten Leuten, gerne von Älteren. Das praktiziert Manegold seit ihrem Berufsstart und nutzt es in Kärnten. Österreichs ehemalige Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky lobt "Gehirn-Elastizität" als Manegolds größte Stärke.

560.000 Kärntner versorgt Manegolds Klinikgruppe

Was treibt die Ehrgeizige gerade an den Wörthersee? "Die Aufgabe ist sensationell. Die Kabeg bietet mit knapp 6600 Mitarbeitern die ganze Klaviatur vom kleinen übers große Akut-Haus bis zur Reha." Sie versorgen rund 560 000 Menschen. Da können deutsche Klinikkonzerne zwar mithalten, aber: "Die Position als Alleinvorstand gab es 2009 in Deutschland nicht."

Wenn sie den Gestaltungsspielraum hätte, was würde sie dann in Deutschlands rund 2000 Krankenhäusern mit knapp 18 Millionen Patienten ändern? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: "Erstens: weg mit der Überbürokratisierung in den Kliniken. Die Ärzte sollten mehr mit Patienten statt mit Akten arbeiten. Das Abrechnungssystem in Deutschland ist überperfektioniert. Zweitens: Wir brauchen dringend mehr Männer in der Krankenpflege, so wie es immer mehr Frauen unter den Ärzten gibt. Drittens: eine stärker teamorientierte Arbeitsweise in den Kliniken forcieren. In kleinen Teams kann vielleicht nicht jeder alles 110-prozentig, aber alle fühlen sich verantwortlich, und das steigert die Qualität."

Vieles davon will sie in Kärnten umsetzen. Sie mag das Land und seinen Menschenschlag: "Die österreichische Gelassenheit fehlt den Deutschen manchmal", findet Manegold. Klüngel war ihr als langjährige Köln-Bewohnerin nicht neu, "aber die politischen Dimensionen in Österreich habe ich doch unterschätzt", gibt sie zu. Doch sie nutzt ihren größten Nachteil – mangelnden Stallgeruch – geschickt als Vorteil: "Ich war niemandem verpflichtet, habe kein Parteibuch. Das verschafft mir ein hohes Maß an nötiger Neutralität."

Die konnte sie von ihren Klinikdirektoren nicht erwarten. In den fünf Häusern regierten je drei Chefs: ein ärztlicher, einer für den Pflegedienst und ein kaufmännischer. "Der Vorstand hatte kaum Durchgriffskompetenz und weniger Einfluss als der lokale Bürgermeister. Das ist jetzt anders", sagt Manegold, und ein maliziöses Lächeln umspielt ihren Mund.

Erfolge geben Manegold recht

Ihr Glück ist das österreichische Beamtenrecht. Danach werden Direktoren für fünf Jahre bestellt und müssen sich regelmäßig bewerten lassen. "Alle 15 mussten sich in einem Assessment-Center der Frage stellen, ob sie für das Arbeiten in den neuen Strukturen geeignet sind", sagt Manegold. Jetzt verantwortet in jeder Klinik nur noch ein Direktor alle Bereiche.

Erste Erfolge gäben Manegold recht, sagt Stefan Drauschke, Arzt und Chef der Berliner Unternehmensberatung GÖK: "Sie ist auf dem besten Weg zu zeigen, dass ein kommunaler Klinikkonzern mit wirtschaftlich fundierter und mitarbeiterorientierter Führung sowie klaren strategischen Vorgaben ähnlich erfolgreich arbeiten kann wie private Klinikketten."

Noch immer sei es unüblich, als Kauffrau und Alleinvorstand eine Klinikgruppe mit 3000 Betten zu führen und die ärztliche und pflegerische Kompetenz in den nächsten Ebenen intensiv einzubinden. "Das berührt offene oder verdeckte Tabus der oft sehr ärztlich orientierten Expertenorganisationen", sagt Drauschke.

Fachleute statt Politiker

Ihren Erfolg verdankt Manegold vor allem den Rahmenbedingungen des von ihr mitgestalteten neuen Kabeg-Gesetzes. Danach wird der Aufsichtsrat nicht mehr nach politischen, sondern nach fachlichen Kriterien besetzt. Die Kabeg ist jetzt ein Gesamtunternehmen statt ein lockerer Verbund, der Alleinvorstand hat alle Durchgriffsrechte. Der Betriebskostenzuschuss des Landes wird gedeckelt. Kliniken sollen sich auf medizinische Schwerpunkte konzentrieren, ihr Personal gemeinschaftlich nutzen, den Einkauf bündeln und die Verwaltung verschlanken.

Zur Beruhigung der Mitarbeiter steht im Gesetz auch eine Arbeitsplatzgarantie, betriebsbedingte Kündigungen wurden ausgeschlossen. Frei werdende Stellen aber werden in der Regel nicht mehr besetzt, befristete Verträge nicht verlängert. Prompt unterzeichneten 1500 Pflegemitarbeiter eine Petition gegen die Sparmaßnahmen.

Die forsche Deutsche macht sich Feinde – und die Kabeg-Revolution steht erst am Anfang. Wie geht sie mit offener Kritik und hinterhältigen Gerüchten um? "Wer eine deutsche Uniklinik kennengelernt hat, den schreckt das nicht", erwidert sie und spielt an auf ihre Zeit an der Düsseldorfer Uniklinik. Nach nur gut einem Jahr als kaufmännische Chefin wurde sie dort im August 2009 offiziell mangels Erfolg in die Wüste geschickt. Sie stand fünf ärztlichen und pflegerischen Leitern gegenüber. Mediziner-Hierarchien, Intrigen, Informationen als Waffe, politische Personalentscheidungen – das kennt die Managerin hier wie dort. Zehn kaufmännische Chefs in 13 Jahren hat die Düsseldorfer Uniklinik verschlissen. Manegold sagt dazu nichts, Niederlagen steckt sie weg. Freunde aus alten Zeiten fangen sie dann auf – vielleicht das belastbarste Netzwerk im Leben der Geschiedenen.

Kliniken müssten sich selbst finanzieren

Den deutschen Klinikkosmos betrachtet Manegold nun von außen. Was läuft dort politisch falsch? "Die Trennung bei der Krankenhausfinanzierung funktioniert nicht, nämlich dass die Länder die Investitionen tragen und die Kliniken das Kerngeschäft. Die Häuser bekommen nicht genügend Geld, der Investitionsstau wächst." Was wäre die Lösung? "Die Kliniken müssten sich selbst finanzieren und dafür zum Beispiel einen steuerfinanzierten Innovationszuschuss pro Aufenthaltstag eines Patienten bekommen."

Zudem gebe es noch immer zu viele Kliniken: "Die Häuser fusionieren oder werden privatisiert – weniger werden sie dadurch nicht." Experten erwarten, dass wegen Bevölkerungsschwund und Spardruck bis 2020 rund zehn Prozent der deutschen Kliniken geschlossen werden müssen – vor allem kommunale Häuser.

Es zählt nicht das Geld, sondern die Gesundheit

In Österreich funktioniere zudem die Standesvertretung der Weißkittel sehr viel einfacher: "Hier gibt es eine Ärztekammer als Ansprechpartner für alle Klinikärzte und niedergelassenen Mediziner statt diverse Standesorganisationen wie in Deutschland." Muss denn künftig auch mehr gespart werden in Zeiten steigender Gesundheitsausgaben? "Et kütt drop an", antwortet die Neu-Kärntnerin in rheinischer Weisheit.

Denn Manegold hat einen Traum. Er heißt Positronen-Emissions-Tomograf (PET) und kostet zwischen 1,5 und 3,0 Millionen Euro. "Damit können Sie Krebsstadien erkennen und verfolgen, wie es bei einer Computertomografie oder in einem Neuro-Magnetresonanztomografen so nicht möglich ist", beschreibt sie begeistert das High-End-Gerät wie ansonsten nur italienische Schuhe. "So ein Gerät brauchen wir in Kärnten auch. Das Ding ist verdammt teuer, aber es rettet Leben. Darauf kommt es an."

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